Projektmanagement: Referent Sebastian Galán y Martins im Interview über mögliche Stolpersteine und Zukunftstrends

Nach wie vor gilt die alte Projektweisheit mehr denn je: „Sag mir, wie ein Projekt beginnt, und ich sage dir, wie es endet.“ Denn die Stolpersteine in Projekten bleiben stets die gleichen. Dies ist anstrengend, zeitintensiv und kräfteraubend. Was sind also die größten Stolpersteine, vor allem in technischen Projekten, und wie kann man diese vermeiden? Darüber sprechen wir mit Seminarleiter Sebastian Galán y Martins im Interview.

Herr Galán y Martins, wie sind Sie zum Thema Projektmanagement gekommen?

Bereits im Studium habe ich mich mit dem Thema Projektmanagement und den damit verbundenen Herausforderungen und Möglichkeiten befasst.  Ich hatte dann die Möglichkeit im internationalen Anlagenbau bei der Westinghouse Electric Germany im Rahmen von EPC Projekten mit chinesischen, amerikanischen, englischen, schweizerischen sowie deutschen und weiteren Kunden das Projektgeschäft kennenzulernen.  Dabei war ich in allen Projektlebensphasen sowie in verschiedenen Projektführungspositionen tätig – angefangen von der Angebotserstellung über den Projektaufsatz, die Planung und Abwicklung bis hin zum Projektabschluss und anschließender Betreuung in der Gewährleistungsphase. 

Nach mehrjähriger Tätigkeit im Anlagenbau bei Westinghouse wollte ich etwas Neues kennenlernen und bin zu ALSTOM als Projektmanager gewechselt. Auch dort bin ich für internationale Kunden tätig, wirke im PMO und bei der Weiterentwicklung des Projektmanagements mit und setze meine Fähigkeiten und Kenntnisse für komplexe Investitionsprojekte ein. Meine praktischen Erfahrungen habe im Laufe meines Berufslebens durch die internationalen PMI und IPMA-Zertifizierung weiter untermauert und auf dem aktuellen Wissenstand gehalten.

Seit 2016 teile ich mein Wissen und Erfahrungen als Seminarleiter beim VDI Wissensforum mit interessierten, neuen und aufstrebenden Projektmanager*innen. Projektmanagement ist für mich eine Leidenschaft, es ist aber kein Selbstzweck, sondern schafft einen Mehrwert – genau das ist mir besonders wichtig. Es macht mir einfach Spaß und Freude mein Wissen zu teilen und mich auszutauschen. 

Beim VDI Wissensforum bieten Sie ein neues Seminar an: „Stolpersteine im Projektmanagement“. Welche Inhalte bietet diese Weiterbildung und an welche Zielgruppe richtet sie sich?

Es geht darum, das Projektmanagement als Value Delivery System zu betrachten und zu verstehen, welche Hindernisse einem bei der Umsetzung begegnen und welche Mechanismen zusammenwirken sollten, um den gewünschten Mehrwert zu erzeugen. Der richtige Umgang mit Unsicherheit, Stakeholdern und Risiken soll dabei bedacht und diskutiert sowie Denkmodelle und Werkzeuge an die Hand gegeben werden. Das Bewusstsein soll dabei geschaffen werden und die Befähigung, dass Veränderungen durch eigenes, aktives Handeln positiv gestaltet werden können. 

Ich richte mich dabei an Projektmanager*innen, die bereits über Erfahrungen verfügen, Abteilungsleitende, die ihre Projektprozesse und Methoden für ihr Team erweitern wollen, aber auch an Interessierte, die über grundlegende Kenntnisse des Projekt¬managements verfügen und ihre Sicht erweitern wollen.

 
Projekte scheitern immer wieder. Das ist allgemein bekannt, doch woran liegt es?

Es gibt normalerweise nicht „den einen Grund“. Es sind eher eine Vielzahl von Faktoren, die zusammenwirken, sich gegenseitig negativ verstärken und damit ein Projekt in Schieflage bringen. Man kann aber sagen, dass das „Fundament zum Scheitern“ schon meistens in einem fehlerhaften Projektmanagement-Ansatz, einem ungenügenden Angebotsprozess, der die Abwicklung nicht ausreichend berücksichtigt und/oder einem unklaren Business Case liegt. Fehlender Management-Support und eine unzureichende Berücksichtigung von Risken tun ihr Übriges. Oft ist ein Halo-Effekt zu beobachten, der wesentliche Teile einer Organisation erfasst hat. Die neuartigen Herausforderungen, die mit einem Projekt verbunden sind, können dann übersehen werden oder werden kleingeredet oder gar negiert.

 
Wie können klare Ergebnisse in einem Projekt erzielt werden?

Ein klarer Projektauftrag mittels Projektcharta und ein Projektmanagement-Ansatz, der an den Projektgegenstand angepasst ist, sind die bewährten Mittel der Wahl. Das Wichtigste ist es, das eigentliche Vorhaben klar zu benennen. Erst wenn ich weiß, was mein Ziel ist, kann ich mein erzieltes Ergebnis mit dem von mir gewünschten vergleichen. Es geht dabei aber nicht darum, alles bis ins letzte Detail zu planen, sondern den Weg zum Ziel zu skizzieren, die wesentlichen Prozesse und Werkzeuge zu definieren und – und das ist das Wichtigste –  die Planung regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf an geänderte Situationen zu adaptieren. Dabei gilt immer: Wenn der Plan nicht funktioniert, verändere deinen Plan, nicht das Ziel!

 
Welche Rolle spielt Kommunikation in einem Projekt?

Die richtige Kommunikation, mit den richtigen Stakeholdern im richtigen Format ist ein zentraler Schlüsselfaktor für den Projekterfolg. Als Projektleiter*in muss ich die Sprache der technischen Fachbereiche sprechen. Aber auch die Sprache der Kaufleute, der Anwält*innen, der Logistik, des Managements, des Betriebs, der Behörden, der Kund*innen und vieler mehr. Jede Partei unterliegt ihren fachlichen Zwängen, will informiert sein und liefert einen Beitrag für das Projektergebnis in der einen oder anderen Form. Kommunikation dient nicht als reiner Austausch von (scheinbar) objektiven Daten und Informationen, sondern ist mein zentrales Werkzeug, meine Aufgabe als Projektmanager*in, um mein Projektziel zu erreichen. 

 
Im Zuge eines Projektes kann es auch mal zu Unsicherheiten kommen, vor allem wenn der Arbeitsflow ins Stocken gerät. Wie sollten Beteiligte damit umgehen?

Gäbe es keine Unsicherheit im Laufe des Projekts, wäre es wohl kein Projekt. Es wird immer wieder Situationen geben, die unklar und risikobehaftet sind.  Damit man proaktiv mit der Unsicherheit umgehen und sein Projekt gestalten kann und nicht zum Getriebenen wird, ist es entscheidend, die möglichen Entwicklungen zu antizipieren. Es ist daher wichtig, ein Risikomanagementsystem in seinem Projekt von Anfang an zu implementieren sowie die Risiken regelmäßig zu bewerten und sogenannte Mitigationsmaßnahmen zu implementieren. Entscheidend ist dabei im Vorfeld, wie man mit der Komplexität umgehen will, der man im Projekt begegnet. Auch dafür gibt es bewährte, erprobte Methoden. Setzt man diese konsequent ein, wird man im Handeln sicherer und mögliche Verunsicherungen werden souverän gemeistert. 

 
In Projekten werden auch gewisse Anforderungen gestellt. Wie können diese am besten erfüllt werden?

Anforderungen haben vielfältige Quellen. Der Vertrag sowie technische Spezifikationen sind die offensichtlichsten. Es gibt aber noch weitere Quellen und Aspekte, die man beachten muss. Ganz banal, aber oft vergessene Aspekte sind die vorhanden logistischen Rahmenbedingungen oder die Wetterbedingungen, unter denen die Installation der Anlage erfolgen muss. Die effizienteste Methode, um die Anforderungen zu erfassen und systematisch nachzuhalten ist die Verwendung einer Compliance Matrix. Mit der Hilfe dieses Tools und der korrekten Implementierung in die Projektabwicklung, ist man gut gewappnet.

 
Welche Stolpersteine gibt es sonst noch in Projekten?

Hier stellen sich zunächst einige Fragen: Ist Kompetenz im Vertragsmanagement vorhanden oder ignoriert man die vertraglichen Pflichten? Wird dem Projektteam ein Rahmen vom Unternehmen gegeben, in dem es sein Potenzial einsetzen und das Projekt voranbringen kann, oder hat das Projektmanagement keinen Stellwert? Ist ein Governance-Prozess zur Kontrolle und Richtungsweisung vorhanden? Wird die Kompetenz der Projektmanager*innen sowie des Teams gezielt gefördert und aufgebaut oder zählt nur der heroische Einsatz bis zum Burnout? Sehe ich mich als Projektmanager*in, der oder die aktiv gestaltet und führt, oder nehme ich die Ereignisse hin und betrachte sie als unveränderbar?
Am Ende kommt es auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren zusammen. Wenn man diese erkennt und Prozesse, Werkzeuge, Denkmodelle anwendet, um diesen zu begegnen, dann schafft man es, den Stolpersteinen im eigenen Kopf und in der eigenen Arbeitsweise auszuweichen und erst gar nicht darüber zu stolpern.

 
Abschließend: Welche Trends ergeben sich daraus?

Das Projektmanagement wird sich immer weiter professionalisieren und auch in Zukunft dazu beitragen, Mehrwert zu schaffen. Dies wird von den Kund*innen, aber auch den Mitarbeitenden gefordert werden. Der Einsatz von kollaborativer Software, künstlicher Intelligenz und Führung im virtuellen immer internationaler werden Umfeld sind langanhaltende Trends, die sich auch im Projektmanagement widerspiegeln werden. Unabhängig von jedem Trend und Tool wird nach wie vor gelten: Kommunikation, Integration, Risikoantizipation und Umgang mit Veränderungen werden Bestandteile des Projektmanagements bleiben. Projektmanagement oder die Rolle der Projektmanager*innen werden dadurch nicht ersetzt, sondern ergänzt und unterstützt – wenn man sie richtig beachtet und anwendet.

Zur Person

Sebastian Galán y Martins, Mannheim

Vielfältige internationale Erfahrungen im Projektgeschäft mit chinesischen, amerikanischen, englischen, schweizerischen sowie deutschen Kunden und eine PMI- und IPMA-Zertifizierung bilden die Grundlage der heutigen Projektmanagementtätigkeit von Sebastian Galán y Martins.

In seiner fast zehnjährigen Tätigkeit bei der Westinghouse Electric Germany war er in allen Projektlebensphasen sowie in verschiedenen Projektführungspositionen tätig – angefangen von der Angebotserstellung über den Projektaufsatz, die Planung und Abwicklung bis hin zum Projektabschluss und anschließender Betreuung in der Gewährleistungsphase.

Seit 2018 ist Herr Galán y Martins bei der ALSTOM als Projektmanager für international Kunden tätig und setzt dort seine Fähigkeiten und Kenntnisse für komplexe Investitionsprojekte weiter ein.