Quo vadis „Betriebsingenieur VDI“? Trends und Herausforderungen des Berufs

Der Zertifikatslehrgang „Betriebsingenieur VDI“ mit dem Pflichtmodul „Der Betriebsingenieur“ vermittelt interdisziplinäres Fachwissen in den Kernkompetenzen der Betriebsingenieurin und des Betriebsingenieurs, um ein Verständnis für die Erfordernisse des Betriebes prozesstechnischer Anlagen zu entwickeln. Im Interview sprechen wir mit einem der Referenten Dr. Markus Faltin über die Inhalte dieser Weiterbildung, über den Launch eines neuen Moduls und über die Herausforderungen dieses Berufs in der nahen Zukunft.

Herr Dr. Faltin, bitte stellen Sie sich kurz vor.

Dr. Markus Faltin: Ich bin vor über zehn Jahren als Wirtschaftsingenieur bei BASF SE in Ludwigshafen eingestiegen und habe dort in den letzten Jahren unterschiedliche Technikpositionen begleitet. Seit über drei Jahren leite ich eine Montagegruppe des BASF Anlagenbaus. Hier kümmert sich mein Team um große Investitionsprojekte in Europa.

Beim VDI Wissensforum sind Sie Teil des Lehrgangs „Betriebsingenieur VDI“ und Seminarleiter des ersten Pflichtmoduls. Welche Inhalte vermittelt diese Weiterbildung und an wen richtet sie sich?

Dr. Markus Faltin: Betriebsingenieur*innen sind in vielen Betrieben zentrale Ansprechpartner*innen für nahezu alle Technikthemen, sei es die Instandhaltung und Wartung von Anlagenteilen als auch die Erweiterung und Errichtung von neuen Anlagen. Wir haben vor zehn Jahren den Lehrgang ins Leben gerufen, weil wir sehen, dass die Anforderungen an die Kolleg*innen, die diese Positionen in Unternehmen besetzen, stark gestiegen sind und es an zugeschnittenen Weiterbildungsangeboten fehlt. Wir haben in unseren Seminaren Teilnehmende von mittelständischen und großen Unternehmen aller Industrierichtungen. Die Teilnehmenden sind dabei sowohl Berufseinsteiger*innen als auch erfahrene Mitarbeitende, die sich unternehmensintern weiterentwickeln möchten oder neu in der Position des Betriebsingenieurs sind. Unser Lehrgang teilt sich in unterschiedliche Module auf. Wir vermitteln Basiskenntnisse, z.B. hinsichtlich der Betriebssicherheitsverordnung und zeigen auf, wie moderne, geplante Instandhaltung funktioniert, was Asset Management Pläne sind und welche Randbedingungen im Alltag in der Zusammenarbeit mit Werk- und Dienstvertragsfirmen zu beachten sind. Hierzu bieten wir Schwerpunktseminare, u.a. zu den Themen Instandhaltungsmanagement, Asset Management und Projektmanagement an. Die gute Mischung aus Theorie und Praxiserfahrung ist es, die unsere Teilnehmenden sehr schätzen. 

Viele Betriebsingenieur*innen wünschen sich neben einem theoretischen Know-how auch praktisches Wissen. Welche Werkzeuge geben Sie den Teilnehmenden an die Hand?

Dr. Markus Faltin: Uns ist wichtig, dass die Teilnehmenden unseres Lehrgangs etwas „Handfestes“ für ihren Berufsalltag aus unseren Seminaren mitnehmen. Daher bietet der Lehrgang Fallstudien und Inhalte an, in denen die Teilnehmenden spezielle Situationen durchlaufen, die Betriebsingenieur*innen in ihrem Berufsleben häufig erleben. Ich selbst habe in meinem Pflichtmodul eine Fallstudie eingebaut, in der die Teilnehmenden Reparatur- und Wartungsstrategien für eine Produktionsanlage optimieren und sich Gedanken machen, welche Auswirkungen die Erweiterung einer Produktionsanlage auf die Betriebstechnik hat. Hierzu erhalten die Teilnehmenden einen Überblick, wie sie für ihren Verantwortungsbereich eine Anlagensubstanzbewertung durchführen können, um neben dem Alltagsgeschäft bei der strategischen Entwicklung ihrer Anlagen mitwirken zu können. Darüber hinaus zeigen wir auf, wie im modernen Instandhaltungsmanagement mittels konsequenter Auftragsplanung Kosten gespart werden und wie Investitionsprojekte hinsichtlich Kosten- und Terminplan gut geführt werden können. Im Ergebnis ist es wichtig, dass die Teilnehmenden am Ende des Lehrgangs für ihr Tätigkeitsfeld die Dinge mitnehmen, die sie brauchen, um professionell ihren Alltag zu bewältigen.

Betriebsingenieur*innen sind häufig nicht nur als fachliche Ansprechpartner*innen in ihrem Unternehmen gefragt, sondern auch als Führungskraft. Welche Skills müssen sie, aus Ihrer Erfahrung heraus, für diese Position mitbringen?

Dr. Markus Faltin: Führungskraft zu sein heißt nicht unbedingt, dass man eigenes Personal führt. In vielen Situationen im Alltag sind Betriebsingenieur*innen mit Führungskompetenzen gefragt, weil sie Kolleg*innen aus unterschiedlichen Bereichen ihres Unternehmens zusammenbringen müssen, um Entscheidungen voranzutreiben, Probleme zu analysieren und Verbesserungen anzustoßen. Darüber hinaus arbeiten viele Betriebsingenieur*innen mit Fremdfirmen zusammen, die sie entweder direkt oder indirekt steuern. In all den Situationen ist es wichtig zu wissen: Wie führe ich Teams, was ist meine Aufgabe als „Coach“, „Trainer*in“, „Expert*in“ oder „Leader“. Ich muss schnell erkennen können, wie tickt mein gegenüber und wie bilde ich erfolgreiche Teams, um die Herausforderungen in meinem Berufsumfeld zu bewältigen. Dazu muss ich erkannte Probleme schnell strukturieren können und mir die notwendige Zeit schaffen, um neben dem Alltag Verbesserungen voranzutreiben.

Sie planen für den VDI-Lehrgang ein weiteres Modul, das sich genau diesen Soft Skills widmet. Welche Kompetenzen werden hier vermittelt?

Dr. Markus Faltin: Es gibt viele Seminare, die sich mit dem Thema Führung und Führungskompetenzen beschäftigen. Wir fokussieren uns speziell auf die Soft Skills, die unsere Betriebsingenieur*innen in ihrem Arbeitsumfeld brauchen. Dabei geht dieses Seminar darauf ein, was gute Führung im Technikumfeld bedeutet und wie unterschiedliche Zielgruppen zielgerichtet geführt werden: Ingenieur*innen, Meister*innen, Handwerker*innen oder eben auch Fremdfirmen. Daher behandeln wir nicht wie andere Seminare ein breites Feld an Theorie, sondern beantworten anhand spezieller Situationen im Alltag Fragen wie: Wie führe ich Mitarbeitende und Projektteams erfolgreich? Wie führe ich Technikrunden zielorientiert? Wie führe ich Partnerfirmen konsequent? Hierbei analysieren die Teilnehmenden Situationen aus ihrem Alltag, sie lernen diese Situationen einzuschätzen und aktiv zu führen. Die Basis guter Führung ist in vielen Fällen des Alltags ein strukturiertes Vorgehen zur Problemlösung. Daher geht das Seminar im zweiten Teil auf Werkzeuge ein, die Betriebsingenieur*innen brauchen, um Probleme systematisch zu analysieren, Ursachen zu identifizieren und Verbesserungen anzustoßen. Die PULS Methodik ist ein Ansatz, den wir anhand eines Fallbeispiels bearbeiten. Ziel ist es, dass die Teilnehmenden lernen, die Herausforderungen des Alltags systematisch zu priorisieren und an die Probleme, die eine hohe Priorität haben, effizient heranzugehen. Im letzten Teil des Seminars geht es um Soft Skills im Zeitmanagement. Wir alle kennen es: Der Arbeitsalltag hat immer mehr Herausforderungen, als wir in der Arbeitszeit bewältigen können. Da bleibt neben den „Feuerwehr“-Aktionen zur Aufrechterhaltung der Produktion nur wenig Zeit für strategische Themen, wie z.B. Instandhaltungsstrategie oder Verbesserungsprojekte, etc. Aus diesem Grund vermittelt das Seminar den Teilnehmern auch Werkzeuge, die den Betriebsingenieur*innen helfen, diesen Spagat besser zu managen.

Welche Veränderungen erwarten Sie in den nächsten fünf Jahren für Betriebsingenieur*innen, insbesondere in der Prozessindustrie?

Dr. Markus Faltin: Wir sehen bereits seit Jahren eine immer höhere Verdichtung von Arbeitsinhalten im Berufsfeld der Betriebsingenieur*innen. Der Verantwortungsbereich wächst genauso wie der Aufgabenumfang und das erforderliche Know-how zur Bewältigung des Alltags. Der technologische Fortschritt geht mit einem zunehmenden Fachkräftemangel einher, so dass es immer wichtiger für Unternehmen wird, leistungsstarke Betriebsingenieur*innen zu beschäftigen, die nicht nur fachlich gut ausgebildet sind, sondern auch den „Kopf oben halten“, wenn es im Alltag darauf ankommt. Daher ist es konsequent vom VDI, den Lehrgang „Betriebsingenieur VDI“ immer wieder an die Bedürfnisse der Teilnehmenden anzupassen und auch einen Fokus auf Soft Skills und die „Bewältigung des Alltags“ zu legen. Künstliche Intelligenz wird unsere Arbeitsweise mit Sicherheit revolutionieren, aber gute Ingenieur*innen werden wir weiterhin brauchen.

Über den Interviewpartner:

Dr.-Ing. Markus Faltin studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Kaiserslautern und an der Seoul National University in Südkorea. Nach seinem Studium promovierte er im Themengebiet Produktionstechnik und beschäftigte sich mit der Anwendung der RFID Technologie in fertigungstechnischen Prozessketten. Begleitend zur Promotion arbeitete Dr. Faltin mit diversen mittelständischen Unternehmen zusammen und beriet sie bei der Einführung von Produktionssystemen sowie bei der Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen zur Steigerung der Effizienz in Produktionsprozessen. Seit 2012 ist Dr. Faltin bei BASF SE in Ludwigshafen in der Technik beschäftigt. Er hat hier diverse Positionen im Bereich Maintenance und Construction Management durchlaufen und ist heute verantwortlich für die Montage von Anlagenbauprojekten der BASF SE in Europa.

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