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08.12.2017

Gefährliche Inkompetenz?

70 % aller Gefährdungsanalysen von Trinkwasser-Installationen sind schlecht gemacht

Wenn in einer Trinkwasser-Installation der technische Maßnahmenwert für Legionellen überschritten wird, ist nach Trinkwasserverordnung §16 (7) eine Gefährdungsanalyse durchzuführen. Nach Umsetzung der daraus entwickelten Maßnahmen sollen die Trinkwasser-Installation wieder bestimmungsgemäß zu betreiben und insbesondere das abgegebene Wasser wieder gesundheitlich unbedenklich sein. 

Die Trinkwasserverordnung basiert auf dem Besorgnisgrundsatz. Das bedeutet, dass schon dann, wenn Anlass zur Sorge gegeben ist, etwas passieren muss. Im §4 (1) stellt die TrinkwV2001 fest, dass a priori kein Anlass zur Sorge gegeben ist, wenn „mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und das Trinkwasser den Anforderungen der §§ 5 bis 7a entspricht“.

(Diese Paragrafen enthalten mikrobiologische, chemische und radiologische Anforderungen.)

In Alltagssprache übersetzt, bedeutet das: Eine Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT) ist ein Mangel. Gefährdungen lassen sich nicht ausschließen. Die Anforderung an eine Gefährdungsanalyse ist also einfach, sollte man meinen: Der Analyst muss „nur“ alle aaRdT für Trinkwasser kennen und hat alle Abweichungen aufzunehmen und Korrekturen vorzuschlagen. Abhilfe ist dann dadurch zu schaffen, dass wieder Konformität mit den aaRdT hergestellt wird.

Aber: Die aaRdT für Trinkwasser gelten für Planung, Errichtung und Betrieb. Der Analyst muss also einen Haufen Regelwerke auf jeweils aktuellem Stand kennen und anwenden können. Nun ist das für eine einfache Trinkwasser-Installation, wie die meisten von uns sie daheim im Wohnhaus haben, noch eine übersichtliche Sache. Aber viele Gebäude sind doch deutlich komplexer aufgebaut: Denken Sie an ein Vier-Sterne-Hotel mit 500 Zimmern, Küche, Restaurant, Wellnessbereich mit Swimming-Pool, Verdunstungskühlanlage und Niederschlagwassernutzung. Da ist schon die Ortsbegehung, die zwingender Bestandteil jeder Gefährdungsanalyse ist und bei der alle Teile der Trinkwasser-Installation angeschaut werden müssen, ein mehrtägiges Unterfangen. Und was ist mit Leitungen, die unter Putz verlegt werden? Ganz einfach: Wenn nicht eindeutig geklärt werden kann, ob nicht doch Verzweigungen o. a. vorhanden sind, müssen Wände geöffnet werden. Sie merken schon: So eine Gefährdungsanalyse ist kein Spaß: Sie ist teuer und aufwändig.

„Teuer und aufwändig“ heißt für den Analysten: Man kann viel Geld damit verdienen.

„Teuer und aufwändig“ heißt für den Anlagenbetreiber: Neben den direkten Kosten hat er noch Einschränkungen hinzunehmen. 

Damit sind „preiswerte und einfache“ Gefährdungsanalysen sehr begehrt. Eine solche hat vermutlich auch der Betreiber eines Vier-Sterne-Hotels vor einigen Monaten zunächst beauftragt. Er bekam sein Gutachten und auch Lösungsansätze geliefert, die er in gutem Glauben umgesetzt hat. Schade nur, dass das Problem (Legionellen) ein paar Monate später wieder da und schlimmer als zuvor war und das gesamte Hotel über Wochen geschlossen werden musste.

Dadurch bekamen „teuer und aufwändig“ eine andere Dimension: Der Anlagenbetreiber hatte immense Kosten und der Analyst sieht sich mit einer Klage konfrontiert.

Wie kann das passieren?

Gefährdungsanalysen sind nicht genormt. Die TrinkwV umschreibt, was damit gemeint ist, und selbst die UBA-Empfehlung zur Gefährdungsanalyse lässt noch viel Spielraum für Interpretationen, sowohl hinsichtlich des Inhalts als auch hinsichtlich der nötigen Qualifikation des Analysten.

Der Auftraggeber einer Gefährdungsanalyse ist meist Laie in Bezug auf Trinkwasserhygiene. Er will die Anlage sicher – auch rechtssicher – betreiben. Er kann die Qualifikation eines vorgeblichen Fachmanns nicht beurteilen. Ein Titel wie „Zertifizierter Sachverständiger nach Trinkwasserverordnung“ klingt da erst einmal toll, auch wenn er – mit Verlaub – Unfug ist, denn die Trinkwasserverordnung tut vieles, definiert aber keinen solchen Sachverständigen.

Ein Gefährdungsanalyst soll die Arbeit anderer Fachleute, der planenden Ingenieure und der ausführenden Anlagenbauer und Installateure beurteilen. Er kann also kein „Durchschnittsexperte“ sein, sondern muss mehr wissen als die meisten in der Branche. Die Experten im Bereich der Sanitärtechnik im VDI haben sich dieses Problems angenommen und zusammen mit dem Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung BTGA und dem Zentralverband Sanitär Heizung Klima ZVSHK eine Lösung entwickelt: Zum 1.1.2018 wird die Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 als Weißdruck vorliegen, die nicht nur einen Standard für die Gefährdungsanalyse vorgibt, sondern auch ein Zertifizierungsmodell für besonders qualifizierte Fachleute, die Gefährdungsanalysen durchführen möchten. Die Richtlinie und das Zertifizierungsmodell wird der VDI auf einem Expertenforum am 9.1.2018 in Düsseldorf vorstellen. Die Träger der Richtlinie hoffen, dass die Betreiber als Auftraggeber von Gefährdungsanalysen dieses Angebot nutzen ebenso nutzen, wie seriöse und qualifizierte Fachleute das Angebot nutzen, sich zertifizieren zu lassen:

Wer einen VDI/BTGA/ZVSHK-anerkannten Sachverständigen TWH (Trinkwasserhygiene) beauftragt, hat eine sehr gute Chance, sein Problem zu lösen, anstatt es zu verschlimmern. Und wer sich als „TWH“ zertifizieren lässt, darf das Prüfzeichen „Nach VDI-Richtlinie geprüft“ mit dem blauen VDI-Logo nutzen und kann damit seine überdurchschnittliche Kompetenz am Markt verdeutlichen.

Der Ruf nach dem Gefährdungsanalysten wird erst laut, wenn schon etwas schief gelaufen ist. Damit das gar nicht erst passiert, empfiehlt sich die Beauftragung nachweislich kompetenter Fachleute. Die VDI-GBG-Partnerschulungen nach VDI/DVGW 6023 bieten Ingenieuren und Handwerkern die Möglichkeit, mit einer Urkunde der Kategorie A (Planung und Errichtung) bzw. B (Errichtung) den Nachweis geeigneter Fortbildung anzutreten.