Welche Rolle spielen Kleinfahrzeuge für nachhaltige Mobilitätskonzepte?
Jede Form der Mobilität benötigt Ressourcen. Im Sinne der Nachhaltigkeit müssen wir anstreben, davon so wenig wie möglich zu beanspruchen. Weit mehr als die Hälfte aller Wege werden mit motorisiertem Individualverkehr erledigt. Hier besteht ein großes Potenzial, wirksam zu handeln. Physikalisch ist es trivial zu erkennen, dass kleine Fahrzeuge weniger Energie in Herstellung und Betrieb benötigen als große. Es gibt ganz klar Situationen, in denen große Fahrzeuge sinnvoll sind, um den jeweiligen Mobilitätsbedarf zu decken – aber in den weit häufigsten Situationen geht es um den Transport von 1-2 Personen mit überschaubarem Gepäck.
Je besser wir hier in der Lage sind, attraktive und bedarfsgerechte Fahrzeuge gestalten zu können, desto eher können wir erreichen, dass vermehrt kleinere und sparsame Fahrzeuge genutzt werden.
Im Betrieb benötigt ein PKW zwischen 15,9 und 24,2 kWh/100km (oder ein entsprechendes Kraftstoffäquivalent) im Segmentmittel, während für Kleinfahrzeuge 9,2 bis 16,1 kWh/100km ausreichend sind – ein deutliches Sparpotenzial, auch wenn die Klimabilanz der Stromerzeugung stetig besser wird.
Was sind die Unterschiede zwischen Klein- und Kleinstwagen?
Tatsächlich sind die Begriffe nicht einheitlich standardisiert. Im europäischen Zulassungsrecht unterscheidet man zwischen Leichtfahrzeugen (L), PKW (M) und Nutzfahrzeugen (N). Innerhalb der PKW definiert das Kraftfahrtbundesamt das „Mini-Segment“ als die kleinste Gruppe (VW Up!, Smart Fourtwo, Fiat 500), während die Europäische Kommission dieses Segment Kleinstwagen nennt – und in beiden Fällen die PKW-Klasse M1 adressiert.
Warum reichen die bisherigen Fahrzeugklassen nicht mehr aus?
Das Angebot an kleinen PKW hat sich in den letzten zehn Jahren auf die Hälfte reduziert und die Preise sind laut ADAC in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt um 44,3% gestiegen, ohne dass die Nachfrage nachlässt. Die Anforderungen an Emissionen und Sicherheit steigen kontinuierlich – ebenso wie Kosten, Masse und Größe der Fahrzeuge. M1-PKW wiegen in der Regel weit mehr als eine Tonne, mit E-Antrieb noch einmal deutlich mehr. Damit wird die Lücke zur aktuellen kleineren Alternative der PKW-ähnlichen Leichtfahrzeuge (Klasse L7e) – wie beispielsweise der Renault Twizy – größer. Bei den Leichtfahrzeugen der Klasse L7e ist durch gesetzliche Einschränkungen in Gewicht und Breite aber nur ein geringes Sicherheitsniveau realisierbar. Zudem gibt es hier kaum gesetzliche Vorgaben zur Fahrzeugsicherheit – keine Crashtests, Airbags oder Knautschzonen…
Welche Vorteile und Möglichkeiten bietet hier die Klasse M0?
Mit der M0-Klasse wird vorwiegend der städtische und Kurzstreckenverkehr adressiert. Damit gehen geringere Leistungs- und Reichweitenanforderungen einher, so dass leichtere und kostengünstigere Batterien verbaut werden können. Abmessungen und Gewichtsgrenzen werden enger als bei PKW, aber deutlich weiter als bei Leichtfahrzeugen begrenzt.
Das angestrebte Nutzungsprofil reduziert den Geschwindigkeitsbereich, für den Deformationsräume ausgelegt werden. Assistenzsysteme können Kollisionen im Längs-, Kreuzungs-, Abbiege- und Einfahrtverkehr sowie Rad- und Fußgängerkollisionen verhindern oder die Kollisionsgeschwindigkeiten weiter reduzieren. Die Assistenzsysteme wirken nachteilig auf Kosten und Gewicht, während sich die verringerten Deformationsräume positiv auf die Abmessungen, Masse und Kosten eines Fahrzeuges auswirken. Mit den geringeren Kollisionsgeschwindigkeiten und -wahrscheinlichkeiten können ebenso die Maßnahmen in der Fahrgastzelle gegenüber den PKW-Anforderungen reduziert werden. Dabei sind auch die Situationen, in denen ein Kleinfahrzeug von gelegentlich auch schwereren anderen Verkehrsteilnehmern angefahren wird, zu berücksichtigen. Untersuchungen eines potenziellen Unfallgeschehens auf Basis der GIDAS-Unfalldatenbanken haben aufgezeigt, dass sich mit einem angepassten integralen Sicherheitskonzept ein vergleichbares Sicherheitsniveau wie bei PKW erreichen lässt.
Zur Person:
Prof. Jan Friedhoff, Professor für Fahrzeugkonzepte und Design, Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg