In der Praxis trifft man oft die Argumentation der Betreiber dahingehend an, dass sie ihre Verpflichtungen vollumfänglich erfüllt haben, wenn sie die Vorschriften der Trinkwasserverordnung beachtet haben. Das ist allerdings zu kurz gedacht.
Mit einer Entscheidung vom 06.05.2015, Az.: VIII ZR 161/14, hat der Bundesgerichtshof die Pflichten des Betreibers einer gebäudeinternen Trinkwasser-Installation ganz entscheidend konkretisiert. Der BGH stellt hier fest, dass den Betreiber, neben den sich aus der Trinkwasserverordnung ergebenden Pflichten, auch eine Verkehrssicherungspflicht trifft. Es müssen also die Verpflichtungen aus der Trinkwasserverordnung neben den Pflichten aus der Verkehrssicherung erfüllt werden. Das ist jedoch vielen Betreibern nicht klar.
Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen hat, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH, Urteil 24.08.2017, Az. III ZR 574/16). Es sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (BGH, a.a.O.). Mittelbar hat der Betreiber der Trinkwasser-Installation neben den Grundsätzen der Verkehrssicherungspflicht auch das in der Trinkwasserverordnung statuierte Besorgnisprinzip zu beachten. Nach diesem Prinzip muss das Risiko der Verletzung eines hohen Rechtsgutes (Leben, Körper, Gesundheit) durch Vorsorgemaßnahmen des Betreibers praktisch ausgeschlossen sein. Das ist ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
In einer Entscheidung vom 22.08.2019 hat der Bundesgerichtshof dann noch einmal zur Betreiberverantwortung und dem Inhalt von Verkehrssicherungspflichten Stellung genommen. Er stellt dabei fest:
1. Zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht sind entweder die in einer DIN-Norm enthaltenen Empfehlungen zur Vermeidung einer Gefahrenlage heranzuziehen und umzusetzen oder andere geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen, um Schäden zu vermeiden.
2. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen ist unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtung möglicher Schadenfolgen und des mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen verbundenen Aufwands zu bestimmen.
3. Je schwerwiegender die drohenden Folgen einer technischen Anlage ohne Nachrüstung sind, umso eher kann eine Nachrüstung neuer Sicherheitsstandards geboten sein.
(BGH, Urteil 22.08.2019, III ZR 113/18)
Damit wird deutlich, dass der Betreiber im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht die technischen Normen umzusetzen hat, die hohe Rechtsgüter schützen sollen. Er darf aber auch auf anderem Wege die Schutzziele der technischen Normen sicherstellen. Bei Gefahr für hohe Rechtsgüter kann eine Nachrüstpflicht geboten sein. Insoweit ist der Bestandsschutz eingeschränkt.
In einer schon älteren Entscheidung aus dem Jahre 2010 hat das Kammergericht die Pflicht des Betreibers einer Trinkwasser-Installation auf recht drastische Weise formuliert:
"Aus der Sicht des Verstorbenen formuliert: Wer sich als älterer Mensch in ein Pflegeheim begibt, darf erwarten und sich darauf verlassen, dass der Betreiber des Pflegeheims alle erforderlichen Kontrollen anstellt und Maßnahmen ergreift, um wenigstens die Wahrscheinlichkeit einer drohenden Legionellen-Infektion so weit wie möglich zu reduzieren“ (Kammergericht (Berlin), Urteil 08.12.2010, Az. 11 U 44/09).
Diese Entscheidung macht auch deutlich, dass der Betreiber keinesfalls aus der zivilrechtlichen Haftung befreit ist, wenn ein Beprobungsergebnis unterhalb von 100 KBE pro 100 ml liegt.
Diese einschlägige Rechtsprechung muss auch dem mit der Planung von Trinkwasser-Installationen befassten Planer bekannt sein, um, gerade in Modernisierungs- oder Umbaufällen, eine sachgerechte Beratung seines Auftraggebers (des späteren Betreibers der Trinkwasser-Installation) zu gewährleisten. Daneben statuiert auch die neue Trinkwasserverordnung zwei ganz wesentliche Pflichten für Planer und Betreiber einer Trinkwasser-Installation. An erster Stelle sei hier die Regelung in § 13 TrinkwV genannt, die im Wesentlichen der Vorschrift des § 17 Abs. 1 TrinkwV a.F. (alte Fassung) entspricht. § 13 Abs. 1 TrinkwV regelt, dass Planung und Errichtung von Wasserversorgungsanlagen mindestens auf der Basis allgemein anerkannter Regeln der Technik zu erfolgen hat. Satz 2 sieht dann vor, dass auch der Betrieb mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen hat. Diese Vorschrift wurde in der Praxis leider häufig unbeachtet gelassen. Vielen Planern und Betreibern ist die Bedeutung gar nicht klar. Hier wird nämlich schon auf gesetzlicher Grundlage ein Mindeststandard für Planung und Betrieb von Trinkwasserversorgungen statuiert. Zu beachten haben also Planer alle technischen Regelwerke, die den Standard anerkannte Regel der Technik erfüllen und sich mit Planung und Betrieb von Trinkwasser-Installationen befassen. Für Planer gilt dabei immer der Maßstab, dass er die neuesten anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme seiner Planungsleistungen einzuhalten hat. Stehen während der Planungs- bzw. Bauüberwachungstätigkeit des Planers Regeländerungen an, hat er umgehend den Auftraggeber darüber zu unterrichten und mit diesem zu klären, wie darauf reagiert werden soll. Es empfiehlt sich für den Planer, derartige Gespräche bzw. Festlegungen auch zu dokumentieren.
Damit haben Planer und Betreiber einer Trinkwasser-Installation sowohl im Rahmen der Trinkwasserverordnung als auch im Rahmen der zivilrechtlich gebotenen Verkehrssicherungspflicht die Aufgabe, bei ihrer Tätigkeit immer die neuesten anerkannten Regeln der Technik zu beachten. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik, insbesondere dem umfassenden technischen Regelwerk zum Wasserfach zu entnehmen sein sollen, dass vom Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) oder anderen Normgebern herausgegeben wird.
Der Betreiber einer Trinkwasser-Installation hat sich besonders mit den aus technischen Regelwerken ergebenden Pflichten im Hinblick auf Betrieb, Wartung und Instandsetzung von Trinkwasser-Installationen zu befassen und diese praktisch umzusetzen. Damit erfüllt er auch gleichzeitig einen Großteil der ihm obliegenden zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht. Dabei muss dem Betreiber klar sein, dass es in Haftungsfällen außerordentlich wichtig ist, den Nachweis zu erbringen, den Betrieb, die Wartung und die Instandhaltung normgerecht umgesetzt zu haben.
Der Planer, der ja – wie schon gesagt – bei der Planung die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten hat, muss sich mit den sich aus technischen Regelwerken ergebenden Planungsvorgaben befassen und gegebenenfalls mit dem Auftraggeber und späteren Betreiber klären, wie diese umzusetzen sind. Dabei hat er auch zu berücksichtigen, dass es bei dem Betrieb von Trinkwasser-Installationen zu Störeinflüssen kommen kann. Diese sind planerisch zu berücksichtigen und mittels betriebstechnischer Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Dazu gibt es eine instruktive Entscheidung des OLG München vom 12.10.2010 zum Az. 9 U 2368/07, deren Darstellung an dieser Stelle den Umfang des Artikels sprengen würde.