Im Sonderforschungsbereich/Transregio (SFB/TRR) 339 „Digitaler Zwilling Straße“ untersuchen Forschende der TU Dresden und der RWTH Aachen gemeinsam die physikalisch-informatische Abbildung des Systems „Straße der Zukunft“.
Das domänenunabhängige Konzept des digitalen Zwillings beschreibt allgemein die integrierte Abbildung eines realen Objekts der physischen Welt in ein digitales Gegenstück in der virtuellen Welt sowie die enge, systematische Kopplung beider Repräsentationen für den nahtlosen, medienbruchfreien Informations- und Datenaustausch.
Im SFB/TRR 339 wird dieses Konzept auf das System „Straße“ übertragen. Ziel ist es, zukünftig insbesondere den Erhalt und die Unterhaltung der Straßeninfrastruktur zu verbessern. Für die Umsetzung eines „Digitalen Zwillings Straße“ sind zahlreiche grundlegende Fragestellungen zu untersuchen:
- Wie können das physikalische Verhalten der Straße sowie die Interaktion der auf sie wirkenden Einflüssen (insbesondere der Fahrzeuge) computergestützt modelliert werden?
- Wie lässt sich der aktuelle Zustand (as-is) der Straße geometrisch-semantisch in modernen, objektorientierten Informationsmodellen beschreiben?
- Lassen sich relevante Zustandsparameter durch (neuartige) Sensoren in der Straße in ausreichender Güte erfassen?
- Können sensitive Materialien helfen, um Daten über den Zustand des Bauwerks zu sammeln und einen Beitrag zum digitalen Zwilling zu leisten?
- Wie lassen sich Sensordaten performant und robust vom realen Objekt zum virtuellen Gegenstück übertragen?
- Wie kann die enge informationstechnische Verknüpfung zwischen realem und virtuellem Objekt umgesetzt werden?
- Wie lässt sich ein leistungsfähiges Datenmanagement für einen Digitalen Zwilling Straße umsetzen?
- Kann das dynamische Verhalten der Straße computergestützt mit ausreichender Genauigkeit simuliert werden? Wie lassen sich (nahe-)echtzeitfähige Simulationen umsetzen?
Diese exemplarisch aufgeführten Fragestellungen verdeutlichen den hohen Forschungs- und Entwicklungsbedarf, der für die Umsetzung des Konzeptes in der Praxis noch zu leisten ist. Am Beispiel der Generierung von geometrisch-semantischen Bestandsmodellen soll einer der Forschungsgegenstände eingehender erläutert werden.
Ein digitaler Zwilling spiegelt per definitionem stets den aktuellen Zustand des realen Objekts wider. Für das System bedeutet dies, dass u.a. die exakte Form, Lage und Höhe des Bauwerks zuzüglich semantischer Informationen erfasst und digital modelliert werden muss. Im Teilprojekt „Geometrisch-semantisches as-is Modell der Straße“ wird daher untersucht, wie aus hochauflösenden Vermessungsdaten, gewonnen u.a. aus mobilen, flugzeug- oder drohnenbasiertem Laserscanning (Abb. 1, links), geometrisch-semantische as-is Modelle der Straße abgeleitet werden können. Der Fokus liegt dabei auf einer hochautomatisierten Datenverarbeitung, da die manuelle Modellierung aus den großvolumigen Reality-Capture-Daten äußerst zeitintensiv ist und zudem nicht den Anforderungen eines digitalen Zwillings gerecht wird. Neben einem neuen Datenmodell, das mehrere Detaillierungsgrade umfasst, wird vor allem eine neue Prozesskette entwickelt. Dabei werden die Daten sequenziell in mehreren Schritten von der Vorverarbeitung über die Segmentierung und Klassifizierung bis zur Geometrie- und Objekterzeugung verarbeitet und schrittweise weiter veredelt. Für die automatisierte Dateninterpretation und Modellierung werden dabei insbesondere Künstliche Intelligenz (KI)-gestützte Verfahren entwickelt. Im Ergebnis entsteht aus den Eingangsdaten in kürzester Zeit ein objektorientiertes geometrisch-semantisches as-is Modell der Straße (Abb. 1, rechts), das je nach Detaillierungsgrad für unterschiedliche Anwendungsfälle optimiert ist und Schnittstellen sowohl zur Bauwerksinformationsmodellierung (Building Information Modeling, BIM) als auch zur Geoinformationsmodellierung (Geospatial Information Modeling, GIM) aufweist. Das Modell soll daher sowohl mit BIM- als auch GIS-Software verarbeitet werden können.