12.07.2016
Haftung und Verantwortung für Brandschutz und Sicherheit am Bau
Das massiv gestiegene Problembewusstsein im Bereich Brandschutz und Sicherheit und die damit verbundene gestiegene „Haftungsschärfe“ ist oftmals in der Praxis Anlass für (leider oftmals berechtigte) Rechtsunsicherheiten bei den beteiligten verantwortlichen Personen. Angesprochen sind hiermit vor allem die planenden Architekten und Ingenieure, sowie die bauausführenden Unternehmer. Im Folgenden sollen einige wesentliche Grundaspekte aufgezeigt werden:
1. Verantwortung und Haftungsrisiken des Planers und Ausführenden
Sowohl der planende Architekt/Ingenieur, als auch der ausführende Bauunternehmer müssen sich stets vor Augen halten, dass die rechtliche Grundlage ihres Handelns und der hieraus resultierenden Pflichten und Verantwortlichkeiten in aller Regel der Werkvertrag gemäß § 631 BGB ist. Dieser ist in wesentlicher Unterscheidung zum Dienstvertrag (§ 611 BGB) dadurch gekennzeichnet, dass der beauftragte Vertragspartner anstatt der bloßen Tätigkeit den Erfolg schuldet. Mit anderen Worten: nicht die bloße Tätigkeit des Unternehmers wird bezahlt, sondern der im Rahmen des Werkvertrages vereinbarte Erfolg.
Hierdurch steht er auch grundsätzlich kraft Gesetz für das hiermit verbundene übernommene Erfolgsrisiko gerade. Zwar kann das Erfolgsrisiko grundsätzlich vertraglich auch in gewissen Grenzen auf den Auftraggeber übertragen werden. Hierbei bedarf es jedoch einer klaren vertraglichen Vereinbarung, wobei sich der Auftraggeber gemäß neuester Rechtsprechung auch noch über das hiermit verbundene übernommene Risiko wissentlich im Klaren sein muss.
Abgesehen davon darf auch im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung dem Auftraggeber kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden (Vgl. § 9 AVOB/A, ggf. in analoger Anwendung). Mit anderen Worten: derjenige, der einen Werkvertrag schließt, muss sich über das Risiko der damit verbundenen Erfolgsschuld im Klaren und über die konkreten Auswirkungen bewusst sein. Vertragliche Verlagerungen auf den Auftraggeber sind in der Praxis die absolute Ausnahme (da oftmals auch nicht gewünscht) und eine Reihe von rechtlichen Besonderheiten und Fallstricken unterworfen.
Gerade auf dem Sachgebiet des Bauens im Bestand ist zusätzlich adressiert an den Planer darauf hinzuweisen, dass dieser im Zusammenhang mit dem von ihm übernommenen Erfolgsrisiko eine hohe Verpflichtung zur Untersuchung des Bestandes und der Frage trifft, ob das vom Auftraggeber beabsichtigte und gewünschte Bauvorhaben überhaupt realisierbar ist (hierzu siehe aktuelles Urteil für ein falsch ausgeführtes Fundament im Bestand: OLG Az: 22 U 12/13, IBR 2016, 296).
Oftmals in der Praxis vernachlässigt werden auch die den Auftragnehmer (gleich ob als Planer oder ausführender Unternehmer) treffenden Pflichten zur Bedenkenanzeige und zu Hinweisen, wenn er Probleme im Hinblick auf die Realisierbarkeit bei der Planung oder dem jeweils vom Auftraggeber gewünschten Vorgaben erkennt oder erkennen muss. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass beispielsweise der Auftragnehmer trotz eines vorher vorhandenen Planungsfehlers die volle Haftung für hieraus resultierende Schäden trifft. Auf der anderen Seite ist auch der (Fach-)Planer dazu verpflichtet, seinen Auftraggeber auf planerische Unstimmigkeiten seiner Vorgaben hinzuweisen (siehe aktuelles Urteil für falsch geplante Aufhängungen für Fassadenelement, da gem. Planung eine starre Verbindung durch Verschweißung ohne thermische Ausdehnungemöglichkeit vorgesehen war - Folge: Risse in der Fassade, OLG Köln Az: 15 U 214/11, IBR 2016, 294.
2. Baustellenpraxis:
Die wichtigste Schnittstelle zur Brandschutzplanung und zum Brandschutzkonzept
Gerade in der Phase der Bauausführung zeigen sich oftmals erst die Ausführungsprobleme angesichts der konkreten Umstände vor Ort. Dabei ist es vor allem Aufgabe des Objektüberwachers, die Ausführung auf Übereinstimmung der Planung, den vertraglichen Vorgaben, sowie auf die einschlägigen rechtlichen Grundlagen (beispielsweise „Anerkannte Regeln der Technik“, technische Regelwerke, etc.) zu überprüfen.
Weiterhin bestehen diesbezüglich auf seiner Seite entsprechende Aufsichts- und Organisationspflichten, die jedoch vertraglich variiert werden können. Angesprochen ist dabei beispielsweise der Einsatz eines (gegebenenfalls gesetzlich vorgeschriebenen) Sicherheits- und Gesundheitskoordinators. Im Falle von mehreren „Überwachern“ auf der Baustelle ist es in der Praxis oftmals angezeigt und hilfreich deren Verantwortlichkeiten sowohl sachlich wie auch örtlich klar abzugrenzen.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass bei einem Verschulden sowohl auf Seiten des Überwachers als auch des ausführenden Unternehmers der hieraus resultierende Schaden in aller Regel in den Bereich der sogenannten „gesamtschuldnerischen Haftung“ am Bau fällt. Dies bedeutet, dass der geschädigte Bauherr beziehungsweise Auftraggeber gemäß § 421 ff. den vollen Schaden gegenüber beiden oder auch nur nach seiner Wahl einem von beiden geltend machen kann. Sofern er hiermit Erfolg hat, müssen sodann die gesamtschuldnerisch ihm gegenüber haftenden Personen (beispielsweise Objektüberwacher und ausführender Unternehmer) intern den Schadensausgleich je nach ihren Verschuldensanteilen betreiben. Der Auftraggeber hat hiermit somit nichts mehr zu tun.
Weiterhin ist unter Adressierung an den verantwortlichen Objektüberwacher vor dem Hintergrund der neuesten Rechtsprechung darauf hinzuweisen, dass gerade im Zusammenhang mit Lieferscheinen und sonstigen Materialnachweisen verpflichtet ist, diese zumindest bei Indizien auf etwaige Unstimmigkeiten sorgfältig zu überprüfen. Das entscheidende Gericht hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass eine Bauüberwachung nicht am Schreibtisch stattfinden darf, sondern vor Ort im Rahmen der voranstehend beschriebenen Kriterien erfolgen muss.
3. Rechtssicheres Verhalten bei Baustellenproblemen
Abgesehen von den voran beschriebenen rechtlichen Vertrags- und Sorgfaltspflichten treffen sowohl den Objektüberwacher als auch den ausführenden Unternehmer auf der Baustelle darüber hinaus eine Reihe von gesetzlich oftmals nicht näher geregelten Verkehrssicherungspflichten. Hierbei handelt es sich sozusagen um „ungeschriebene Rechtspflichten“, die sich aus den konkret entstandenen Sachverhalt ergeben. In der Praxis handelt es sich hierbei oftmals um eine Gefahrenlage, die sich an der Baustelle zeigt und die sodann die verantwortlichen Personen zum Handeln in Form der Gefahrenbeseitigung verpflichtet. Die Besonderheit bei der Verkehrssicherungspflicht ist es, dass diese relativ weitgehend vertraglich im Vorhinein geregelt werden können.
Jedoch müssen sich alle Personen, welche sich auf der Baustelle oder im Umkreis davon bewegen wissen, dass Jedermann bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben eines Anderen verpflichtet ist, diese im Rahmen des Zumutbaren zu beseitigen. Der klassische Fall ist in diesem Zusammenhang beispielsweise die vergessene Abdeckung über einem Schacht, welche schlichtweg vom Verantwortlichen vergessen wird.
Bemerkt diese konkrete Gefahrenlage sodann ein Anderer (beispielsweise ein anderer beteiligte Bauunternehmer, der daran vorbeigeht und dies erkennen muss), so treffen ihn auch entsprechende Handlungspflichten, die gegebene Gefahrenlage im Rahmen des Zumutbaren zu beseitigen.
Es liegt auf der Hand, dass solche Situationen im Hochgefahrenbereich Baustelle regelmäßig vorkommen.
Gefordert ist hiermit – auch zur eigenen Haftungsvermeidung – nicht nur das „offene Ohr“ des Bauüberwachers für ihm zugetragene Indizien für Unstimmigkeiten, sondern auch ein „offenes Auge“ für jede Person, die sich auf der Baustelle befindet. „Wer wegschaut riskiert Haftung!“