Die CO2-Bilanz von Verbrennungsmotoren weiter verbessern, sonstige Emissionen eliminieren und das Gesamtsystem durch Vereinfachungen optimieren: Diese drei übergeordneten Ziele hat Prof. Dr. Thomas Koch in den Mittelpunkt seiner Forschung gestellt. Der Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen (IFKM) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist bekannt dafür, klar Position zu beziehen und auch die politische Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Im Rahmen des Internationalen Motorenkongress (27. und 28. Februar 2024, Baden-Baden) wird er als einer der Top-Speaker unter anderem die Potenziale der Dieseltechnologie für Pkw-Antriebe von morgen beleuchten. Im Vorfeld des Kongresses stellt er sich unseren Fragen.
Herr Prof. Koch, wie bewerten Sie die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Mobilität?
Prof. Koch: Leider wird aus meiner Sicht in der Politik vielfach an den Realitäten und den physikalischen Fakten vorbei diskutiert und gehandelt. Was etwa das Verbrennungsverbot in Europa zum Jahr 2035 betrifft, gehe ich davon aus, dass eine politische Korrektur unumgänglich sein wird. Dass wir den Verbrenner – sicherlich als Hybrid und mit E- oder Bio-Fuels angetrieben – weiterhin neben dem elektrifizierten Antrieb benötigen, um individuelle Mobilität zu ermöglichen, ist für mich klar. Das Problem ist allerdings, dass die derzeitige Politik in Europa Fakten schafft, die später womöglich nicht mehr umkehrbar sind. Nach der Wahl des Europaparlaments im Juni dieses Jahres wird es mindestens einige Monate brauchen, bis sich eine neue politische Agenda herauskristallisiert. Doch das ist Zeit, die wir eigentlich nicht mehr haben.
Was ist aus Ihrer Sicht so zeitkritisch?
Prof. Koch: Bei der Entwicklung und Fertigung von Verbrennungsmotoren handelt es sich nicht um eine Disco oder einen Vergnügungspark, der sich beliebig schließen und Jahre später nach einer Grundreinigung einfach wieder öffnen lässt. Wenn wir dieses Fachwissen, mit dem die europäische Automobilindustrie weltweit führend ist, erst einmal aufgeben, wird es unwiederbringlich verloren gehen. In diesem Sinne schafft die aktuelle Politik fatale Fakten. Die entscheidende Frage ist daher: Schaffen wir es noch, die hohe Systemexpertise zu behalten und weiter zu pflegen – oder bauen wir sie ab, wie dies in der Vergangenheit bei Kernkraft, Gentechnik oder Turbinentechnik geschehen ist. Wünschenswert wäre insbesondere eine langfristig ausgerichtete, strategische Wirtschaftspolitik.
Wenn Sie die Verbrennertechnologie erhalten wollen – wie sieht dann Ihre Vorstellung einer klimafreundlicheren Mobilität aus?
Prof. Koch: Wir benötigen nicht die Abschaffung des Verbrenners – sondern eine Defossilisierung des Verkehrs, also eine nachhaltige Reduktion der CO2-Emissionen. Dazu wiederum braucht es Technologieoffenheit, einen Wettbewerb der technologischen Systeme und die Bereitschaft, Richtung Wasserstoff und E-Fuels intensiver zu forschen und zu entwickeln. Nicht der effiziente Energiewandler Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell, sondern fossile Kraftstoffe. Diese müssen langfristig verschwinden. Daher sehe ich auch kein Gegeneinander von Elektro- und Verbrennungsmotor, sondern ein Miteinander.
Allerdings habe ich zunehmend den Eindruck, dass die Wege in eine defossilisierte Mobilität mit Absicht verstellt werden. Im Kern scheint es bestimmten interessierten Kreisen vielmehr darum zu gehen, individuelle Mobilität komplett zurückzudrängen. Dabei hat Mobilität für unsere Gesellschaft und Volkswirtschaften einen hohen, wenn nicht unverzichtbaren Wert!
Wie bewerten Sie die Trends außerhalb Europas? Ist etwa in China der Verbrenner ebenfalls ein Auslaufmodell?
Prof. Koch: Auch wenn dieses Ammenmärchen immer wieder erzählt wird, ist das Gegenteil der Fall. Richtig ist, dass China in den vergangenen zehn Jahren die Elektromobilität stark vorangetrieben hat. Ein entscheidender Grund war dafür, dass man die Abhängigkeit von hohen Ölimporten reduzieren und stattdessen die eigenen Kohlevorkommen – unter anderem zur Stromerzeugung für E-Autos – intensiver nutzen wollte. Gleichzeitig wissen die chinesische Politik und Automobilindustrie aber genau, dass die Elektrifizierung an Grenzen stößt. Stattdessen setzt man dort heute auf einen Mobilitätsmix und beschäftigt sich intensiv mit Methanol und anderen alternativen Kraftstoffen. Der Plan besteht in China eindeutig darin, auch den Verbrenner weiterzuentwickeln – und damit den Weltmarkt zu bedienen. Dies ist in einem Positionspapier der chinesischen Regierung im Dezember 2023 bestätigt worden.
Warum ist der Verbrenner so unverzichtbar?
Prof. Koch: E-Mobilität wird im Kompaktwagensegment auf absehbare Zeit nicht kompetitiv zu marktgerechten Kosten möglich sein. Stattdessen sollten wir den enormen Technologiesprung, den wir in Europa beim Diesel haben, nutzen und darauf aufbauen. Die Technik ist beim Verbraucher etabliert und wird geschätzt, sie ist auch in Kompaktwagen zu wettbewerbsfähigen Kosten produzierbar. Wichtig ist es daneben, den Weg zu CO2-neutralen Kraftstoffe enorm zu forcieren. In vielen Ländern wie Italien ist beispielsweise der nonfossile Diesel HVO100 bereits an der Zapfsäule erhältlich.
Das Allerwichtigste aber: Wir sollten die Diskussion um die Zukunft der Mobilität betriebswirtschaftlich, technisch orientiert führen – und nicht derart ideologisch wie im Augenblick.
Für wie realistisch halten Sie es, dass sich dieser Wunsch verwirklicht?
Prof. Koch: Zumindest beobachte ich sowohl in der Industrie als auch in der Politik eine zunehmende Bereitschaft, sich diesen Fragen zu stellen und nicht alles auf eine Karte in Form der E-Mobilität zu setzen. Am Ende wird sich keine Technologie durchsetzen, die nicht vom Markt akzeptiert wird. Schauen Sie sich etwa das Flottengeschäft an: Viele Unternehmen sind bei ihren Fuhrparks bereits wieder bewusst zum Diesel zurückgekehrt und untersagen es Mitarbeitern sogar, ein E-Auto zu leasen – nicht nur wegen der Reichweiten- und Infrastrukturthemen, sondern vor allem wegen der hohen Ladekosten. Im direkten Vergleich bei entsprechender Laufleistung von 40.000 bis 50.000 Kilometern bleibt der Diesel unschlagbar. Zudem hat gerade der Diesel beim deutschen Stromsystem weiterhin bereits ohne reFuels-Kraftstoffe einen CO2-Vorteil im Vergleich zu einem reinen Elektrofahrzeug, wie die neueste VDI-Bilanzanalyse aufzeigte!
Insgesamt mache ich mir große Sorgen, ob der Wettlauf gegen die Zeit noch zu gewinnen ist und wir die Zukunftsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie erhalten können. Mit Glück können wir den Wettlauf mit einem blauen Auge und einigen Rippenschmerzen bestehen. Allerdings: Viel Zeit bleibt uns dafür nicht mehr! Denn in wenigen Jahren schon ist sprichwörtlich der Ofen aus.