Beim Fremdbild der Frauen zeigt sich zum einen eine beschreibende, aber auch eine vergleichende Art der Formulierung – dies passiert oft unbewusst. Ob die Beschreibungen positiv, negativ oder neutral bewertet werden, wird im Dialog anhand der Wortwahl und konkreter Erfahrungsbeispiele deutlich. So sind beispielsweise die Zuschreibungen „durchsetzungsstark“ sowohl positiv wie negativ und „machtorientiert“ sowie „dominant“ negativ belegt. Spannend ist nun, das tatsächliche Fremdbild der Frauen mit dem vermuteten Fremdbild der Männer zu vergleichen. Das vermutete Fremdbild deckt sich hier zwar von den Adjektiven weitgehend mit dem Fremdbild, aber es zeigt mit den Wertungen – „zu sachlich“, „zu selbstdarstellerisch“, „zu direkt“ –, dass die Männer bei den Frauen ein kritisches Fremdbild zu ihrem Führungsverhalten vermuten. Im Gegenzug dazu steht das vermutete Fremdbild der Frauen im Vergleich zum tatsächlichen Fremdbild der Männer: Auch hier zeigt sich, dass vermutet wird, dass die Männer eher kritisch auf den weiblichen Führungsstil schauen, wobei der Austausch über die Gewichtung und konkreten Hintergründe der jeweiligen Aspekte für ein abschließendes Urteil wichtig wären.
Andere Seminarteilnehmende kommen zu anderen Ergebnissen und Erkenntnissen und haben z. B. ein ausgeglicheneres Bild von Stärken und Schwächen als im genannten Beispiel. Insgesamt sind die Resultate vielschichtig und führen zur Verbesserung der gegenseitigen Wertschätzung und zu konkreten Maßnahmen (siehe unten in der Maßnahmen-Tabelle) für eine verbesserte Zusammenarbeit. Immer wieder zeigen sich in den Seminaren aber die Merkmale, die sich dem vertikalen oder horizontalen Kommunikationsstil zuordnen lassen.
Gendertypisierungen im vertikalen und horizontalen Kommunikationsstil
Nach Deborah Tannen lassen sich zwei wesentliche Kommunikationsstile unterscheiden, der eher weibliche, horizontale und der eher männliche, vertikale Kommunikationsstil. Demnach kommunizieren Männer direkt, ohne Konjunktiv mit klaren Ansagen, und handeln am Rang orientiert, den sie u. a. mit hohen Redeanteilen erwerben. Mit Revierverhalten, z. B. an Dominanzgesten erkennbar, wird der Rang in diesem „vertikalen“ Kommunikationsstil geklärt. In den Fremdbildern zum männlichen Führungsstil aus dem obigen Seminarbeispiel finden sich einige der Beschreibungen wieder. Dies gilt auch für den weiblichen Führungsstil. Frauen reden viel mit allen, kommunizieren argumentativ, empathisch, emotional und implizit mit Bitten und im Konjunktiv. Inhalte stehen vor dem Rang- und Revierverhalten. Es wird „horizontal“ kommuniziert.
Männer und Frauen führen also unterschiedlich und sollten ihre Mitarbeiter:innen dem Kommunikationsstil entsprechend auch unterschiedlich führen: bei vertikal Kommunizierenden insbesondere auch non-verbal agieren („Move-Talk“ nach Peter Modler), z. B. schweigen und zum Fenster gehen, und Formulierungen im Konjunktiv vermeiden; beim horizontalen Verhalten Zeit für Gespräche und überzeugende Argumente einplanen, im Konfliktfall aber auch manipulativ eingesetzte Argumentationen abwehren. Hierbei ist noch darauf zu achten, dass die (un-)bewusste Orientierung an diesen Stereotypen auch dazu führt, dass gleiches Verhalten bei Männern und Frauen unterschiedlich gedeutet wird. Gibt Martina als Ingenieurin eine klare Anweisung mit Raum einnehmender Körpersprache, wird sie als arrogant und selbstinszenierend beurteilt, der Ingenieur Martin gilt mit gleichem Verhalten jedoch als entschieden und selbstsicher (siehe Iris Bohnet in „What Works“). Fragt Martin öfter nach der Meinung und erkundigt er sich nach dem Befinden seiner Mitarbeiter:innen, wird er als orientierungslos und unsicher eingeschätzt, während Martina mit diesem Vorgehen als empathisch und interessiert eingestuft wird.
Vorurteile und Stereotypisierungen im Dialog aufdecken und Maßnahmen ableiten
Welche Ziele und Maßnahmen lassen sich nun hieraus für eine konstruktive Zusammenarbeit von Mann und Frau, Ingenieur und Ingenieurin ableiten? Antworten finden sich in der folgenden Tabelle: