Hohe Toleranzanforderungen bei Wälzlagersitzen
Die angegebenen Toleranzgrade für die Toleranzzonen t der einzelnen Geometrieelemente liegen dabei im Bereich IT4 bis IT7 nach DIN EN ISO 286-1 [3], deren Fertigung mit hohem Herstellungsaufwand verbunden ist [4]. Andererseits führen größere geometrische Abweichungen der Lagersitze zu entsprechenden elastischen Deformationen der Lagerringe, welche sich wiederum auf das Betriebsverhalten des Lagers auswirken. Durch die Berücksichtigung geometrischer Abweichungen bei der Lagerberechnung wird der Anwender in die Lage versetzt, deren Auswirkungen auf Zielgrößen wie etwa Betriebsspiel, Lebensdauer, Reibmoment oder Schwingungsanregung abschätzen und die Tolerierung der Lagersitze an die Anforderungen anpassen zu können.
Methodenentwicklung zur Integration von Abweichungen bei der Wälzlagerberechnung
Vor diesem Hintergrund haben der Lehrstuhl für Maschinenelemente, Getriebe und Tribologie der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau und der Lehrstuhl für Konstruktionstechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (KTmfk) im Rahmen des FVA-Forschungsvorhabens FVA 736 II [5] eine Methode entwickelt, welche eine Berücksichtigung statistisch verteilter geometrischer Abweichungen bei der Auslegungsrechnung von Zylinderrollenlagern ermöglicht. Diese basiert auf der Verbindung einer statistischen Toleranzanalyse mit Mehrkörpersimulationen. Untersucht wurden Lager vom Typ NU206 und NU216.
Synergie durch Kombination statistischer Toleranzanalysen und Mehrkörpersimulation
Im Rahmen der Methode wird zunächst eine beliebige Zahl abweichungsbehafteter Bauteile erzeugt (sog. Sampling). Anschließend wird für jedes Sample eine Berechnung der resultierenden Lagerringverformungen mithilfe eines Metamodells durchgeführt. Die Auswertung relevanter Funktionsgrößen wie Lebensdauer oder Lagerverkippung erfolgt in der Software FVA- Workbench. Durch diese statistische Betrachtungsweise kann die Realitätsnähe der erhaltenen Berechnungsergebnisse gesteigert werden. Darüber hinaus wird so eine Optimierung der Tolerierung der Anschlussbauteile ermöglicht, welche die Erfüllung der funktionellen Anforderungen bei möglichst geringem Herstellungsaufwand gewährleistet. An kritischen Punkten innerhalb des Parameterraums (etwa im Fall einer hohen Lebensdauer) können detaillierte Untersuchungen des dynamischen Verhaltens (z. B. des Reibmoments) mithilfe einer Mehrkörpersimulation durchgeführt werden.
Modellierung von Abweichungen
Die Beschreibung der originären geometrischen Abweichungen der Oberflächen der Anschlussbauteile (d. h. Wellen- und Gehäuselagersitz) für die statistische Toleranzanalyse erfolgt dabei mithilfe der zweidimensionalen diskreten Fouriertransformation (DFT). Darüber hinaus wurden Durchmesserabweichungen, Kreisballigkeit, Kegeligkeit und Gehäuseteilung separat implementiert und untersucht. An den Lagern wurden Variationen des Innen- und Außendurchmessers sowie der Lagerluft modelliert. Die statistischen Toleranzanalysen wurden jeweils auf der Grundlage eines Systemmodells mit zwei Lagern, einer darin geführten Welle und einer auf dieser zentrisch angreifenden Radialkraft von variabler Höhe durchgeführt (siehe Abbildung 2).