Methoden und Werkzeuge zur Auslegung und Optimierung von Stirnradverzahnungen
Stirnradgetriebe spielen eine zentrale Rolle in der Antriebstechnik. Die Herausforderung bei ihrer Auslegung besteht darin, hohe Drehmomente auf kleinstem Bauraum effizient und möglichst geräuscharm zu übertragen – bei gleichzeitiger Maximierung von Tragfähigkeit und Lebensdauer. Der Prozess vom ersten Entwurf bis zur Optimierung ist komplex und erfordert fundiertes Wissen sowie den Einsatz moderner Werkzeuge und Methoden. Vom optimalen Zahnprofil bis zur präzisen Schmierung – in diesem Artikel erfahren Sie, wie Ingenieur*innen Stirnradgetriebe für höchste Leistung und Effizienz konstruieren und optimieren.
Die Auslegung und Optimierung von Stirnradgetrieben ist ein wesentlicher Bestandteil des Maschinenbaus und der Antriebstechnik. Stirnradgetriebe sind weit verbreitet und werden in vielen Bereichen eingesetzt, von der ganzen Fahrzeugtechnik bis hin zu Robotern und Antrieben im Schwermaschinen-, Werkzeugmaschinen- und Anlagenbau. Die Herausforderung bei der Konstruktion und Auslegung von Stirnradgetrieben besteht häufig darin, große Drehmomente mit ausreichender Sicherheit bei gleichzeitig hohem Wirkungsgrad und möglichst geringer Geräuschentwicklung zu übertragen. Hierzu stehen den Entwicklungsingenieur*innen bewährte Normenwerke wie die DIN 3990 und die ISO 3663 zur Verfügung. Der Einsatz dieser Normen zur Auslegung eines Stirnradgetriebes erfordert von den Anwender*innen jedoch umfangreiches theoretisches Wissen über die Geometrie der Stirnräder, Kenntnisse über die angreifenden Belastungen und Einbaubedingungen sowie über Werkstoffkennwerte und Schmierungsbedingungen.
Die Auslegung und nachfolgende Optimierung einer Stirnradverzahnung ist ein umfangreicher Prozess, der mehrere Schritte umfasst. Ziel ist es, eine Verzahnung zu entwerfen, die die mechanischen und kinematischen Anforderungen erfüllt, wie etwa die Übertragung von Leistung mit hohem Wirkungsgrad bei ausreichender Tragfähigkeit und einem akzeptablen Schwingungs- bzw. Geräuschverhaltens. Die wesentlichen Schritte beim Entwurf einer Stirnradverzahnung zeigt Bild 1.

Bild 1: Schematischer Ablaufplan zur Auslegung und Optimierung einer Stirnradstufe.
Ablauf der Auslegung und Optimierung einer Stirnradstufe
Am Anfang steht eine der wichtigsten Aufgaben der Konstrukteur*innen – die Klärung der Einbau- und Betriebsbedingungen der Stirnradstufe. Neben den zu übertragenden Lasten und Drehzahlen sind die Anforderungen an die Lebensdauer, ggf. die Geräusch- und Temperaturentwicklung ebenso wichtig wie die Steifigkeitsanforderungen der umgebenden Bauteile Welle, Lagerungen und Gehäuse. Ein detailliert ausgearbeitetes Lasten-/Pflichtenheft reduziert später notwendige Optimierungsschritte und zeitaufwendige Rückfragen beim Kunden.
Nach der Festlegung der Einbau- und Betriebsbedingungen werden die Basisparameter der Stirnradstufe festgelegt. Aus dem gewünschten Übersetzungsverhältnis i werden die Zähnezahlen z1,2 von Ritzel und Rad und aus der zu übertragenden Leistung und den verwendeten Zahnradwerkstoffen der Normalmodul mn als wichtigste Verzahnungsgröße abgeleitet. In diesem Arbeitsschritt erfolgt bereits eine erste Bauraumbetrachtung über den sich einstellenden Nullachsabstand a0.
Im nächsten Schritt wird die Verzahnungsgeometrie final auslegt. Basis für die evolventischen Verzahnungen ist das Bezugsprofil nach DIN 867. Neben einer möglichen Profilverschiebung und der Wahl eines Schrägungswinkels werden in diesem Schritt die endgültige Geometrie der Zahnräder (alle relevanten Durchmesser) und der tatsächliche Betriebsachsabstand a festgelegt. Die Profilüberdeckung und die Sprungüberdeckung (nur bei Schrägverzahnung) liefern schon erste Anhaltswerte zum Laufverhalten der Stirnradstufe.
Nun erfolgt die Bewertung der Festigkeit der Verzahnung sowie die Bewertung des kinematischen Verhaltens. Aus den zu übertragenden Lasten, den Einbaubedingungen, den verwendeten Zahnradwerkstoffen und der gewählten Verzahnungsgeometrie werden die Zahnfuß- und Zahnflankenfestigkeiten für die gewünschten Betriebsbedingungen (dauer-, zeit- oder betriebsfeste Auslegung) ermittelt. Darüber hinaus sind die im Zahneingriff wirkenden kinematischen Größen an den Flanken (Gleitgeschwindigkeit, spez. Gleiten) für die Beurteilung des Anregungsverhaltens (Schwingungen und Geräusche) und der Schädigung der Zahnradflanke (Fressen oder Verschleiß) von besonderer Bedeutung. Das Zwischenergebnis dieses Schrittes ist eine lauf- und tragfähige Stirnradstufe unter Berücksichtigung der im ersten Schritt festgelegten Betriebs- und Einbaubedingungen.
Diese als Zwischenergebnis erhaltene lauf- und tragfähige Verzahnung muss in der Regel weiter optimiert werden, um die Vorgaben des Lastenheftes bestmöglich zu erfüllen. Da aber zum Beispiel die gleichzeitige Optimierung der Tragfähigkeit und des Geräuschverhaltens teilweise gegenläufige (negative) Effekte haben kann, ist es in diesem Schritt besonders wichtig, das jeweilige Optimierungsziel mit den dazugehörigen Verzahnungsparametern klar zu kennen, um möglichst zielgerichtet zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen. Neben der für Verschleiß, Wirkungsgrad und Flankenbeanspruchung notwendigen und wichtigen Schmierung kann die Verzahnungsgeometrie makroskopisch durch Anpassung des Bezugsprofils (Änderung des Normaleingriffswinkels, Hoch- oder Stumpfverzahnung, Änderung des Schrägungswinkels) oder mikroskopisch durch Verzahnungsmodifikationen (z.B. Breitenballigkeit, Kopf- und Fußrücknahme, ...) an die äußeren Belastungen und Einbaubedingungen angepasst werden.
Werkzeuge zur Auslegung und Optimierung
Der nach Bild 1 beschriebene schematische Ablaufplan zur Auslegung und Optimierung einer Stirnradstufe ist so umfangreich, dass dieser kaum sinnvoll „per Hand“ ausgeführt werden kann. Kommerzielle Berechnungstools helfen den Anwender*innen die umfangreichen analytischen Berechnungen in kürzester Zeit mit einem selbst gewählten Detailierungsgrad durchzuführen.
Neben den rechnergestützten analytischen Lösungen zur Bewertung einer Verzahnung ist es heute üblich, durch begleitende numerische Berechnungen, die z.B. die Steifigkeiten der Verzahnung sowie der Wellen und Gehäuse berücksichtigen, wesentlich genauere Lösungen zu erhalten. Die Ermittlung des Anregungsverhaltens mit einer Mehrkörpersimulation (MKS), die für die Geräuschentstehung wesentlich ist, sowie ergänzende numerische Berechnungen zur Getriebeschmierung mit CFD runden den Auslegungs- und Optimierungsprozess der Stirnradstufe ab.
Fazit
Die Auslegung und Optimierung von Stirnradverzahnungen ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Berücksichtigung der mechanischen Eigenschaften, der Fertigungstechnik und der betrieblichen Anforderungen erfordert. Moderne Werkzeuge und Methoden, wie CAD- und FEM-Software, spezialisierte Getriebedesign-Tools sowie Optimierungstechniken für Zahnprofile und Werkstoffauswahl, ermöglichen es Ingenieur*innen, präzise und effiziente Stirnradverzahnungen zu entwickeln. Die kontinuierliche Weiterentwicklung dieser Werkzeuge und Methoden trägt dazu bei, die Leistung und Lebensdauer von Stirnradgetrieben weiter zu verbessern, was für viele Industriezweige einen bedeutenden technologischen Fortschritt darstellt.
Im VDI-Seminar „Stirnradgetriebe – Dimensionierung, Gestaltung und Optimierung“ werden den Teilnehmenden solide theoretische Grundlagen sowie die Methoden und Werkzeuge zur Auslegung, Dimensionierung und Optimierung von Verzahnungen vermittelt. Die wichtigsten Seminarinhalte sind:
- Kennenlernen gültiger Normen
- Makro- und Mikrogeometrie der Stirnräder, Einfluss von Verzahnungsmodifikationen
- Kennenlernen der wichtigsten Schadensursachen im Zahnfuß und an der Flanke sowie deren rechnerischen Bewertung
- Getriebeschmierstoffe und Schmierverfahren
- Wirtschaftliche Fertigungsmöglichkeiten von Stirnradverzahnungen
- Optimierungsmöglichkeiten zur Steigerung der Tragfähigkeit, Vermeidung von Flankenschäden sowie gezielte Beeinflussung des Geräuscherhaltens und des Wirkungsgrades.
Über den Autor:

Prof. Dr.-Ing. Frank Forbrig, Professur Maschinenelemente, Westsächsische Hochschule Zwickau Institut für Maschinenentwicklung (IfM), Zwickau
Professor Forbrig promovierte 2006 zum Thema „Gestaltfestigkeit von Passfederverbindungen an der TU Chemnitz. Sein Arbeits- und Forschungsgebiet sind Themen der Antriebstechnik, besonders die numerische Berechnung von Welle-Nabe-Verbindungen, Wälzlagern, Verzahnungen und Schrauben sowie die experimentelle Validierung an ausgewählten Maschinenelementen. Vielfältige berufliche Erfahrungen konnte er bei der Tätigkeit als Entwicklungsingenieur in der Wälzlagerindustrie sammeln.