Toleranzanalyse in der Praxis
Was erwarten wir in der Regel nach dem Kauf eines technischen Produktes vom Selbigen, sei es nun ein Handy, ein Kugelschreiber, eine Waschmaschine oder ein Auto? Das Produkt muss zunächst bezüglich seiner Bestimmung entsprechend funktionieren. Das ist aus Kundensicht die Minimalanforderung. Sehr häufig kommen zu den nüchternen Funktionen auch ästhetische Kriterien hinzu. Kurzum, ein technisches Produkt soll nicht nur funktionieren, sondern darüber hinaus auch gut aussehen. Oft bezieht sich das Aussehen auf einen harmonischen Übergang von verschiedenen Einzelteilen. Dies können beispielsweise, die so oft zitierten, Spaltmaße sein.
Für all diese diversen technischen und ästhetischen Anforderungen existieren technische Vorgaben, gemeinhin als Spezifikationen bezeichnet.
Basierend auf diesen geometrischen Spezifikationen muss die Entwicklung und Konstruktion den Nachweis erbringen, dass die technischen Anforderungen in der Serienproduktion langzeitstabil und prozesssicher realisiert werden können, ohne die Kosten und den Aufwand für die Produktion unnötig zu erhöhen.
Dieser Nachweis wird im Bereich der Entwicklung und Konstruktion entwicklungsbegleitend durch die Durchführung von Toleranzanalysen erbracht.
Hierbei werden technische Baugruppen in ihrer Funktion durch das Zusammenwirken der einzelnen Bauteile betrachtet. Bezogen auf die Bauteiltoleranzen, welche Maß-, Form- und Lagetoleranzen sein können, bedeutet dies, dass die Funktionstoleranz, welche die Spezifikation abbildet, aus den Einzeltoleranzen resultiert. Damit kommt der Festlegung der Einzeltoleranzen eine bedeutende Aufgabe zu.
Toleranzfestlegung für Bauteile, was heißt das?
Die Toleranzfestlegung bietet drei Alternativen. Erstens, die Übernahme von Toleranzen aus bereits bestehenden Konstruktionen; dieser Ansatz wird auch als Analogieschluss bezeichnet. Zweitens, die Festlegung nach Erfahrungswerten. Und schließlich drittens, die Berechnung der benötigten Toleranzfeldgrößen, kurz Toleranzen genannt. Die richtige Toleranzfestlegung ist anhand der genannten Alternativen nur in der Berechnung der Toleranzen gegeben, im Konstruktionsalltag auch als Toleranzanalyse bezeichnet.
Grundsätzlich spiegelt die Toleranzanalyse eine Einschätzung der Robustheit und Zuverlässigkeit eines Produktes oder Systems wider und hilft bei der Identifizierung potenzieller Schwachstellen.
Hierbei werden zwei Arten von Toleranzanalysen unterschieden: Die arithmetische und die statistische.
Die arithmetische Toleranzanalyse beschreibt das Ergebnis für die Extremlagen der betreffenden Bauteile innerhalb einer Baugruppe.
Die statistische Toleranzanalyse hingegen ist ein Ansatz zur Bewertung von Toleranzen in einem Produktionsprozess unter Berücksichtigung von statistischen Schwankungen. Sie ermöglicht die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt die vorgegebenen Spezifikationen erfüllt. Durch die Berücksichtigung von statistischen Daten können realistischere Toleranzgrenzen festgelegt werden, um die Produktqualität zu verbessern.
In der Praxis wird die Toleranzanalyse in verschiedenen Branchen wie der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt, der Elektronik und der Medizintechnik erfolgreich angewendet.
Zur Person
Dr.-Ing. Frank Mannewitz ist seit über 30 Jahren im Themengebiet der statistischen Toleranzanalyse aktiv. Nach seiner Ausbildung zum Betriebsschlosser bei der Volkswagen AG in Kassel begann er sein Maschinenbaustudium an der Universität Kassel, wo er zunächst mit dem Diplom I abschloss. Nach zwei weiteren Ingenieurstätigkeiten bei der Daimler AG in Stuttgart-Untertürkheim und der WEGU Holding GmbH in Kassel setzte er sein Maschinenbaustudium an der Universität Kassel fort und promovierte dort im Anschluss an sein Diplom II zum Dr.-Ing. im Fachgebiet Leichtbau-Konstruktion. Seit 1995 ist er Geschäftsführer der casim GmbH & Co. KG in Kassel.