Abbildung 1: Unidirektional verstärkte Faserverbundstruktur / Quelle: NEMOS

Hybride Materialstrukturen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit von Faserverbundbauteilen

Leichtbau und Funktionsintegration über neuartige Material- und Bauteilkonzepte

Faserverbundkunststoffe (FVK) haben sich als Leichtbauwerkstoffe in gewichtskritischen Anwendungen längst etabliert. Getrieben durch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz einer nachhaltigen und ressourceneffizienten Produktgestaltung sind neue Ansätze im werkstofflichen und konstruktiven Leichtbau von entscheidender Bedeutung. Der Einsatz neuartiger Hybridmaterialstrukturen aus Faserverbundkunststoffen und Elastomeren verfügt über das Potenzial, die Vorteile beider Materialklassen zu kombinieren und dadurch neue Anwendungsbereiche und Eigenschaftsprofile in technischen Anwendungen zu ermöglichen.

In gewichtskritischen Anwendungsbereichen, wie der Luftfahrtindustrie, ist der Einsatz von Faserverbundkunststoffen in den vergangenen Jahrzehnten enorm angestiegen.  Während der Anteil an carbonfaserverstärkten Kunststoffen an der Strukturmasse in den 90er Jahren noch bei 11% (Boeing B777) bzw. 12% (Airbus A320) lag, verfügen moderne Verkehrsflugzeuge über einen FVK-Anteil von mehr als 50% an der Strukturmasse (Boeing B787-8 / Airbus A350 XWB) [1]. Der branchenspezifisch hohe Einsatz von Hochleistungsfaserverbundkunststoffen ist bedingt durch den großen Gewichtseinfluss auf den Kraftstoff- bzw. Energiebedarf. Abhängig von der Branche ist die Bereitschaft die hochpreisigen Entwicklungs- und Herstellungskosten von Faserverbundstrukturen zu tragen unterschiedlich stark ausgeprägt. Während in der Luftfahrtindustrie eine Investition von 500 € pro eingespartem Kilogramm realistisch ist, werden im Automobilbau maximal 7 €/kg aufgewendet, in höherpreisigen elektrifizierten Fahrzeugen zum Teil auch bis zu 18 €/kg. Die Leichtbaukosten unterscheiden sich dabei zudem je nach betrachtetem Bauteil nochmal [2].

Gesellschaftliche Trends, stetig wachsender Wettbewerbsdruck und gesetzliche Rahmenbedingungen stellen Systemhersteller und Zuliefererunternehmen jedoch kontinuierlich vor die Herausforderung ressourceneffizientere Produkte zu entwickeln. Hier spielt neben dem werkstofflichen Leichtbau die konstruktive Funktionsintegration eine bedeutende Rolle. Über den gezielten Einsatz von High-Perfomance-Elastomeren lassen sich Faserverbundkomponenten hinsichtlich der Werkstoffauslastung optimieren und gleichzeitig funktionale Eigenschaften integrieren. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundforschungsprojekt „Elastomerbasierte Dehnungsentkopplung zur Leistungssteigerung von Faserverbundkunststoffen“ (ELFAS, FKZ: 03XP0418C) steht die Entwicklung von torsionstragenden Faserverbundstrukturen im Fokus. Potenzielle Einsatzgebiete der Technologie finden sich in der Fahrwerks- und Antriebstechnik.

Abbildung 2: Schematischer Aufbau einer Hybridantriebswelle / Quelle: IPE

Leichtbau und ressourceneffizienter Werkstoffeinsatz über Strukturoptimierung

Eine hohe spezifische Auslastung der Werkstoffpotenziale ist ein bedeutender Faktor in der Gestaltung ressourceneffizienter Produkte. Faserverbundkunststoffe haben aufgrund ihres einzigartigen Verhältnisses aus hoher Steifigkeit und Festigkeit zu einer geringen Dichte grundsätzlich einen hohen Stellenwert in der Entwicklung von Leichtbaustrukturen. Die Werkstoffe verfügen dabei über eine ausgeprägte Anisotropie: Die Festigkeit entlang der Faserorientierung ist deutlich höher als die Festigkeit quer zur Faser. Die höchste Beanspruchbarkeit wird daher für einachsige Belastungen in Faserrichtung ermöglicht. In technischen Anwendungen liegen üblicherweise jedoch mehrdimensionale Spannungszustände vor, welchen in der Praxis über mehrschichtige Laminataufbauten oder Gewebelösungen begegnet wird. Die Anwendung von Faserverbundkunststoff-Elastomer-Hybridmaterialen ermöglicht eine gezielte Optimierung der Spannungszustände in torsionstragenden Bauteilen, wie Antriebswellen oder Torsionsfedern. Folgende Abbildung zeigt den dreischichtigen Aufbau eines Antriebswellenkonzeptes in Hybridbauweise.

Die Spannungsführung in Nennbeanspruchungsrichtung verläuft über die äußere unidirektionale (UD) Helixwicklung aus einem glasfasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und belastet diesen entlang der 45°-Wickelrichtung. Die innenliegende, gegenläufig gewickelte UD-GFK-Helix wird hierbei auf Druck beansprucht. Eine Zwischenlage aus einem High-Perfomance-Elastomer entkoppelt die beiden Funktionsschichten in ihrer Dehnung, was für eine Reduktion der Querdehnung in den FKV-Bereichen sorgt. Gleichzeitig wird durch die Integration von Entkopplungsspalten, welche für die charakteristische Helixform verantwortlich sind, die Schubbeanspruchung innerhalb der GFK-Lage reduziert.

In Bauteilsimulationen und Funktionsprüfungen wurde der Effekt der elastomerbasierten Dehnungsentkopplung nachgewiesen. Die Prototypenbauteile weisen eine deutlich höhere Torsionstragfähigkeit bei gleicher Bauteilmasse auf.

Funktionsintegration führt zur Reduktion der Systemkomplexität

Die Anwendung der Technologie an torsionstragenden Bauteilen geht mit einer definierten Reduktion der Torsionssteifigkeit einher, welche sich über die Auslegungsparameter einstellen lässt. Für den Anwendungsfall einer Antriebswelle kann so die Steifigkeit des Antriebsstrangs gezielt reduziert werden, um schwingungstechnischen Problemstellungen zu begegnen. Strukturbedingt wird zusätzlich ein definierte Axial- und Radialversatzkapazität ermöglicht. Die Baugröße von zwischengeschalteten Kupplungen kann damit reduziert werden. Einigen Anwendungen bieten zudem das Potenzial für eine vollständige Substitution konventioneller Kupplungen. Insbesondere bei neuen Antriebstechnologien, mit technologiebedingt geringerer Schwingungsenergie bieten Antriebswellen in Integralbauweise hohes Potenzial zur Reduktion der Teilevielfalt durch Funktionsintegration. In jedem Fall wird jedoch eine Reduktion des Bauraums und der Masse des Gesamtsystems erreicht.

Neue Potenziale und Möglichkeiten durch hybride Materialien

Der Einsatz von hybriden Materialtechnologien eröffnet neue Marktpotenziale in unterschiedlichen Branchen. Durch die Nutzung der spezifischen Materialcharakteristika kann Leistungsfähigkeit von Produkten in Hybridbauweise enorm gesteigert werden. Das hier vorgestellte Materialkonzept bietet den Vorteil der Gewichtsreduktion durch optimierte Spannungsführung und Funktionsintegration. Die Reduktion der Teilevielfalt ist ein bedeutendes Ziel in der Entwicklung von marktfähigen und zuverlässigen Gesamtlösungen. Die Gewährleistung der Systemzuverlässigkeit geht mit einer umfangreichen und herausfordernden Material- und Prozessentwicklung einher. Die Anwendung der Hybridmaterialkombination aus FVK und High-Performance-Elastomeren in neuen Produktkonzepten des Bereichs Antriebstechnik wird auf der VDI-Fachtagung „Kupplungs- und Bremssysteme für mobile und stationäre Anwendungen“ 2023 in Karlsruhe vorgestellt.

Literaturverzeichnis

[1] Rieke, J. (2013): Bewertung von CFK-Strukturen in einem multidisziplinären Entwurfsansatz für Verkehrsflugzeuge, CFF – Forschungsbericht 2013-02, TU Braunschweig

[2] Seibel, T. (2020): Wieviel kostet Leichtbau?, SpringerProfessional, Online-Artikel: www.springerprofessional.de/leichtbau/konstruktion---entwicklung/wieviel-kostet-leichtbau-/17788540

Über die Autoren:

Moritz Rayer, M.Sc. ist Oberingenieur am Lehrstuhl für Konstruktion und Kunststoffmaschinen am Institut für Produkt Engineering (IPE) an der Universität Duisburg-Essen und Leiter der Gruppe „Component Testing“

Prof. Dr.-Ing. Reinhard Schiffers ist der Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Konstruktion und Kunststoffmaschinen am Institut für Produkt Engineering (IPE) an der Universität Duisburg-Essen. Mit seinem Team widmet er sich der Forschung im Bereich Prozess- und Komponentenoptimierung in der Kunststofftechnik.