Synthetische Kraftstoffe Auf den richtigen Technologie-Mix kommt es an
Die Herausforderung unserer Zeit lautet, eine CO2-neutrale Mobilität zu erreichen. Welche Rolle wird dabei in den nächsten Jahren noch der Verbrennungsmotor spielen? „Darauf kann man zwei Antworten geben – dazu, welches Potenzial die Politik dem Verbrenner noch zugesteht und dazu, was aus ökonomischer Sicht sinnvoll wäre“, kommentiert Dr. David Bothe, Associate Director bei Frontier Economics Limited. Am 18.-19.02.2020 ist er Referent auf dem Internationalen Motorenkongress des VDI-Wissensforums in Baden-Baden. Seine Meinung: „Eine systemische Betrachtung zeigt, dass wir an Verbrennungsmotoren als Technologie in Teilen noch lange nicht vorbeikommen werden – alleine schon, wenn wir an große Nutzfahrzeuge oder noch mehr an die Luft- und Schifffahrt denken, aber auch an den vorhandenen Pkw-Bestand“.
Um sowohl eine bezahlbare Mobilität von Gütern und Personen zu erhalten als auch Klimaschutzziele zu erreichen, stehen verschiedene technologische Wege offen – Elektrifizierung, Wasserstoff und Brennstoffzelle, CO2-neutrale Kraftstoffe. „Sich hier zu früh allein auf einen einzigen Weg wie eine Elektrifizierung zu beschränken, wäre fatal“, unterstreicht Bothe. Viel zu unterschiedlich seien die Anforderungen der verschiedenen Verkehre und Verkehrsträger, als dass eine einzelne Technologie die Lösung für alle Applikationen bieten könnte. „Gerade im Bereich der direkten Stromversorgung aus erneuerbaren Energien werden wir aufgrund mangelnder Speicher, Kapazitätsgrenzen der Infrastruktur und einem national generell begrenzten Erzeugungspotential früh an Grenzen stoßen. An Importen von – zukünftig dann klimaneutralen – Energieträgern in großem Umfang wird daher auch langfristig kein Weg vorbeiführen. Hier werden chemische Energieträger wie Gase und Kraftstoffe auf absehbare Zeit unschlagbar sein, und damit auch entsprechenden Endanwendungen wie dem Verbrennungsmotor noch lange eine Perspektive bieten“, so der Experte weiter.
Dr. David Bothe:
Power to X und E-Fuels bieten viel Potential
Für einen effektiven Klimaschutz sei es zudem nötig, in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion über Antriebstechnologien viel stärker die Lebenszyklusanalyse zu betrachten. „Dann sähe man: Der Verbrenner, der in der Produktion CO2-seitig deutlich besser dasteht als ein Batteriefahrzeug, ist in vielen Fällen die emissionsärmere Technologie, insbesondere wenn er mit grünem Kraftstoff betrieben wird.“
David Bothe jedenfalls ist überzeugt, dass gerade auch die Power to X-Technologie viel Zukunft hat. „Die Wasserstoff-Elektrolyse wird in jedem Fall kommen und fossile Quellen ersetzen. Darauf aufbauend sind die Herstellung synthetischer Kohlenwasserstoffverbindungen wie Methanol nur ein nächster Schritt.“ Da erneuerbare Energie grundsätzlich mehr als ausreichend vorhanden ist, sei nicht primär der Wirkungsgrad entscheidend, sondern, welcher energetische Nutzungspfad die geringsten Systemkosten aufweist – und sich technisch und sozial umsetzen lässt. „In einer systemischen Betrachtung zeigt sich, dass die Umwandlungsverluste von E-Fuels durch die Vorteile, die chemische Energieträger für die Energieversorgung bieten, in vielen Fällen mehr als kompensiert werden“, betont Dr. Bothe weiter. International sind dazu bereits viele Überlegungen und Projekte im Gange.
Klar sei damit aber auch, dass für den Endverbraucher die Welt nicht übersichtlicher wird, räumt Bothe ein. „Die Auswahl an Technologien steigt, dass macht Kaufentscheidungen nicht unbedingt einfacher. Hier ist die Automobilwirtschaft mit ihrer hohen emotionalen Bindung an ihre Kunden in der Pflicht, die Verbraucher noch viel stärker an die Hand zu nehmen und umfassender zu informieren, auch über die Möglichkeiten der E-Fuels. Selbst heute bereits vorhandene Diesel könnten damit in Zukunft klimafreundlich betankt werden.
„Neben den ökonomischen und technischen Aspekten wird oft übersehen, dass das Energiewende-Projekt nur gelingen kann, wenn es eine breite gesellschaftliche Unterstützung für dieses Vorhaben gibt“, so Dr. Bothe weiter: „Und gerade in diesem Bereich bieten E-Fuels aufgrund ihrer Kompatibilität zu vorhandener Infrastruktur und Endanwendungen Vorteile. Auch bei einer langfristigen Umstellung des Verkehrssektors auf annähernd 100 % erneuerbare Energien ist daher ein Energieträgermix aus Strom und E-Fuels die wirtschaftlichste Lösung.“ Dies biete neben der Elektrifizierung gute Perspektiven für den Verbrennungsmotor sowie für alternative Anwendungen auf Basis von Brennstoffen wie Hybridsysteme oder Brennstoffzellen.