Synthetische Kraftstoffe: Der Verbrennungsmotor hat noch viel Zukunft
Wie sieht die individuelle Mobilität von morgen und übermorgen aus? Welche alternativen Kraftstoffe können neben der Elektromobilität eine prägende Rolle spielen? Und wie viel Zukunft hat der Verbrennungsmotor noch? Diese und weitere herausfordernde Themen prägen den Internationalen Motorenkongress des VDI Wissensforums am 18.-19.02.2020 in Baden-Baden. Prof. Dr. Uwe Dieter Grebe, Geschäftsführer der AVL List GmbH und Mitglied im Programmbeirat Pkw-Motorentechnologie, beantwortet im Vorfeld einige Fragen.
Was sind Ihre Erwartungen an die Diskussionen auf dem Internationalen Motorenkongress 2020?
Sehr wichtig – nicht nur auf dem Kongress, sondern generell in der öffentlichen Diskussion – ist es, dass wir wieder verstärkt faktenbasiert über die Zukunft der Mobilität diskutieren. Dabei ist natürlich in erster Linie die Automotive-Branche gefordert, die Diskussion zu versachlichen. Gleichzeitig erwarte ich, dass der Internationale Motorenkongress die passende Plattform bietet, um auch mit der Politik und mit NGOs stärker in die Diskussion einzusteigen.
Wie viel Zukunft hat aus Ihrer Sicht der Verbrennungsmotor noch?
Enorm viel Zukunft – dies ist ein Punkt, der in den öffentlichen Diskussionen häufig zu kurz kommt. Bei AVL haben wir auf Basis umfassender Marktuntersuchungen Szenarien bezüglich der zu erwartenden Antriebstechnologien in den einzelnen Regionen erstellt. Das ergibt ein eindeutiges Bild für das Jahr 2030: In den USA werden dann noch bis zu 90 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge über einen Verbrennungsmotor verfügen – inklusive der Hybridmodelle – in Europa dürfte der Wert bei etwa 70 Prozent liegen, in China bei 78 Prozent, in Indien gar bei 98 Prozent.
Vor diesem Hintergrund wäre es sträflich, die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors mit Blick auf Effizienz und Emissionsverhalten zu vernachlässigen. Im Gegenteil, Fahrzeuge etwa der Klasse Euro 6d zeigen ja, wie leistungsstark und umwelteffizient moderne Verbrennungsmotoren sein können.
Wie viel Optimierungspotential steckt aus Ihrer Sicht noch im Verbrennungsmotor?
Das Thema der Emissionen ist aus meiner Sicht technologisch gelöst. Wenn wir auf die Grenzwerte für Europa schauen, sprechen wir beispielsweise über Emissionswerte, die keinen negativen Einfluss auf die Gesundheit der Menschen mehr haben können. Gerade für städtische Ballungsräume wird damit ein neues Niveau erreicht.
Die Anstrengungen sollten nun der weiteren CO2-Optimierung gelten. In einem Serienprojekt mit Mitsubishi haben wir etwa einen dezidierten Hybrid-Verbrennungsmotor entwickelt, der neue Spitzenwerte beim Wirkungsgrad erzielt. Damit liegen wir aktuell bei einem Wirkungsgrad von über 40 Prozent, aber auch der 50-Prozent-Wert ist generell nicht mehr weit entfernt, sondern mit bezahlbaren Maßnahmen realisierbar. Hybridmodelle in unterschiedlicher Ausprägung, vom Mild-Hybrid mit Bremsrekuperation bis zum Plug-in-Hybrid, werden hier in den kommenden Jahren sicherlich weitere Synergieeffekte schaffen.
Synthetische Kraftstoffe sind zu markt- und konkurrenzfähigen Preisen möglich
Welche Rolle können synthetische Kraftstoffe in Zukunft spielen? Für wie realistisch schätzen Sie die Chancen einer PTX-Industrialisierung ein?
Hier sehe ich sehr große Chancen. Schließlich ist die Speicherung von Energie unerlässlich, wenn wir zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft kommen wollen. Als Speichermedium für eine zeitweise Überproduktion von regenerativer Energie werden Batterien aus zahlreichen Gründen nicht taugen. Deshalb müssen wir neue Speicherwege schaffen, etwa in Form synthetischer Kraftstoffe. Wasserstoff ist ein Teil dieser Kette. Auch die synthetische Methanerzeugung mit Kohlenstoff aus der Umgebungsluft birgt vielfältige Chancen, ebenso wie die Erzeugung langkettiger Kohlenwasserstoffe, die wiederum als Kraftstoff dienen können.
Kann das denn wirtschaftlich sein?
Natürlich sind Verluste mit diesen Prozessen verbunden. Aber dies ist angesichts des enormen Überangebots an erneuerbarer Energie nicht von Relevanz. Und was oft verschwiegen wird: Wirkungsgrad verliere ich naturgemäß mit jeder Form der Zwischenspeicherung. Nur wenn ein batterieelektrisches Fahrzeug direkt aus einem Solarpanel oder ein einer Windkraftanlage geladen würde, gilt der volle Wirkungsgradvorteil. Mit jeder Speicherung in Pumpstationen oder Batterien geht Wirkungsgrad verloren.
Welche Rahmenbedingungen braucht es dafür?
Wichtig ist es dabei, das Energiethema nicht nur politisch auf Länderebene zu diskutieren. Schließlich gehört es zu einer ehrlichen Diskussion, nicht nur die lokalen Emissionen zu sehen – sondern die Klimaherausforderungen global zu begreifen. In Wüstenregionen etwa bestehen keine Probleme mit Solar-Anlagengrößen und hier könnten wir die Ressourcen der Sonne nochmals viel effizienter nutzen. Daher sollten Investitionen länderübergreifend gefördert werden. Auf diese Weise könnten synthetisch erzeugte Energieträger ein wichtiger Bestandteil des zukünftigen Energiemixes werden.
Die Politik könnte hier viel stärker neue Technologien fördern, statt das Thema bis ins Jahr 2021 zu vertagen. Mit Anreizsystemen könnten synthetische Kraftstoff schnell auch für den Endverbraucher attraktiv werden. Ich bin überzeugt, dass man synthetische Kraftstoffe zu markt- und konkurrenzfähigen Preisen anbieten kann – gerade, wenn wir zu einer ehrlichen und transparenten CO2-Bepreisung gelangen.