Aktuell beobachte er eine gewisse Ambivalenz, so Dr. Rolf Zöller weiter: „Auf der einen Seite tragen sehr engagierte Initiativen etwa im Bereich des Software Defined Vehicle oder Open Source dazu bei, eine rapide, geradezu exponentielle Entwicklung anzustoßen, während andere technologische Themen sich eher inkrementell weiterentwickeln. Dazu zählt etwa das autonome Fahren.“ Dieser Trend sei nicht nur bei OEMs festzustellen, sondern ebenso auf Seiten von Zulieferern und Tech-Firmen.
Hohes Tempo auf dem Weg zum Software Defined Vehicle
Der aktuell herausfordernden Situation kann Dr. Zöller aber auch zuversichtlich stimmende Aspekte abgewinnen: „Für die europäische Automobilindustrie kann es durchaus sehr gesund sein, eine Fokussierung auf zentrale Projekte und Technologien vorzunehmen. Der Weg zum Software Defined Vehicle gehört definitiv dazu, auch die Anwendungen der KI nehmen rasant zu.“
Ein weiterer Trend: Kunden erwarten heute, dass die Anwendungen ebenso schnell im Auto verfügbar sind, wie es die Anwender von der Consumer-Welt, Unterhaltungselektronik und Medientechnik gewohnt sind. „Als Automobilisten sind wir gefordert wie noch nie, im Gleichtakt mit der Consumer-Industrie eine kontinuierliche Entwicklung zu vollziehen. Dies erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und Agilität“, unterstreicht Dr. Rolf Zöller.
Bis vor wenigen Jahren wäre dieses Entwicklungstempo kaum denkbar gewesen, gerade mit den bekannt hohen Anforderungen an Security, Qualität und die mehrjährigen Entwicklungszyklen im automobilen Segment. Doch dieses Argument ziehe heute nicht mehr, so der Leiter der ELIV weiter: „Der Kunde erwartet nicht nur gute Software, sondern eine herausragende Gesamtintegration. Die Software muss perfekt mit den anderen Komponenten des Fahrzeugs, wie Fahrdynamik und Energie-Management, harmonieren.“
Neue Wege der Homologation gefragt
Die Software im Fahrzeug werde somit immer komplexer und soll gleichzeitig so schnell wie möglich verfügbar sein. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie in Zukunft die Dynamisierung der Entwicklung in der Zulassung, Homologation und Validierung aufgefangen werden kann. Mit der heutigen konventionellen Basis ist dies nicht mehr möglich, stattdessen sei es notwendig, über Möglichkeiten und Ansätze zur Homologation im digitalen Raum zu sprechen. Dr. Zöller dazu: „Viele Vorträge der ELIV 2024 werden sich daher mit dem Thema der Virtualisierung befassen, sodass die im Auto verbaut Hardware nicht nur simuliert wird, sondern in Zwillingsdarstellungen virtualisiert wird.“ Dies sei ein sehr wichtiger Ansatz, um die Software in der realen Umgebung zu testen und gleichzeitig Langzeiteffekte zu studieren, Alterungseffekte zu beobachten und somit wesentlich verlässlichere Aussagen über das Verhalten in der Zukunft abzuleiten.
Dr. Zöller weiter: „Dies ist ein Riesenhebel, um besser und schneller zu werden. Möglich wird dies erst dank der rasanten Cloudentwicklung. Unser gemeinsames Interesse muss es daher sein, dies möglichst schnell in die Realität und Entwicklungs- und Homologationsprozesse zu bringen sowie dafür Akzeptanz zu gewinnen bei Behörden und in Zulassungsverfahren.“ Deshalb sei es für die gesamte Branche entscheidend, das Thema frühzeitig aufzugreifen und sich gerade hinsichtlich der Regulatorik zu positionieren. „Aus meiner Sicht ist dies einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Weiterentwicklung der Fahrerassistenzsysteme und automatisierter Fahrfunktionen“, unterstreicht der langjährige Branchen-Insider weiter.
Fachlicher Austausch auf höchstem Niveau
Für Diskussionsbedarf im Rahmen der ELIV ist also mehr als genug gesorgt. Die Teilnehmenden des zweitägigen Kongresses in Bonn können sich vor diesem Hintergrund auf ein tiefgehendes, vielfältiges und fachlich fundiertes Programm freuen. Bei über 300 fundierten Themeneinreichungen sei dem Programmausschuss die Auswahl der Vorträge nicht leichtgefallen, macht Dr. Zöller weiter deutlich: „Qualität, Originalität und Einzigartigkeit der Vorträge sind erneut bemerkenswert. Die ELIV zeichnet sich besonders dadurch aus, nicht an der Oberfläche zu bleiben, sondern inhaltlich in die Tiefe zu gehen und den wissenschaftlichen Themen viel Raum zu geben. Erklären und Verstehen, Wissenschaft und Technik – diesem Anspruch wollen wir auch in diesem Jahr gerecht werden.“
Lightning Talks: Frische Impulse in komprimierter Form
Knapp 100 der 300 Themenvorschläge werden dabei an zwei Tagen behandelt – ermöglicht unter anderem dank der neuen Lightning Talks, die in komprimierter Form von jeweils zwei Minuten innovative Themen anreißen. „Während die Automotive Trend Sessions, im vergangenen Jahr zum Thema Open Source, diesmal zur digitalen Homologation und künstlichen Intelligenz, eine besondere Fokussierung auf aktuelle Themenschwerpunkte ermöglichen, können die Lightning Talks wertvolle Impulse zu neuen und einzigartigen Themen geben. Ich bin hochgradig gespannt darauf, bin mir aber sicher, dass die Lightning Talks ungemein viel vermitteln werden – sowohl an Ideen und hoch verdichteter Information als auch an Emotion“, erklärt der Kongressleiter.
Die ELIV bildet aus seiner Sicht exzellente Plattform, um den Austausch über die aktuellen Anforderungen zu ermöglichen und dabei die gesamte Vielfalt der Branche abzubilden – nicht nur mit OEMs und Zulieferunternehmen, sondern ebenso mit der Beteiligung von Technologieentwicklern, IT- und Software-Unternehmen, vom großen Global Player bis zum Nischen-Tech-Lieferanten und Start-ups. Dr. Rolf Zöller unterstreicht abschließend: „Wer sich ein präzises Bild über die Situation im Mix der Technologien, der Trends, aber auch über die Herausforderungen im automobilen Umfeld verschaffen möchte, ist auf der ELIV 2024 goldrichtig.“