Mehr Mut zu MINT: Frauen sehen in Ingenieurberufen attraktive Perspektiven

Umfrage fördert Herausforderungen und Lösungsansätze zutage

Die Ingenieurswelt als eine der letzten klassischen Männerdomänen –wie viel Realität steckt heute noch in diesem Bild? Hat nicht längst eine Veränderung eingesetzt, mit immer mehr Frauen, die sich für eine Karriere in MINT-Berufen entscheiden? Mit welchen Herausforderungen sehen sich Ingenieurinnen mitunter in ihrem Berufsalltag konfrontiert? Ein aktuelles, optimistisch stimmendes Stimmungsbild dazu zeichnet die Umfrage, die das VDI Wissensforum anlässlich des Internationalen Frauentages initiiert hat. Die über 100 Teilnehmenden, darunter 80 Prozent Frauen, geben spannende Einblicke in Wünsche und Zukunftsaussichten.

Anteil von Frauen in MINT-Berufen

Schon bei der Beschreibung des Ist-Zustandes scheiden sich die Geister: Den tatsächlichen Anteil von Kolleginnen in technischen Berufen bewerten Männer durchweg höher als die befragten Frauen. Auf „über 20 Prozent“ schätzen 22 Prozent der befragten Männer diesen Anteil, aber nur 12 Prozent der Frauen. Bei ihnen überwiegt augenscheinlich noch Pessimismus: 29 Prozent der Frauen sieht den Anteil ihrer Geschlechtsgenossinnen sogar bei unter 10 Prozent, dies glauben wiederum nur 22 Prozent der Männer. Ein interessantes Detail in diesem Zusammenhang: Sechs von zehn Teilnehmenden tragen selbst Personalverantwortung, sollten also die tatsächliche Situation gut überblicken können.

Rollenklischees auf dem Prüfstand

Dass Klischees tatsächlich erfreulich an Bedeutung verlieren, zeigt ein Gedankenspiel im Zuge der Umfrage. Die Teilnehmenden sollten sich Folgendes vorstellen: „Ein Vater sitzt mit seinem Sohn im Auto und fährt ihn zu einem Bewerbungsgespräch bei einem Automobilkonzern. Auf dem Parkplatz angekommen klingelt das Handy des Sohnes, der CEO des Automobilkonzerns ist in der Leitung und sagt: ,Viel Glück, Sohn. Du schaffst das.‘ Wer hat angerufen?“ Männer und Frauen gleichermaßen ziehen es bei dieser Beschreibung in Betracht, dass sowohl eine Frau als auch ein „zweiter Vater“ CEO sein kann. 

Wenn Sie sich selbst mit diesem „Rätsel“ befassen möchten, finden Sie das Video dazu hier.

Kompetenz steht an erster Stelle

Es klingt erstaunlich genug, dass das Geschlecht bei der Besetzung von Führungspositionen heutzutage überhaupt noch eine Rolle spielen soll. Wie stellen sich die Befragten etwa einen Vorstand vor? Auch hier scheinen Wunsch und Wirklichkeit aufeinanderzuprallen: Denn ein Drittel gibt an, dass das Geschlecht irrelevant für die Qualifikation sei – und ebenfalls ein Drittel beschreibt den typischen Vorstand als „männlich, weiß, älter“.

Den befragten Männern behagt dieser Status quo selbst nicht. „Ein Vorstand sollte fachlich kompetent sein, das Geschlecht ist trivial“, schreibt zum Beispiel ein Teilnehmer. Ein anderer wünscht sich einen Vorstand „besetzt mit den Personen, die am geeignetsten für den Job sind.“

Wie stellen Sie sich einen typischen Vorstand vor?

Sind Sie der Meinung, dass Frauen im naturwissenschaftlich-technischen Berufsfeld immer noch vor besonderen Herausforderungen im Umgang mit überwiegend männlichen Kollegen stehen?

Wie sollten Vorstände besetzt sein?

Eine Teilnehmerin der Umfrage beschreibt ihre Wunschvorstellung so: „Optimal sollte ein Vorstand 50:50 besetzt sein.“ Eine weitere Frau beschreibt eine häufige Herausforderung, wenn es um die Work-Life-Balance geht: „Leider sind solche Positionen in Deutschland selten mit mehreren Halbtagskräften besetzt, was eine ausgewogene Eltern- und Berufsrolle schwer macht.“

Männer zeigen sich solidarisch

Ein positives Signal: Die klare Mehrheit der männlichen Ingenieure (59 Prozent der Befragten) ist sich dieser besonderen Herausforderungen von Frauen in MINT-Berufen bewusst. Die Männer zeigen sich solidarisch mit der Situation und sehen Handlungsbedarf, um Akzeptanz weiter zu fördern. Wie das funktionieren kann? Auch dazu haben die befragten männlichen Ingenieure konkrete Vorstellungen. „Ein Seminar mit externer Moderation und unter Federführung der Firmenleitung wäre wünschenswert. Vielleicht wären Firmen, die so etwas vorweisen können, auch attraktivere Arbeitgeber für Frauen“, schreibt ein Umfrageteilnehmer.

Vorschläge für Veränderungen

Konkret wünschen sich Männer bessere Regelungen für Elternzeit und Kinderbetreuung, mehr Teilzeitstellen, flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine identische Bezahlung. Die befragten Frauen setzen neben diesen Punkten auf das Thema Bildung, um bereits in Kindergarten und Grundschule Mädchen für Mathematik und Naturwissenschaften zu begeistern, Vorurteile abzubauen und Technik in der Schule stärker zu verankern. Eine Teilnehmerin der Umfrage hat zudem Vorschläge für ein kommunikativeres Miteinander in agilen Teams und zielorientierten Entwicklungsprozessen: „Gerade die Soft Skills, die Frauen zugeschrieben werden, sind in Ingenieurberufen absolut gefordert und neben dem technischen Fachwissen unverzichtbar.“

Welche Themen würden Ihnen helfen, um noch besser im Berufsumfeld agieren zu können?

Dazu passen wiederum die Wünsche, die Teilnehmende der Umfrage an Unterstützung sowie Fort- und Weiterbildung richten. Angebote zur Verbesserung von Soft Skills wie Souveränitätstrainings, Konfliktmanagement oder Rhetorik stehen mit über 46 Prozent an erster Stelle, bei Männern und Frauen gleichermaßen. Das VDI Wissensforum bietet in diesem Zusammenhang viel mehr als Technik und unterstützt mit Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung, um Management- und Führungsqualifizierungen zu optimieren. Vielfältige Inhalte bieten ebenso die Seminare für Ingenieurinnen. Sie beschäftigen sich mit Themen wie Durchsetzungsfähigkeit, Selbstmarketing, Souveränitätstraining und Kommunikationsstrategien. Als Mehrwert schaffen sie zudem den passenden Rahmen, um sich mit anderen Ingenieurinnen auszutauschen.

Fazit

Die aktuelle Umfrage zeigt, dass sich Frauen in Ingenieurberufen weiterhin mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sehen. Positiv: Der Anteil der Ingenieurinnen wächst kontinuierlich, Unternehmen bemühen sich um passende Konzepte und Arbeitsmodelle, Vorschläge für Verbesserungen liegen auf dem Tisch. Und die Mehrheit – unabhängig vom Geschlecht – ist der Meinung, dass das Geschlecht in der MINT-Welt in Zukunft keine Rolle mehr spielen wird.