Gleitlager – Nicht nur ein Stück gebogenes Blech

Stahl-Alu

Stahl-Alu-IROX®

Stahl-Bronze-IROX®2

Stahl-Bronze-Galvanik

Quelle: Tenneco

Innovative Stahl-Bronze/Stahl-Aluminium Verbundwerkstoffe und deren Beschichtungen – Auszug aus Berechnungsmethoden, Komponenten- und Motorentests

Gleitlager zählen zu den am meisten verbreiteten Maschinenelemente und werden jährlich milliardenfach verbaut. Allein die Firma Tenneco (vormals Federal-Mogul/Glyco) produziert als globaler Marktführer jährlich annähernd eine Milliarde Gleitlager. Diese werden sowohl im hydrodynamischen Betrieb, z.B. in Verbrennungsmotoren und Maschinen, als auch im Trockenlauf in mannigfaltigen Anwendungen wie z.B. in Sitzverstellern, Türscharnieren, Schwingungsdämpfern und vielem mehr eingesetzt. 

Gleitlager für hydrodynamische Anwendungen in Verbrennungsmotoren bestehen i.d.R. aus einem Stahlstützkörper, einem Substratwerkstoff (Aluminiumlegierung oder Bronze) und werden für höchste Anforderungen zusätzlich mit einer Gleitschicht versehen.

Hingegen bestehen sogenannte „Trockengleitlager“ i.d.R. aus einer porösen Bronze-Sintermatrix mit einer Imprägnierung, z.B. aus PTFE oder einem Thermoplast.

Den hier beschriebenen Gleitlagerwerkstoffen gemein sind die Anforderungen nach einer sehr wirtschaftlichen Herstellung bei gleichzeitig hohen bis höchsten Belastungsfähigkeiten in unterschiedlichsten Anwendungsfällen der Motorenhersteller und der Industrie.

Dieser Fachartikel fokussiert sich auf die Gleitlager in Verbrennungsmotoren.

In den vergangenen Jahrzehnten sind die motorischen Anforderungen stetig gestiegen. Um nur einige wenige Aspekte zu benennen, führte die Effizienzsteigerung mit Einführung niedrigviskosere Öle, Start-Stopp Technik und Hybridisierung dazu, dass Fressverhalten und Verschleißbeständigkeit stets verbessert werden mussten. Hinzu kamen gesetzliche Anforderungen wie z.B. das Verbot von Blei, welche eine neue Herausforderung für die Partikelverträglichkeit der eingesetzten Werkstoffe bedeutete. Um diesen Anforderungen, bei gleichzeitig gestiegenen Zünddrücken gerecht zu werden, bedarf es den Einsatz von Verbundwerkstoffen.

Diese Verbundwerkstoffe bestehen aus bis zu 5 Schichten und müssen unterschiedlichste, ja meist konträre Anforderungen, bestmöglich ertragen. Die hier näher beschriebenen Verbundwerkstoffe bestehen immer aus einem Stahlstützträger, auf den dann in einem Durchlaufverfahren entweder Bronze- bzw. Aluminium-Legierungen aufgebracht werden. Dieser Verbund trägt die Hauptlast, in hochaufgeladenen Motoren können das bis zu 110MPa spezifischer Belastung sein. Aluminium-Verbundwerkstoffe benötigen, je nach Anwendung, nicht zwingendermaßen eine zusätzliche Gleitschicht.

Speziellen Anforderungen werden dann Lagerschalen mit zusätzlichen Gleitschichten gerecht. Diese werden dann auf die fertiggebohrte Lagerschale, mit einer Dicke von ca. 6…20µm aufgebracht und verbessern dann z.B. den Einlauf, die Belastungsfähigkeit bzw. die Verschleißbeständigkeit. 

Für die Beschichtung stehen Polymer- (IROX®), Galvanik- bzw. Sputterbeschichtungsprozesse zur Verfügung und werden je nach Anforderung ausgewählt. Es bleibt zu erwähnen, dass Bronzen immer eine zusätzliche Gleitschicht benötigen.

Zur bestmöglichen Werkstoffauswahl stehen dann neben der Expertise erfahrener Anwendungsingenieure, umfangreiche Analysetools zur FEM-Modellierung bzw. EHD-Berechnung zur Verfügung. Damit lassen sich neben der Erstauslegung auch Parameterstudien sowie schadensanalysetechnische Berechnungen durch hochqualifizierte Experten durchführen. Das nachfolgende Beispiel aus einer Pleuellageranwendung zeigt beidseitige Kantenermüdung eines Aluminium-2-Stoff Lagers. Mittels der EHD-Simulation konnte nachgewiesen werden, dass für diesen Anwendungsfall, ein um 3µm ballig ausgeführtes Gleitlager, der Kontaktdruck im Kantenbereich um 86% reduziert werden konnte. Somit konnte die Kantenermüdung unter Beibehaltung des Lagerwerkstoffs gelöst werden.

Quelle: Tenneco

Unterstützend stehen des Weiteren über 20 Prüfstände zur Verfügung, welche in Abstimmung mit dem Kunden, gezielte anwendungsspezfische Tests ermöglichen. Dabei handelt es sich um Fress-, Verschleiß-, Belastungs- sowie Partikelverträglichkeitstests. 

Solche außermotorischen Tests lassen sich zur Untersuchung verschiedener Werkstoffe um ein Vielfaches kostengünstiger im Vergleich zu sonst teuren Motorentests durchführen.

Urschmutz und Partikelverträglichkeit stehen seit der Einführung von bleifreien Lagerwerkstoffen im Jahr 2011 unter besonderem Fokus. Bei unzureichender Performance können Lagerwerkstoffe bereits unmittelbar im Kalttest am Ende einer Montagelinie zum kapitalen Lagerschaden führen. Bleihaltige Werkstoffe stellen in dieser Disziplin den Benchmark dar. 

Durch kontinuierliche Weiterentwicklung konnte ein Niveau bei der Partikelverträglichkeit von hochfesten bleifreien Stahlbronze-Galvaniklagerschalen erreicht werden welches in der Vergangenheit den bleihaltigen Lagerwerkstoffen vorbehalten war.

Ein speziell entwickeltes 1-Zylinder Partikelverträglichkeits-Testverfahren ermöglicht einen direkten Vergleich unterschiedlichster Werkstoffe ohne weitere Einflüsse von außen. Dabei können Partikelarten, wie Stahlspäne, Korund- oder Siliziumpartikel sowie das Öl variiert werden.

Das nachfolgende Diagramm zeigt eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit eines hochfesten bleifreien Stahlbronze-Galvanikverbunds der neuesten Entwicklung „Gen2 – Galv“, getestet am Partikeltestprüfstand. Das Diagramm stellt den Vergleich zu Polymerbeschichteten Gleitlagern „Gen1 – Poly“ und Galvaniklagern der ersten Generation „Gen1 - Galv“ sowie zu bleihaltigen Werkstoffen dar.

Quelle: Tenneco

Das Bild daneben zeigt ein Testergebnis aus einem realen 6-Zylinder Nutzfahrzeug Reihenmotor. Dabei wurden drei Lagerstellen mit bleifreien Polymerbeschichteten Lagerschalen der 1. Generation „Gen1 – Poly“, die anderen drei Lagerstellen mit hochfesten bleifreien Stahlbronze-Galvaniklagerschalen der neuesten Generation „Gen2 – Galv“ gefahren. Die Gegenschalen waren jeweils Aluminium 2-Stofflager.

Das Ergebnis deckt sich dabei sehr gut mit dem 1-Zylinder Partikeltest.

Weitere Details zum Fachartikel werden im Rahmen der VDI-Vortragsreihe „Schadensmechanismen an Lagern 2024“ am 17./18. April in Aachen vorgetragen.

Autor des Artikels:

Quelle: Tenneco

Joachim Häring

Chief Engineer bei Tenneco in Wiesbaden

  • 57 Jahre alt
  • Seit 2001 bei Tenneco (vormals Federal-Mogul)
  • Einstieg als Anwendungsingenieur für Gleitlager mit steigenden Verantwortlichkeiten
  • Heute zuständig als Chief Engineer der Gleitlagersparte im Bereich Powertrain