Matthias Zink ist Präsident des Europäischen Verbandes der Automobilzulieferer, CLEPA, sowie Mitglied des Vorstandes und CEO der Sparte Powertrain & Chassis bei Schaeffler.
Wir brauchen einen neuen, machbaren Stufenplan
CLEPA-Präsident spricht sich für mehr Technologieoffenheit, stabile politische Rahmenbedingungen und Innovationsförderung aus
Im Spannungsfeld von Innovation und Transformation: In seiner Keynote beim 12. Internationalen Motorenkongress wird CLEPA Präsident Matthias Zink die aktuellen Herausforderungen der Branche aus Sicht der Zulieferunternehmen beleuchten. Im Interview vorab plädiert er für mehr Technologieoffenheit und erklärt, was der Verband aktuell von politischer Seite erwartet.
Wie stellt sich CLEPA hinsichtlich einer nachhaltigen Mobilität von morgen auf, welche Prioritäten setzt der Verband dabei?
Als Europäischer Verband der Automobilzulieferer vertreten wir 120 Mitgliedsunternehmen und zwölf nationale Verbände. Damit bilden wir eine breite Marktposition und eine umfassende Sichtweise ab. Wir sind voll und ganz committed zur Dekarbonisierung und zum Green Deal. Das Ziel ist für uns klar, allerdings möchten wir den Weg dorthin offen diskutieren.
Wie könnte aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg aussehen?
Die Meinung im Kreis unserer europaweiten Mitglieder lautet unisono: Wir benötigen mehr Technologieoffenheit und machbare Konzepte statt einer Überregulierung oder einer Benachteiligung beziehungsweise Bevorzugung einzelner Technologien. Auch wenn sich mancher auf eine einzige Technologie kaprizieren möchte – das wird für eine schnelle und effiziente Dekarbonisierung nicht ausreichen.
Wie groß ist Ihre Hoffnung auf neue politische Weichenstellungen?
Aktuell sind vielfältige positive Diskussionen im Gang. Die CLEPA Positionen werden im politischen Raum wahrgenommen, man spricht mit uns und unseren Mitgliedern. Das bewerten wir als sehr positiv. Daher bin ich zuversichtlich, dass es eine Anpassung der aktuellen regulatorischen Vorgaben geben wird.
Wie schätzen Sie die Zukunft des Verbrennungsmotors angesichts der Klimaziele und der politischen Situation ein?
Die längerfristige Planung mit dem kategorischen Verbrenner-Aus im Jahr 2035 wird man in Europa nochmals in Frage stellen, in dieser Hinsicht bin ich mir sehr sicher. Wichtig ist dabei eines: Der nächste Anlauf zu einem Stufenplan muss sitzen, muss machbar und vermittelbar sein.
Zudem dürfen wir den Druck des Faktischen nicht aus dem Blick verlieren, zum Beispiel den nach wie vor sehr unterschiedlichen Ausbaustand einer Elektromobilitäts-Infrastruktur in den europäischen Ländern. Wenn wir das faktisch Machbare oder dessen Grenzen ignorieren, drohen wir die E-Mobilität nachhaltig zu beschädigen – und das dürfen wir nicht tun. Wenn Dinge faktisch nicht machbar sind oder einige Produkte vom Endkunden nicht angenommen werden, wäre das das schlechteste Szenario für uns alle.
Welche Schritte hält CLEPA für entscheidend, um eine Balance zwischen Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu erreichen?
Wirtschaftlichkeit gehört auch zu diesen faktischen Aspekten, die ein neuer, gut durchdachter Stufenplan abbilden sollte: Das Gros unserer Mitglieder bewegt sich am Rande der Wirtschaftlichkeit. Der angekündigte Stellenabbau und Restrukturierungsprogramme in vielen Unternehmen senden alarmierende Signale aus.
Insgesamt befindet sich unsere Branche an einem kritischen Punkt. Gleichzeitig gilt die Herausforderung, die Dekarbonisierung zu meistern. CLEPA plädiert deshalb gerade nicht für eine Verschiebung der E-Mobilität, sondern für mehr Technologie-Offenheit, die Anrechnung von E-Fuels auf Flottenwerte sowie auch die Betrachtung von Wasserstofftechnologien.
Zugleich wächst der Markt- und Innovationsdruck, vorangetrieben insbesondere von Seiten der chinesischen Hersteller. Wie bewerten Sie im Vergleich dazu die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie?
Keine Frage, der Wettbewerb ist herausfordernd, in China werden richtig gute und innovative Produkte gefertigt. Mehr denn je gilt es daher, diesen Wettbewerb sehr ernst zu nehmen. Wir benötigen mehr Agilität und Innovationen, wir sollten alle unsere Prozesse überdenken. Als europäische Industrie müssen wir mehr Mut beweisen, müssen wieder richtig innovativ sein und zugleich auch kostenseitig wettbewerbsfähig bleiben.
Auf dem chinesischen Markt können wir aktuell eine interessante Entwicklung beobachten: Dort sind nicht batterieelektrische Fahrzeuge die eigentlichen Gewinner – sondern Plug-in-Hybride und sogar Fahrzeuge mit Range Extender, die Elektromobilität mit Verbrenner-Vorteilen hinsichtlich Reichweite, Flexibilität und Infrastruktur verbinden.
Was erwarten Sie in dieser Situation von der Politik?
Wenn es um Innovationskraft, Agilität und weitere klassische Tugenden der deutschen und europäischen Automobilindustrie geht, kann uns die Politik nicht helfen. Allerdings kann uns die Politik mit stabilen Rahmenbedingungen unterstützen – zum Beispiel, indem das Risiko von Investitionen in neue Technologien reduziert wird.
Aus diesem Grund wünsche ich mehr Planungssicherheit durch eine höhere Technologiebreite, eine adäquate Infrastruktur und Förderungsprogramme, die Innovationen stimulieren. Mit einem angepassten Stufenplan haben es Unternehmen auch wirtschaftlich wieder einfacher, trotz aller angespannten Rahmenbedingungen, denen wir uns derzeit gegenübersehen.
Inwieweit trägt auch das Verhalten der Kunden dazu bei, die ursprüngliche EU-Planung zu verändern?
In der Tat können wir es uns nicht leisten, am Endkunden vorbeizuarbeiten und die Wünsche der Verbraucher zu ignorieren. Keine Frage, Elektromobilität ist eine faszinierende Technologie, die sich langfristig durchsetzen wird. Die Branche hat in dieser Hinsicht schon sehr viel geleistet und gelernt. Doch es ist möglich, Übergangsszenarien zeitlich länger zu gestalten, ohne sich dabei zu verzetteln. Auch bei den OEMs hat sich das Meinungsbild zu dieser Frage in den vergangenen Monaten stark gewandelt, statt der Prämisse „nur noch Elektromobilität“ herrscht heute eine ausgewogenere Position vor.
Welche Rolle können E-Fuels Ihrer Meinung nach bei der Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor spielen?
E-Fuels haben generell ihre Berechtigung, da sie schnellere CO2-Einsparungen in den Bestandsflotten ermöglichen. Daher plädiert CLEPA dafür, E-Fuels zuzulassen und in die Gesamtbetrachtung eines zukunftsweisenden Stufenplans einzubeziehen.
Was sind Ihre Erwartungen an den Internationalen Motorenkongress?
Auf den Kongress freue ich mich sehr, da er die Möglichkeit bietet, drängende Fragen aus Ingenieurssicht vollkommen offen zu diskutieren und dabei auch technologische Alternativen zuzulassen. Gerade jetzt kommt es auf eine pragmatische Sichtweise und ein machbares Regelwerk an, um den Unternehmen Planungssicherheit für die Zukunft zu geben.