Wasserstoff-Verbrenner: Eine Zero-Emission- Antriebsalternative für Lkw

Mit einer H2-Kleinserie werden beginnend ab 2025 Praxiserfahrungen auf der Straße gesammelt

Der Druck aus dem Markt ist groß: Speditionsbetriebe suchen neue Antriebslösungen, die dazu beitragen, die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs weiter voranzutreiben. Verschiedene Hersteller setzen dabei auch auf Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff betrieben werden: bewährte Technik, die sich vergleichsweise einfach für den Betrieb mit Wasserstoff umrüsten lässt. Dr. Andreas Broda, Vice President / Head of Fuel Based Propulsion Systems, MAN Truck & Bus SE, referiert dazu beim 12. Internationalen Motorenkongress – und beantwortet vorab unsere Fragen.
 

Herr Broda, wie sehen die Planungen zum Start der MAN Wasserstoff-Kleinserie aus?

In 2025 geht es mit dem H2-Produkt in ausgewählten Märkten auf die Straße. Geplant ist dabei, rund 200 Fahrzeuge national und international auszuliefern. Einen hohen Push spüren wir insbesondere aus Skandinavien, wo Transporteure dringend geeignete Fahrzeuge suchen, um Wasserstoffnetze in Betrieb nehmen zu können. Auch in den Niederlanden ist beispielsweise schon heute eine vergleichsweise hohe Tankstellendichte gegeben.
 

Welche Intention verfolgen Sie mit diesem Projekt?

Die Kleinserie ist ein wichtiger Schritt, um Erfahrungen mit Wasserstoff-Technologien in der Praxis zu sammeln und die permanente Diskussion „Was ist zuerst da: Henne oder Ei?“ ein Stück weit aufzubrechen. Wir glauben, dass der Wasserstoffantrieb ein sehr guter Einstieg in eine wasserstoffbasierte Logistik- und Transportwelt sein kann. Der Verbrennungsmotor, in diesem Fall ein Otto-Motor, ist bekannt und bewährt, sodass dieses Konzept auch sofort starkes Interesse im Markt geweckt hat – nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus.
 

Bildet dies aus Ihrer Sicht lediglich einen Zwischenschritt auf dem Weg zur Brennstoffzelle oder können sich Verbrenner, die mit Wasserstoff betrieben werden, längerfristig im Nutzfahrzeugbereich etablieren?

Fahrzeuge mit Brennstoffzelle sind aktuell nicht kurzfristig verfügbar. Deshalb bildet die Kleinserie mit für unsere Kunden bekannter Technologie – dem Verbrennungsmotor – für uns einen guten Eintritt in die Wasserstoffwelt, die sich zweifelsohne noch weiterentwickeln wird. Beginnend mit einem ZEV-klassifizierten Wasserstoff-Verbrenner, später dann mit einem elektrifizierten Brennstoffzellen-Antrieb.

Allerdings bin ich überzeugt, dass der Wasserstoff-Verbrenner durchaus mehr als eine Brückentechnologie sein kann – gerade in globaler Hinsicht. Zudem kann er eine wichtige emissionsfreie Ergänzung zu reinen Elektro-Lkw darstellen, in der Forstwirtschaft beispielsweise oder bei Baustellenfahrzeugen, die teils 24/7 in Betrieb sind. Wir setzen dabei auf komprimierten gasförmigen Wasserstoff, Compressed Gaseous Hydrogen (CGH2), mit 700 bar Drucktanks, sodass sowohl Nfz-spezifische 700-bar-Tankstellen als auch potenziell für Pkw ausgelegte Tankanlagen mit geringeren Speicherdrücken genutzt werden können.

Somit kann es sehr gut sein, dass sich dieser Antrieb in verschiedenen Teilen der Welt langfristig etablieren kann. Für einen wirtschaftlichen und umweltschonenden Betrieb werden der Preis und die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff entscheidend sein. Schließlich steht bei Nutzfahrzeugen stets die Total Cost of Ownership (TCO) im Vordergrund.
 

Sie haben es schon kurz angerissen: Hat die Reaktion aus dem Markt Ihre Erwartungen erfüllt?

Wir haben hierzu viele positive Rückmeldungen erhalten. So interessieren sich Transportunternehmen, die im Wasserstoffumfeld tätig sind und beispielsweise Logistikketten für Wasserstoffproduzenten betreiben, für die Möglichkeit, den Brennstoff auch selbst zu nutzen. Das Feedback auf der IAA 2024 war ebenfalls so, dass unsere wasserstoffaffinen Kunden den Wasserstoff-Verbrenner als den logischen Schritt in die H2-Welt betrachten.
 

Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung der Kleinserie?

Eine der wesentlichen Herausforderungen bestand darin, die Wasserstoff-Drucktanks Typ 4 (700 bar) in die Fahrzeuge zu integrieren. Wir haben uns für eine Dimension entschieden, die eine Reichweite von mindestens 600 Kilometern ermöglicht. Wir haben hier eine sehr gute Lösung für die Tankintegration hinter dem Fahrerhaus gefunden.

Zudem haben wir uns für ein Direkteinblaskonzept entschieden, um auch beim Otto-Verbrenner die Dynamik zu erreichen, die Kunden vom Dieselantrieb kennen und erwarten. Ein weiteres Thema war es, die Softwareentwicklung maßgeschneidert für den Antrieb zu realisieren, mit dem Ziel, ein möglichst dieselnahes Verhalten mit vergleichbaren Verbrauchswerten zu ermöglichen. Bei der Materialauswahl wiederum haben wir selbstverständlich auf wasserstoffkonforme Materialien geachtet, die keiner Versprödung unterliegen.

Insgesamt war der Weg zur Kleinserie aber vergleichsweise problemlos möglich, zumal wir auf unsere mehrjährigen Erfahrungen mit Wasserstoffmotoren zurückgreifen konnten. Sowohl der Motor als auch das Fahrzeug können auf den jeweiligen Serienbändern gebaut werden. Letzteres erhält in einem separaten Schritt das spezielle Wasserstofftanksystem. Somit können wir auch die Fertigung der Kleinserie sehr gut in unsere bestehenden Prozesse integrieren.


Wie werden Sie die Erprobung begleiten?

Den Betrieb der H2-Lkw werden wir intensiv beobachten, um weitere Daten zum Verhalten des Produktes zu sammeln. Faktoren wie Ölalterung und Ölstabilität sowie die Stabilität der Einspritzsysteme und Zündkerzen werden wir genau im Blick behalten. Unsere Erwartungshaltung ist allerdings, dass wir keine großen Überraschungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Technik erleben.
 

Soll es bei der Kleinserie bleiben – oder könnte daraus in den kommenden Jahren mehr werden?

Derzeit ist die Kleinserie für ausgewählte Märkte vorgesehen. Die zunächst geplanten 200 Fahrzeuge der Kleinserie werden in Norwegen, Island, den Niederlanden, Deutschland sowie den VAE an Kunden gehen. Die Auslieferung in weitere Länder wird gegenwärtig geprüft. Die TCO-Situation hängt unter anderem davon ab, wie sich der Marktpreis für Wasserstoff entwickelt. Für eine Preisparität zum Diesel ist eine Range von 4 bis 6 Euro pro kg Wasserstoff notwendig – so weit sind wir heute noch nicht.
 

Grundsätzlich sehen Sie aber Potenziale?

In jedem Fall! Wir sprechen hier über eine robuste, bekannte Technologie – nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kunden. Für die EURO 7 sind wir im Ultra-Low-NOx-Bereich – weit unter den Grenzwerten. Ich persönlich bin überzeugt, dass wir bei entsprechender H2-Verfügbarkeit in gewissen Segmenten auch langfristig Lkw mit Wasserstoff-Verbrenner sehen werden.

Quelle: MAN

Dr. Andreas Broda, Vice President / Head of Fuel Based Propulsion Systems bei MAN Truck & Bus SE, berichtet beim 12. Internationalen Motorenkongress über die MAN-Kleinserie mit H2-Verbrennungsmotor.