Software und Open Source sind Gamechanger für die Automobilentwicklung
Digitalisierung und Vernetzung: Automobilbranche setzt zunehmend auf Kooperationen
Mit dem Software Defined Vehicle verbindet sich ein vollkommen neues Maß der Komplexität, von der Elektronik und dem Energiemanagement bis hin zur Software. Vor diesem Hintergrund hat die Bereitschaft zu Kooperationen innerhalb der Branche in den vergangenen nochmals stark zugenommen – bei gleichzeitig steigendem Wettbewerbsdruck. Für Dr. Rolf Zöller (Porsche AG, Stuttgart), Leiter des Internationalen VDI-Kongresses ELIV 2023, steht fest: „Software ist der entscheidende Gamechanger und hat direkten Einfluss auf unterschiedlichste Technologiefelder. Die ELIV ist als Plattform daher ungemein wertvoll, um den fachlichen Austausch zu ermöglichen sowie Kreativität und gegenseitige Vernetzung zu unterstützen.“
Der langjährige Branchenkenner erwartet vom diesjährigen Kongress zahlreiche neue Impulse und facettenreiche Keynotes zur E/E-Architekturen und Softwaresystemen für das Automobil von morgen. „Der Zeitpunkt der ELIV kommt genau richtig, um grundlegende Themen zu diskutieren. Bewusst legen wir dabei in diesem Jahr einen inhaltlichen Schwerpunkt auf das Thema Open Source, da es nahezu alle Marktteilnehmer intensiv beschäftigt“, unterstreicht Dr. Zöller. Schließlich gebe es im Software Defined Vehicle zahlreiche Softwareumfänge, die nicht zu einer Differenzierung beitragen würden.
Inhaltlicher Schwerpunkt auf Open Source Software
Communityansätze, die in der IT-Welt oder der CE-Industrie seit Langem üblich sind, seien daher auch für die Automotive-Welt zu analysieren. Open Source spiele dabei die zentrale Rolle. Grundsätzlich sieht Dr. Zöller die europäische Branche dabei auf einem guten Weg, auch wenn insbesondere chinesische Hersteller weiter den Markt technologisch vorantreiben: „Alle Marktteilnehmer haben in den vergangenen Jahren enorm investiert. Die damit verbundenen Effekte können wir bereits wahrnehmen, der Übertrag von der Technologieentwicklung in die Produktwelt beschleunigt sich erheblich.“
Wiedererkennung und Marken-Differenzierung sicherstellen
Wie sieht im Automobil von morgen die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine aus, wie sehr können sich einzelne Marken dabei vom Wettbewerb differenzieren?
Dr. Zöller: „Die Herausforderung lautet, Systeme mit hohem Nutzwert für den Anwender und mit hohem Wiedererkennungseffekt aus Sicht der OEMs zu schaffen. Das Gesamtsystem muss einfach und sicher ohne Ablenkungspotenzial zu bedienen sein und soll dabei stets frisch wirken.“ So laute etwa eine Aufgabenstellung, auch aktuelle Apps nutzbar zu machen, die es vielleicht zum Zeitpunkt der Fahrzeugfertigung noch gar nicht gab – ohne die Systeme vollends zu überfrachten. Gleichzeitig sei klar, dass sich die Hersteller nicht vor den Plattformen der Techgiganten verschließen können. Im Gegenteil: „Die Kunden erwarten dies in heutigen Fahrzeugen als eine Selbstverständlichkeit“, so Dr. Zöller weiter.
Neue Ideen bis zu Function on Demand
Gleichzeitig berge die Software-Zentrierung viele Chancen, etwa bei der Reduzierung der Produktvarianz. „Weniger Hardwarevarianten machen das Fahrzeug und dessen Konfiguration ohne Frage beherrschbarer. Gleichzeitig lassen sich durch die Software später noch im Feld, beispielsweise bei einem Halterwechsel, weitere Funktionen aktivieren, was einen attraktiven Mehrwert bietet.“ Dabei könne etwa „Function on demand“ zu einer Komplexitätsreduktion beitragen. Auch die Modellpflege dürfte sich wandeln – bis hin zu den Wertschöpfungsstrukturen.
Varianz reduzieren, Modellpflege verändern
Auf diese Weise machen es zukünftige Software-Updatestrategien möglich, ein Auto länger „frisch“ zu halten – solange es die Hardware mitmacht. Dr. Zöller dazu: „Vielleicht findet man in Zukunft auch zu Systemen, um selbst Elektronik und Hardware im Fahrzeug zu tauschen und so die Nutzungszeit nochmals zu steigern.“ Diese Ideen werden intensiv diskutiert, allerdings handele es sich dabei noch um technologisches Neuland: „Die Lösungen dafür liegen noch in der Zukunft“, erklärt Dr. Zöller weiter. Der Wandel in der Branche steigere in jedem Fall die Bereitschaft, ungewohnte Wege einzuschlagen und nach neuen Antworten zu finden. Die Teilnehmenden der ELIV können somit auf viel Diskussionsstoff und umfassende Einblicke in E/E-Architekturen sowie Software-Entwicklungen von morgen gespannt sein.