Wir brauchen mehr Technologieoffenheit
Ein Mix aus batterieelektrischen Fahrzeugen und Verbrennern mit klimaneutralen Kraftstoffen stellt den besten Weg dar, um die CO2-Belastung im Straßenverkehr nachhaltig zu reduzieren. Diesen Standpunkt vertritt Prof. Dr. Thomas Koch, Institutsleiter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Im Rahmen des 10. Internationalen Motorenkongresses will er für eine Versachlichung der Diskussion werben und erhofft sich klare Signale in Richtung Politik und Gesellschaft.
Der renommierte Motorenexperte macht deutlich: „Ich bin nicht im Geringsten ein Gegner der E-Mobilität – allerdings bin entschieden gegen die aktuell propagierte Ausschließlichkeit, weil diese in der Praxis aus verschiedenen Gründen schlichtweg nicht funktionieren kann.“ Daher kritisiert der Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen das von der EU de facto angeregte Verbrennerverbot und wirbt stattdessen für mehr Technologiefreiheit. „Mit synthetischen und biologischen Fuels verfügen wir über technologisch sinnvolle Alternativen, die zudem einen klimaneutralen, emissionsarmen Weiterbetrieb auch der vorhandenen Fahrzeugflotten ermöglichen würden.“
„E-Autos über Jahre deutlich CO2-intensiver als Verbrenner“
Bei einer ausschließlichen Elektrifizierung hingegen sei die Herausforderung der ausreichenden Stromerzeugung nicht ansatzweise gelöst. Schmerzhaft deutlich wurde das an vielen Tagen im Dezember 2022 und Januar 2023, als in Deutschland trübes, sonnenarmes und windstilles Winterwetter vorherrschte. Prof. Koch: „Weil dann beispielsweise Solar- und Windkraftanlagen nicht genug erneuerbare Energien liefern, verschlechtert sich die Bilanz der E-Mobilität enorm. Aufgrund der Stromproduktion in emissionsintensiven Kohlekraftwerken stößt das E-Auto noch lange auch über das ganze Jahr im Mittel betrachtete Maß mehr CO2 aus als ein moderner Diesel – das haben viele Berechnungen, auch durch unser Institut, eindeutig aufgezeigt.“
Auch auf synthetische und biologische Kraftstoffe setzen
Europa beraube sich mit der alleinigen Fokussierung auf batterieelektrische Antriebe ohne erkennbaren Grund vieler Chancen, den Individualverkehr nachhaltiger zu machen. „Ob in Kalifornien oder Skandinavien, in vielen Ländern laufen Anlagen für Kraftstoffe aus Biomasse hoch, die schon heute den fossilen Kraftstoffen beigemischt werden können.“ Dem Narrativ, dass dadurch die globale Nahrungsmittelknappheit verschärft werde, widerspricht Prof. Koch deutlich. „Die Früchte der Pflanzen werden dabei ausdrücklich nicht verwendet, sondern ausschließlich Reste, die nicht zur Lebensmittelerzeugung geeignet sind.“
Wissenschaftliche Fakten statt Emotionen
Ebenso führe die EU-Politik dazu, dass viele Chancen bei der weiteren Optimierung des Verbrenners verschenkt würden, erklärt der Motorenfachmann weiter: „Die Potenziale für mehr ökologische Effizienz sind enorm. So wäre beispielsweise für Dieselantriebe die Hybridisierung hoch interessant.“ Den Motorenkongress sieht er als die geeignete Plattform, um der emotional geführten Debatte mit wissenschaftlichen Fakten zu begegnen. „Unsere Aufgabe ist es, Wissen zu bündeln, zu dokumentieren und verfügbar zu halten – und damit der Politik ein klares Kommunikationsangebot zu machen.“ Im Rahmen der Veranstaltung wird Prof. Koch unter anderem die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen bewerten. „Wenn man sich durch den ständig weiterwachsenden Wust an Regulierungen und Verordnungen kämpft, stellt man fest, dass es vollkommen an einer klaren Strategie fehlt. Damit droht Europa in globaler Sicht technologisch den Anschluss zu verlieren.“
"De-facto-Verbrennerverbot bedeutet sozialen Sprengstoff“
Prof. Koch geht noch weiter und vermutet hinter dem Aus für den Verbrenner das grundsätzliche Ziel einiger Lobbyorganisationen, individuelle Mobilität generell stark einzuschränken. „An dem Tag, an dem der Verbrenner verboten ist, wird auch gegen das Elektroauto gehetzt werden. Denn wir haben nicht ansatzweise genügend Grünstrom. Das wird auch im Jahr 2035 noch so sein“, hat sich Koch zum Beispiel in einem Podcast der Zeitschrift „Cicero“ geäußert. Das Verbrennerverbot zeigt aus seiner Sicht, dass die Politik nicht mehr die Interessen von Normalverdienern ausreichend im Blick habe. „Wenn die Altenpflegerin, der Handwerker oder der Bandarbeiter sich kein Auto mehr leisten könnten, wären die negativen sozialen Auswirkungen gigantisch. Das kritisiere ich scharf!“ Im Zuge des 10. Internationalen Motorenkongresses dürfte somit für viel Diskussionsstoff gesorgt sein.