Fabian Ruhl ist promovierter Diplom-Bauingenieur und als Geschäftsführer bei Krebs+Kiefer Ingenieure tätig. In der Region Mitte verantwortet er den Geschäftsbereich Baumanagement mit den Abteilungen Baulogistik, Bauoberleitung/Bauüberwachung, Projektmanagement und Sicherheits- und Gesundheitsschutz. In der Dorsch-Gruppe ist er Geschäftsbereichskoordinator des Baumanagements über alle verbundenen Gesellschaften. Nach dem Studienabschluss 2007 an der Technischen Universität Darmstadt hat er in verschiedenen Großprojekten bei der Bauüberwachung, dem Nachtragsmanagement, der Ausschreibung/Vergabe und als Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator mitgewirkt. Berufsbegleitend hat er 2016 seine Promotion an der Technischen Universität Darmstadt mit dem Titel „Entwicklung eines Baulogistikprozessmodells“ abgeschlossen und Baulogistikprojekte in verschiedenen Größenordnungen wie z. B. das DomRömer Projekt (Frankfurt), Franklin (Mannheim) oder Fair (Darmstadt) projektleitend verantwortet. Seit 2015 unterstützt Fabian Ruhl die Ausbildung und Weiterentwicklung des Ingenieurnachwuchses an verschiedenen Hochschulen und Universitäten als Lehrbeauftragter und Dozent. Den Vorsitz im Richtlinienausschutz der RL-2555 „Baulogistik“ hat er 2022 übernommen.
Neue VDI-Richtlinie (2555) definiert Anforderungen an die Baulogistik
Um den stetig steigenden Ansprüchen an baulogistische Leistungen gerecht zu werden, ist eine strukturierte Planung mit klar geregelten Prozessen ebenso notwendig wie einheitliche Begrifflichkeiten und die korrekte Zuordnung von Verantwortlichkeiten. Wie all das mithilfe der neuen VDI-Richtlinie Baulogistik (2555) erreicht wird und dadurch Kosten, Termine und Qualität optimiert werden können, erklärt der Vorsitzende des Richtlinienausschusses, Dr.-Ing, Fabian Ruhl, im Interview.
1. Herr Ruhl, worum geht es bei der Richtlinie?
Fabian Ruhl: Ein Bauen ohne Logistik hat es bisher nicht gegeben und wird es auch in Zukunft nicht geben können. Verändert hat sich indes der Blick auf die erforderlichen baulogistischen Leistungen, deren Zuordnung im Projektteam, die angemessene Vergütung und die Betrachtung des Ressourcenverbrauchs einer Gesamtbaumaßnahme.
In der Vergangenheit war es insbesondere den Baufirmen vorbehalten, sich über die logistischen Prozesse einer Baustelle Gedanken zu machen. Dabei spielte die Betrachtung der eigenen „Baulogistik“ eine entscheidende Rolle und hat mit zunehmender Bedeutung den wirtschaftlichen Erfolg einer Maßnahme für die Protagonist*innen beeinflusst. Durch immer größer werdende Projekteinheiten, eine erhöhte Komplexität in Bezug auf Projektzusammensetzung und technische Schnittstellen sowie gesellschaftliche Anforderungen an Ressourcenbedarf, Emissionen und Immissionen wird der Stellenwert der baulogistischen Gesamtbetrachtung eines Projekts weiter steigen. In der Praxis mehren sich die Ansprüche an eine Baulogistikplanung und der Bedarf einer (übergeordneten) Baulogistik als – in vielen Fällen – eigenständiges Gewerk auf der Baustelle.
Die Richtlinie wird deshalb Grundlagen und Methoden für die Implementierung der Baulogistikplanung und einer Baulogistikrealisierung enthalten. Zu den Grundlagen zählen die Definition des Anwendungsbereichs, die Festlegung von Fachbegriffen und die Zielsetzung der Baulogistik im konkreten Bauprojekt. Zentraler methodischer Bestandteil der Richtlinie wird neben der Baulogistikprozessbeschreibung die Definition der Handlungsfelder der Baulogistik sein, die ebenfalls von großer praxisrelevanter Bedeutung ist.
2. Wo sehen Sie die wichtigsten Errungenschaften?
Fabian Ruhl: Die Zielsetzung der Richtlinie ist, den Fachanwender*innen einen geregelten Ablauf (Hauptprozess, Teilprozesse) und genormte Begrifflichkeiten an die Hand zu geben. Damit wird erreicht, dass eine höhere Verbindlichkeit in die baulogistischen Abläufe kommt und bereits zu einem frühen Zeitpunkt im Projekt eine einheitliche Sprache verwendet wird. Somit lassen sich Verantwortlichkeiten korrekt zuordnen, Leistungen besser aufeinander abstimmen und natürlich auch eine entsprechende Vergütung gezielt definieren.
Neben den Fachanwender*innen ist die Richtlinie auch für weitere Anwender gedacht. Bauherren, die nicht ständig Bauprojekte verantworten und damit nicht regelmäßig entsprechende Erfahrungen in ihre Projektorganisation einfließen lassen können, erhalten mit der Richtlinie eine erfahrungsbasierte Unterlage als Entscheidungsgrundlage für baulogistische Überlegungen. Die fehlende Berücksichtigung baulogistischer Planung und operativer Baulogistik durch mangelnde Kenntnis kann so vermieden bzw. deren sachgerechte Umsetzung zu einem früheren Zeitpunkt – und dadurch mit einer größeren Hebelwirkung auf Kosten, Termine und Qualitäten – erreicht werden. Auch für Projektsteuerer und Objektplaner, die bisher beispielsweise bei der Beratung zum gesamten Leistungs- und Untersuchungsbedarf eines Projekts im Rahmen der Leistungsphase 1 HOAI noch keine Berührungspunkte mit der Baulogistik hatten und deshalb bei der Formulierung von Entscheidungshilfen Unterstützung brauchen, soll die Richtlinie als ein gutes Arbeitsinstrument dienen.
In der Schnittstelle zwischen Bauherren/Projektsteuerern, Planern und Ausführenden helfen geregelte Abläufe, genormte Begrifflichkeiten und die Abstimmung zu Leistungen und Vergütung zur qualitativen und quantitativen Definition, ohne eine stetige individuelle Ausgestaltung der Projektrandbedingungen und Abwicklung zwischen den verschiedenen Stakeholdern erwirken zu müssen. Konkret: Ohne unmittelbare Kenntnis des Vertrags zwischen dem Bauherrn und einem bestimmten Planer können die weiteren Projektbeteiligten sich auf die Grundlagen und Prozesse der Richtlinie berufen.
3. Wo sehen Sie den Nutzen für die Baubranche?
Fabian Ruhl: Speziell vor dem Hintergrund einer erforderlichen Nachhaltigkeitsbetrachtung von Baustellen wird die Baulogistikplanung sowie die Realisierungsphase wertvolle Beiträge liefern. Neben der weiterhin sehr guten, qualitativ anspruchsvollen und ressourcenschonenden Planung des endständigen Objekts durch die Objekt- und Fachplaner muss auch der Produktionsweg bei Bauprojekten einer systematischen Planung und Umsetzung unterzogen werden.
Dabei wird die Baulogistik neben den erforderlichen Nachhaltigkeitsbetrachtungen der Bauherrschaft in Bezug auf das fertiggestellte Objekt sowie den nachhaltigen Arbeits- und Beschaffungsprinzipien von Werkvertragsleistenden ebenfalls ihren Beitrag leisten. Dort, wo beispielsweise in der stationären Industrie die klare Verantwortung über die gesamte Wertschöpfungskette geregelt ist, muss der „Produktionsprozess Baustelle“ mit vielen Beteiligten und verschiedenen, mitunter gegensätzlichen Interessenslagen dennoch gesamtheitlich betrachtet werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Baustellen nur kurz- und mittelfristigen Wirtschaftsstrategien in Bezug auf die Wertschöpfungskette unterworfen sind.
Hiermit wird die Akzeptanz von Baustellen, die Schnittstellen zwischen den Stakeholdern und das wirtschaftliche Ergebnis der Beteiligten zugunsten eines nachhaltigen, ressourcenschonenden Leistungsprinzips verbessert. Darin liegen auch Chancen, Streitigkeiten bei der Ausführung zu vermeiden. In Bezug auf § 7 VOB/A wird die Baulogistik-Richtlinie dafür sorgen, dass ein weiterer Beitrag auf dem Weg zur eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung erfolgt.
4. Haben Sie Tipps für die Umsetzung?
Wie bei allen Neuerungen bzw. neuen Grundlagen wird es eine gewisse Zeit sowie Erfahrungswerte brauchen, bis sich der volle Nutzen entfaltet. Insbesondere der Bauherrschaft kommt nach wie vor die Schlüsselrolle bei der Umsetzung ihres Projektes zu, denn: Je besser man eine Sache vorbereitet, desto planvoller kann man sie abwickeln. Dazu kann auch gehören, dass man von manchen Ideen und geplanten Elementen im Projektverlauf abweichen will oder muss. Dies unterscheidet an vielen Stellen das Angebot der Bauwirtschaft vom reinen Produktkauf. Durch dieses hervorragende, aber auch anspruchsvolle Angebot rechtfertig sich die Berufsidee des Ingenieurs. Dementsprechend sind die Projektverantwortlichen gut beraten, immer dort ihr Team zur Umsetzung einer Maßnahme bestmöglich in den entsprechenden Fachdisziplinen aufzustellen und nach genormten Grundlagen zu arbeiten, wo etwas gestaltet und genutzt werden soll. Die Baulogistik gehört sicherlich schon jetzt und vor allem mit dem Blick in die Zukunft dazu.