Da ein "Weiter so" für diesen Umgang mit Verträgen nicht zielführend ist, lohnt es sich, die Verträge wieder stärker in den Fokus zu rücken. Dadurch lassen sich zum einen der Aufwand und die Zeit für die Verhandlung von Verträgen erheblich reduzieren, zum anderen können Risiken, die sich aus Verträgen ergeben, minimiert werden. Es wird oftmals vergessen, dass nicht alle Fragen in einem Vertrag geklärt werden müssen. Neben dem Vertrag bleiben immer noch die gesetzlichen Bestimmungen in Kraft, in der Regel das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Handelsgesetzbuch (HGB). Wer die darin enthaltenen Regelungen kennt, kann sich viel Papier in Verträgen sparen. Aber Achtung: Nicht alles im BGB und HGB enthält eine gute Antwort auf die allfälligen Fragen, die sich bei der Durchführung eines Vertrages stellen werden. Doch zum Glück können wir diese selektieren: Die Guten bleiben im Töpfchen (im Gesetz), die Schlechten werden durch einen Vertrag geändert. Und ab dieser Erkenntnis erscheint der Vertrag plötzlich nicht mehr als lästiges Übel, sondern vielmehr als Chance, Risiken zu vermeiden.
Für den Einkauf ist es unerlässlich, Fragen zum Ort der zu erbringenden Leistung, zu Zahlungsbedingungen und möglichen Abschlagszahlungen, zur Wareneingangskontrolle, zum anzuwendenden Recht sowie Einzelfragen zur Gewährleistung klar in Verträgen zu regeln, da die gesetzlichen Regelungen hier oft ungünstig ausfallen. Alles Übrige muss nicht geregelt werden, es sei denn, Ihnen fällt ein besonders relevantes Risiko auf, das nicht im Gesetz behandelt wird.
Auf der Lieferantenseite ist vor allem das Haftungsrisiko für Verzug und Mängel relevant. Hier haben sich aus einer grundlegenden Reform des Mangelbegriffs seit 1.1.2022 erhebliche Haftungsrisiken für die Lieferanten ergeben. Hintergrund ist, dass eine Richtlinie der EU, die ursprünglich nur für Verbraucherverträge galt, durch eine neue Richtlinie ersetzt wurde. Diese neuen Regelungen beziehen sich jedoch nicht nur auf Verbraucherverträge, also B2C-Geschäfte, sondern gelten auch für den B2B-Bereich. Die Anforderungen an Lieferanten von Waren oder Anlagen sind dadurch erheblich gestiegen. Manche behaupten sogar, sie seien unmöglich einzuhalten.
Vor allem die Designverantwortlichkeit (aus Fit-for-use-Anforderungen), die bislang nur zur Geltung kam, soweit eine Lücke in einem Leistungsverzeichnis bestand, trägt nun immer allein der Lieferant. Er muss sicherstellen, dass seine Produkte die Erwartungen des Kunden erfüllen und in jeder Einbaulage, in jeder Umgebung sowie in Kombination mit allen üblichen Komponenten funktionieren. Dazu kommt noch die Sicherheit, die als weiterer Aspekt zu erfüllen ist. Bei gewerblich genutzten Sachen war bislang nur ein kleiner Ausschnitt des potenziell möglichen Schadens zu ersetzen. Dies ist ebenfalls durch die Neufassung des Mangelbegriffs maßgeblich erweitert worden.
Das Schöne ist, dass alle diese neuen Risiken durch die entsprechende Gestaltung von Verträgen reduziert werden können, wobei Sie dabei kaum eine juristische Formalie beachten müssen. Es gilt Vertragsfreiheit – und genau deswegen lohnt es sich, gute Verträge zu schreiben.