Herr Thurnes, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Christian Thurnes: In meiner hauptberuflichen Tätigkeit bin ich Professor an der Hochschule Kaiserslautern. Ich liebe es, Studierende bei der Entwicklung ihrer Kompetenzen zu begleiten. Mein Schwerpunkt liegt im Training von Methoden für Wirtschaftsingenieur*innen und Innovationsmanager*innen – dies hauptsächlich in zwei Methodenfeldern: Methoden der Operational Excellence (Lean, Six Sigma, …) und Innovationsmethodiken (TRIZ, Design Thinking, …).
Beim VDI Wissensforum leiten Sie ein neues Seminar. Welche Lerninhalte werden in dieser Weiterbildung vermittelt?
Christian Thurnes: Innovationsmethoden sind eine Energiequelle für die Kreativität. Ständig Neues zu lernen, die Dinge auf den Kopf zu stellen und die Grenzen der eigenen Komfortzone zu überschreiten ist sehr motivierend. Das Seminar lässt die Teilnehmenden erfahren, was spielerische Ansätze ausmachen und wie diese entweder für sich genommen oder auch in Kombination mit bekannten Kreativ- und Innovationsmethoden wirken. So können sich alle Teilnehmenden selbst ein Bild machen, in welchen Bereichen der eigenen Innovationsprozesse oder -methoden spielerische Elemente nutzbringend sind und diese Erkenntnis mit in die eigene Praxis nehmen.
Im Seminar geht es nicht um die Theorie, sondern um das Machen. Die Theorie kennen die Teilnehmenden ohnehin bereits seit Kindertagen – ein anfänglicher Rückblick auf Spiele und Spielformen verschafft schnell einen Überblick und danach geht es daran, praktisch einige Spielformen und die Nutzung von spielerischen Elementen und Materialien (wie z. B. LEGO® SERIOUS PLAY ® - Methoden und -Materialien) kennen zu lernen.
Was genau ist mit dem Begriff „Innovating playfully“ gemeint und wie werden spielerische Elemente genutzt und eingesetzt, um Innovationsprozesse, Entwicklungsprojekte oder Veränderungsvorhaben in Unternehmen kreativer voranzutreiben?
Christian Thurnes: Innovation ist das unternehmerische Lebenselixier und Erfolgsrezept unserer Zeit. Bei zunehmender Verfügbarkeit von künstlicher Intelligenz, werden Innovationsressourcen wie Kreativität und Originalität immer bedeutender. Ich denke, es ist wie bei der Digitalfotografie: Gegenüber früher machen jetzt viel mehr Menschen viel mehr Fotos als früher und die Features der Kameras und Smartphones erzeugen immer bessere Fotos – selbst ich kann jetzt tolle Fotos schießen. Aber auch wenn Laien wie ich nun Fotos erzeugen könnten, wie sie früher von Fotograf*innen gemacht wurden, so gab es früher und gibt es heute nach wie vor jene Fotograf*innen, die – unabhängig von der genutzten Technologie – dank ihrer Originalität und ihren kreativen Fähigkeiten deutlich unterscheidbare Werke erschaffen.
Auch im Innovationsgeschäft sorgen Technologien und insbesondere KI dafür, dass viele menschliche Leistungen ersetzt oder ergänzt werden. Aber diese Mittel stehen allen Mitbewerber*innen zur Verfügung. Den Unterschied macht (zumindest noch auf absehbare Zeit von 1-2 Dekaden) nach wie vor die Kreativität und Originalität des Menschen – sowohl als Individuum, als auch als Gruppe in einer Organisation.
Die Weiterentwicklung der individuellen und organisationalen Innovationsfähigkeiten im eigenen Unternehmen ist daher ein kritischer Erfolgsfaktor – spielerische Elemente fördern Innovationskompetenzen, sind leicht zugänglich und motivationsfördernd. „Innovating playfully“ steht für Weiterentwicklung der eigenen Innovationsfähigkeiten durch den Einsatz spielerischer Methoden.
Ergänzen Sie die Theorie um Praxisbeispiele?
Christian Thurnes: Die Praxis steht beim Seminar absolut im Vordergrund. Der innovationsförderliche Einsatz spielerischer Elemente ist nicht primär eine Frage des Wissens, sondern eine Frage des Tuns und der Erfahrung. Die Praxisbeispiele zeigen, wie spielerischer Wettbewerb anspornen kann, aber auch das Potenzial von Konsenslösungen.
Der Rückblick auf die eigenen persönlichen Erfahrungen mit Spielen – sei es in der Kindheit, sei es heute – ermöglicht einen schnellen Überblick über typische Spielelemente und diskutiert den Transfer existenter Spiele in die eigene Praxis. Auch die Einschätzung von Möglichkeiten der Gamification eigener Innovationsprozesse gelingt auf dieser Basis. Übungen aus dem Improvisationstheater bieten die Gelegenheit, Assoziationsfähigkeit, Kreativität und Spontanität zu steigern und ein konstruktiv-aufbauendes Mindset zu entwickeln – hier geht es einerseits um die individuelle Entwicklung und andererseits darum, entsprechende Spielelemente in Kreativ- und Entwicklungsprozessen zu nutzen. Methoden des erfinderischen Problemlösens (TRIZ) verlieren mit spielerischen Elementen ihren staubigen und theoretischen Charakter. Die Lösung von Widersprüchen mit Spielelementen ist sehr hilfreich dabei, Denkbarrieren zu überwinden. Die Nutzung von LEGO® SERIOUS PLAY ® -Materialien und -Methoden eröffnet viele Möglichkeiten der Unterstützung von Problemlösungs- und Veränderungsprozessen.
An welche Zielgruppe richtet sich Ihre Weiterbildung?
Christian Thurnes: Sie richtet sich an kreative Problemlöser*innen in F&E und Innovationsmanagement und vor allem an jene, die ihrer Kreativität und ihren Kreativprozessen mit spielerischen Ansätzen mehr Kraft verleihen wollen. Also auch Führungskräfte von Kreativ- und Innovationsteams sowie veränderungsbereite Abteilungs- und Bereichsleiter*innen in F&E und Innovationsmanagement sind angesprochen.
Könnten Sie jetzt schon einen Ausblick wagen, in welche Richtung sich der Bereich der Kreativ- und Innovationsmethoden in Kombination mit spielerischen Elementen in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird?
Christian Thurnes: Gamification setzt sich in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen durch. In den operativen Bereichen werden Spielelemente bereits heute genutzt, um die Arbeit attraktiver zu machen – hierbei handelt es sich hauptsächlich um Elemente aus Computerspielen. Dies wird sich sicherlich überall dort weiter verstärken, wo Menschen arbeiten.
Gamification von Prozessen im Innovationsbereich ist sicherlich bereits in Teilbereichen anzutreffen. Eher als in den Prozessen, sind spielerische Elemente bereits in vielen Innovationsmethoden integriert. Jedoch bietet deren bewusste Nutzung und Ausrichtung noch mehr Potenziale und genau deshalb sollte man sich dieser Möglichkeit zur Steigerung der eigenen Innovationsfähigkeiten nähern. Und wenn man entdeckt, dass dies nicht zur eigenen Person passt, dann überträgt man es jemand anderem, etwa einer anderen Person im eigenen Unternehmen oder man überlässt es eben der Konkurrenz.