Projektcontrolling: Erfolgsfaktoren im Blickpunkt

Wie geht es Ihnen?

Diese Frage ist wahrscheinlich eine der am häufigsten gestellten Fragen überhaupt, auch deshalb, weil sie völlig harmlos und unverbindlich scheint. Antworten fallen meist oberflächlich aus: „Geht so, danke“, „ausgezeichnet, könnte nicht besser laufen“, „nun, Sie wissen ja, in Zeiten wie diesen…“.

Wir fragen meist nicht nochmal nach: „Wie geht es Ihnen wirklich?“ Denn diese Frage wirkt sehr direkt und das Gegenüber könnte sich denken: „Das geht dich doch nichts an“, „Was meint der/die jetzt genau? Meine Gesundheit? Mein Einkommen? Mein Liebesglück?“

Dieselbe Frage eines behandelnden Arztes an seine Patienten, den Laborbericht in den Händen haltend, hat da schon eine ganz andere Intention und auch eine andere Form der Antwort.
 

Was hat die Frage „Wie geht es Ihnen“ mit Projektcontrolling zu tun?

Im Projektgeschäft ist es ähnlich „menschlich“– denn Projektleiter*innen stehen mit dieser Frage oft vor einer Herausforderung. Sie können sie schlicht nicht immer eindeutig beantworten. Projekte sind komplex, laufend neuen Anforderungen/Änderungen ausgesetzt, es gibt Unternehmenskulturen, in denen „Vorsicht“ angesagt ist, man nicht offen kommuniziert, die Zusammenarbeit aufgrund hoher operativer Arbeitslast nicht so richtig funktioniert. In solchen Situationen fühlen sich Projektleiter*innen mit dieser Frage leicht in die Defensive gedrängt oder sogar völlig genervt, weil sie ohnehin immer der Zeit nachlaufen.

Genau das wollen wir mit einem funktionierenden Projektcontrolling verbessern.

Die Hauptaufgabe eines Projektcontrollings besteht darin, für ein Unternehmen einheitliche, standardisierte Routinen für alle Projekte zu entwickeln, um diese Frage mit Hilfe verständlicher Tools konkret beantworten zu können. Monster Exceltabellen, Gant-Chart Orgien, tausende PSP-Elemente können Hilfsmittel sein, aber geben sie auch die gewünschten Antworten?

Wie können wir nun ein bereits bestehendes Projektcontrolling auf seine Güte und Aussagekraft überprüfen bzw. wie würden wir bei einer Neueinführung, einem Aufbau anfangen? Es sollte systematisch und logisch vorgegangen werden, ähnlich wie beim Bau eines Hauses, beginnend vom Keller bis zum Dach. Und mit dieser Basis wollen wir beginnen.

Die Basis ist die Kultur. Vor Strategie und vor operativer Steuerung

Ich sehe in den Unternehmen häufig Unternehmenskulturen wie eine „Belohnungskultur“, eine „Bestrafungskultur“, eine „Wurstkultur“ oder eine „Bürokratiekultur“. Die Art des Miteinanders hat einen gravierenden Einfluss auf ein erfolgreiches Projektcontrolling. Ich lade Sie zu einem gedanklichen Kulturcheck ein – das kann hilfreich sein, um herauszufinden, welche Themen ein erfolgreiches Projektcontrolling eventuell erschweren könnten:

  • Wie ist der Kommunikationsstil im Unternehmen? Werden auch schwierige Themen offen und wertschätzend angesprochen?
  • Wie steht es um die interdisziplinäre Kommunikation?
  • Wie ist der Informationsfluss im Unternehmen, nur digital oder face to face?
  • Gibt es einen Strategie- und Zielfindungsprozess nach modernen Standards?
  • Wie wird mit negativen Ergebnissen, Rückschlägen, Fehlern umgegangen?
  • Welche Entscheidungsspielräume haben Projektleiter*innen und sind diese klar definiert?
  • Gibt es klar definierte Projektstarts, in denen das Commitment des Projektteams abgeholt wird und ein klares Projektende?

Es geht darum, ein Verständnis für Zahlen aufzubauen und Vertrauen in die Systeme und die Menschen zu entwickeln. Die Systeme sollten die Menschen in den Projekten unterstützen.

Wer „macht“ nun das Projektcontrolling? Im Idealfall die Projektleiterin, der Projektleiter, mit der Gesamtverantwortung für das Projekt, unterstützt von Kolleg*innen der Finanzabteilung. Der Regelkreis der Projektsteuerung umfasst das sogenannte „Magische Dreieck“, das sind die Eckpunkte, mit denen man erkennt, ob ein Projekt „in Time“, „in Budget“, und „in Scope“ ist.

Für die Darstellung, ob ein Projekt „in Time“ ist, empfiehlt sich die Meilenstein-Trendanalyse, mit der regelmäßig einmal pro Monat dokumentiert wird, ob der Fertigstellungstermin haltbar ist. Die Kapazitätsplanung ist Dreh- und Angelpunkt der technischen Projektsteuerung und liefert auch die Informationen für die nächsten Schritte.

Für die Dokumentation, ob ein Projekt „in Budget“ ist, sind umfangreiche Vorarbeiten notwendig, und da kommt das Rechnungswesen mit ins Spiel. Das Rechnungswesen bzw. das Finanzcontrolling eines Unternehmens sollte ungeachtet einer bereits bestehenden Kostenstellenstruktur zusätzlich eine Kostenträgerachse implementieren, auf der Kosten und auch Stunden direkt einem Projekt zugebucht werden können. Projekte bekommen demnach eine dritte Dimension in der Datenbank, die zeitlich völlig unabhängig vom Wirtschaftsjahr ist.

So können Projekte beispielsweise eine Stunde dauern (in einer KFZ-Werkstatt) oder fünf Jahre (im Kraftwerksbau). Spätestens zehn Tage nach Monatsende, in vielen Unternehmen schon früher, benötigt die/der Projektleiter*in die Auswertung mit den Ist-Kosten aus der Finanzabteilung. Nun ist es daran, die Verbuchungen zu überprüfen, Fehlbuchungen zu korrigieren und eventuelle Rückstellungen einzupflegen. Und nun kommt die eigentliche Aufgabe des Projektcontrollings: die Abschätzung des noch anfallenden Aufwandes bis Projektende (Cost to Complete). Die ursprünglichen Planwerte werden nach neuesten Erkenntnissen adaptiert und so eine Erwartungsrechnung generiert.

Und plötzlich befinden sich die Projektleiter*innen in der Königsdisziplin: im sogenannten Forecasting

Ohne die zuvor genannten wichtigen Vorarbeiten kann es in der Königsdisziplin schnell mal holprig werden, der Grat zwischen vertrauenswürdigen zukünftigen Einschätzungen und blankem Chaos ist ein sehr schmaler. Die konsequente Anwendung der zuvor aufbereiteten Daten kann Chaos und Unsicherheit stark reduzieren, vom Plan bis hin zum erfolgreichen Projektende. Durch eine korrekte Ist-Datenerfassung und eine „ehrliche“ Abschätzung der „Cost to Complete“ lässt sich ein Fertigstellungsgrad ermitteln, der vor allem bei Unternehmen, die nach der POC-Methode (Percentage of Complition) bilanzieren, von sehr hoher Bedeutung für das ausgewiesene Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung ist.

Projektleiter*innen agieren wie Kapitäne. Mit wenigen, verlässlichen Informationen, die alle Stakeholder verstehen und in die alle Beteiligten Vertrauen haben, führen sie durch das Projekt. Sie bauen in ruhigen Zeiten Routinen auf, um in stürmischen Zeiten sichere und verlässliche Navigationsdaten zu haben.

Auf einen Blick die Eckpunkte für gelingendes Projektcontrolling

  • Erfolgreiches Projektcontrolling erfordert die volle Unterstützung der Geschäftsführung und eine Kultur des Vertrauens, in der auch schlechte Nachrichten akzeptiert werden.
  • Projektleiter*innen sehen sich als Gesamtverantwortliche für ihre Projekte und werden auf ihre Rolle vorbereitet.
  • Inspirierende Projektziele, transparente Projektstarts und Meilensteine werden definiert – nur so kann auch Projektcontrolling klare Aussagen treffen.
  • Projektcontrolling liefert klare, verständliche KPIs, denen man vertraut und auf deren Basis erkannt werden kann, wie es um ein Projekt wirklich steht.
  • Die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen, insbesondere zwischen Finanzen und den Fachabteilungen ist entscheidend.
  • Das Rechnungswesen ist projektorientiert aufgebaut – es liefert Daten.
  • Projektcontrolling liefert die notwendigen Informationen.
  • Projektkultur heißt letztlich, Projekte transparent und klar definiert zu starten und nach gelungenem Abschluss ordentlich zu feiern. Projektcontrolling liefert die Unterstützung dazu – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Über den Autor

Thomas Korcak, Seminarleiter Projekt-Controlling beim VDI Wissensforum

www.korcak.at

Thomas Korcak ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur im Bereich Maschinenbau und Betriebswirt mit Studium an der Karl-Franzens-Universität Graz (Schwerpunkt Industriebetriebslehre und Produktionsplanung) und an der Harvard Universität in Boston (Financial Management & Managerial Accounting). Leitende kaufmännische Positionen in Großhandels- und Industriebetrieben sowie in Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen sind der Erfahrungshintergrund für mehr als 20 Jahre Tätigkeit als Managementtrainer in allen betriebswirtschaftlichen Themen des Controllings. Der Bereich Finanzwirtschaft und Rechnungswesen zieht sich dabei als roter Faden durch alle seine beruflichen Aufgaben und hat zu dem Erfahrungsschatz geführt, der notwendig ist, um unternehmerisch tätig zu werden.