Hybrides Projektmanagement: Verknüpfung etablierter Projektmanagement-Ansätze mit neuen Methoden

Klaus Knechten ist Diplom-Kaufmann der RWTH in Aachen und verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung in Industrie, Dienstleistung, Unternehmensberatung und Training. Seit Mitte der 90er Jahre ist er durchweg in Führungspositionen tätig. Als Spezialist für Management, Führung, Organisations- und Personalentwicklung, Projekt- und Prozessmanagement sowie als Experte in organisatorischen Neuausrichtungen leitet und begleitet er seit vielen Jahren komplexe und anspruchsvolle Projekte. Beim VDI Wissensforum leitet er unter anderem das Seminar Hybrides Projektmanagement. Was versteht man darunter und wie kann man es erfolgreich implementieren, darüber sprechen wir mit ihm im Interview.

Herr Knechten, stellen Sie sich bitte kurz vor.

Schon seit Studienzeiten an der RWTH in Aachen bewegt und beschäftigt mich das Thema Projektmanagement ununterbrochen bis heute. 

Seit dieser Zeit unterstütze ich meine Kund*innen in herausfordernden Projekten als Moderator, Trainer und Coach. Zumeist arbeite ich aber auch als vollverantwortlicher Projektmanager an komplexen Vorhaben, wie etwa Strategieentwicklungen, Krisensituationen, Organisationsprojekte, Digitalisierungen oder Engineering-Projekten mit. 

Seit mehr als zehn Jahren agiere ich selbständig und unabhängig von Krefeld aus. Unterstützt werde ich hierbei von einem starken Team und breiten Netzwerk kompetenter Partner*innen. 

Privat lebe ich in Krefeld und Münster und begeistere mich u.a. für alte Autos der 60er bis 80er Jahre, dies verstehe ich als meine eigenen Projekte.

Beim VDI Wissensforum bieten Sie das Seminar Hybrides Projektmanagement an. Was versteht man darunter und wie kann man es erfolgreich implementieren?

Hybrides Projektmanagement ist weder ein geschützter Begriff noch ein normiertes Modell. Es ist eine Verknüpfung etablierter Projektmanagement-Ansätze mit neuen Methoden und Vorgehensweisen. 

Viele Unternehmen verfügen heute über praxiserprobte Projektmanagementsysteme, die inzwischen als klassischer Ansatz bekannt sind. Auf der anderen Seite hat der enorme Erfolg des agilen Projektmanagements im Software Engineering gerade in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass die Unternehmen zunehmend agiler werden möchten. Zeitgleich sollen aber die Vorteile des klassischen Projektmanagements wie Sicherheit, klare Struktur und vor allem die Projektleitung, die die Verantwortung trägt, nicht aufgegeben werden. 

Mit dem „hybriden Projektmanagement“ ist es möglich, sich unternehmensspezifisch beiden Ansätzen zuzuwenden und eine ideale Mischung für sich zu finden und zu nutzen.

Erfolgreiches Implementieren hat zuallererst mit Akzeptanzarbeit auf allen Ebenen zu tun, wie in jedem Change Prozess. Auch hier treffen die Bewahrer des alten Systems auf die Kreativkräfte, die für etwas Neues offen sind. Entscheidend für den Erfolg hybrider Ansätze im Projektmanagement sind eine ausgewogene Bestandsaufnahme der Ausgangssituation und ein klares Zielprofil, in welche Richtung sich das Projektmanagementsystem des jeweiligen Unternehmens entwickeln soll. Was brauchen die tatsächlichen Projekte, was läuft gut bisher, wo liegen die Probleme und Potenziale?

Welche Tools und Techniken können im Rahmen eines hybriden Projektmanagements eingesetzt werden?

Da hybrides Projektmanagement beide Welten reflektiert, steht die klassische Wasserfall-Systematik ebenso vollständig zur Verfügung wie das agile Mindset, inklusive aller Grundsätze und Werkzeuge. 

So werden klare Projektaufträge, Strukturpläne, Meilensteintrendanalysen, Stage Gate Prozesse, Risikoanalysen, Statusberichte und die Funktion einer verantwortlichen Projektleitung gerne aus dem klassischen Modell mitgenommen. 

Aus der agilen Welt stehen die kollaborativen Elemente hoch im Kurs. So etwa das Nutzen eines Backlog im Anforderungsmanagement, das Ausrollen kreativer Entwicklungen in zyklischen Sprintphasen, Ticketsysteme anstelle komplexer Detailpläne, Kanban Boards, Design Thinking, Retrospektiven, Daily Scrums oder auch das Schaffen neuer Rollen wie eines Product Owners.  

Einige dieser Tools und Techniken, wie etwa das Kanban Board, kommen gar nicht aus dem agilen Projektmanagement im engeren Sinne, werden aber dort verortet und genutzt.

Welche Herausforderungen können bei der Einführung eines hybriden Projektmanagement-Ansatzes auftreten und wie kann man diese bewältigen? 

Etabliertes Projektmanagement wird fast überall als klassisch bezeichnet. Hier wird oft die Frage gestellt: „Arbeitet ihr noch klassisch oder schon agil?“ Agiles Projektmanagement ist jedoch nicht die Ablösung eines alten oder überholten Ansatzes, sondern eine Systematik für einen ganz speziellen Projekttyp, nämlich den Projekttyp der Software Entwicklung. 

Bei der Einführung eines hybriden Ansatzes sind beide Welten als gleichwertig einzuordnen. Idealerweise versteht man die agile Welt als Ergänzung bzw. Bereicherung des etablierten Projektmanagements. Der Werkzeugkoffer wird nicht ausgetauscht, sondern ergänzt und erweitert. Allein entscheidend ist das, was die Projekte tatsächlich brauchen und was die Projektverantwortlichen konkret unterstützt.

Je stärker das Pendel eines hybriden Ansatzes in Richtung Agilität ausschlägt, um so konsequenter muss ein Kulturwandel in den Projektorganisationen vorangetrieben werden. Mehr Flexibilität, mehr Eigenverantwortung, Offenheit für Änderungen und eine konstruktive Fehlerkultur können in der Führungsebene durchaus Unsicherheit auslösen. 

Eine Entwicklung in Richtung agilem und hybridem Projektmanagement braucht dringend starke Sponsor*innen im Unternehmen, die sich die Entwicklung zu eigen machen und aktiv promoten.

Warum wird klassisches Projektmanagement auch in agilen Zeiten gebraucht? 

Klassisches Projektmanagement vermittelt klare Strukturen und adressiert Verantwortung. Projekte, die stark kaufmännisch zu steuern sind, z.B. Kunde*innenprojekte, brauchen eine effektive Steuerungs- bzw. Managementfunktion. 

Projekte sind nur selten ausschließlich kreativ ausgerichtet. Sind Aufwand- und Zeitanteile für Bestandsaufnahmen, Analysen und Umsetzungen hoch, so kommen die Vorteile agiler Vorgehensweisen eher weniger zum Tragen. 

Auch in Krisenprojekten ist ein klassischer Ansatz das Mittel der Wahl. Klarheit zu schaffen, Sicherheit zu geben und das strukturierte Planen von Szenarien zu ermöglichen, wird von Entscheidungsträger*innen erwartet und gefordert.

Welche Stärken und Schwächen weisen die unterschiedlichen Ansätze auf?

Der klassische Ansatz unterstellt eine starke Wirkung von Prozessen, vergleichbar mit den Glaubenssätzen eines ISO 9001 QM-Systems. Er schafft Struktur, Übersicht und Steuerbarkeit. Verantwortung ist klar zugeordnet, systemisch betrachtet passend zu den meisten Leitungssystemen in den Unternehmen. Auf der anderen Seite fehlt es oft an Flexibilität, Kundenorientierung, Kreativität und Ergebnisoffenheit.

Agiles Projektmanagement punktet mit Flexibilität, intensiver Kommunikation, hoher Eigenverantwortung der Teammitglieder und einer revolutionären Fehlerkultur. Das sind beste Voraussetzungen für kreative Aufgaben und Prozesse. 

Schwierig wird es im agilen Mindset jedoch, wenn Umsetzung zwingend wird oder Druck auf das Projekt kommt und ein Management „in time, in budget, in quality“ erwartet wird.

Zur Person

Dipl.-Kfm. Klaus Knechten, Geschäftsführer S3 Management GmbH, Krefeld

Klaus Knechten ist Diplom-Kaufmann der RWTH in Aachen und verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung in Industrie, Dienstleistung, Unternehmensberatung und Training. Seit Mitte der 90er Jahre ist er durchweg in Führungspositionen tätig.

Als Spezialist für Management, Führung, Organisations- und Personalentwicklung, Projekt- und Prozessmanagement sowie als Experte in organisatorischen Neuausrichtungen leitet und begleitet Herr Knechten seit vielen Jahren komplexe und anspruchsvolle Projekte. Darüber hinaus entwickelt er maßgeschneiderte Projektmanagementsysteme für Ingenieursgesellschaften, IT-Unternehmen und andere technisch geprägte Organisationen.
 
Seit 2010 ist Klaus Knechten Inhaber und Geschäfts­führer der S3 Management GmbH in Krefeld. Er war zuvor Partner der ibo Beratung und Training GmbH sowie über mehrere Jahre Geschäfts­führer einer Vertriebs- und Dienstleistungsgesellschaft für innovative Baustoffsysteme für die Wülfrather Gruppe im Thyssenkonzern.