Fachkräfte händeringend gesucht
Mit gezielter Weiterbildung können sich Mitarbeitende erfolgreich neue berufliche Perspektiven eröffnen
Volle Auftragsbücher, aber zu wenig Personal: Der akute Fachkräftemangel wird immer mehr zum Hemmschuh für die Geschäftsentwicklung. Der Status quo ist bekannt, mit einer Lösung tun sich viele Unternehmen hingegen noch schwer. Klar ist eines: Nur wer ein unverwechselbares Profil als Arbeitgebermarke („Employer Branding“) entwickelt, kann vorhandene Mitarbeitende erfolgreich an sich binden – und neue gewinnen.
Demographische Veränderungen und die Folgen für den Arbeitsmarkt
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit fehlen in Deutschland aktuell 1,2 Millionen Arbeitskräfte, zwei Drittel davon sind Fachkräfte. Betroffen sind insbesondere die MINT-Berufe, aber auch das Handwerk sowie der Gesundheits- und Erziehungssektor. Ein Blick auf die demographische Entwicklung zeigt, dass sich die ohnehin schon angespannte Fachkräftesituation in den kommenden Jahren weiter zuspitzen wird: Der Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland verändert sich rapide, nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes geht vor allem der Anteil der arbeitenden Menschen zurück – um fast vier Millionen bis 2030. Die Generation der Babyboomer verabschiedet sich sukzessive in den Ruhestand und hinterlässt in vielen Unternehmen kaum zu schließende Lücken. Aus mittelständischen Unternehmen wird berichtet, dass in den kommenden zehn Jahren bis zu einem Viertel der Belegschaften altersbedingt ausscheiden wird.
Drei Viertel der Unternehmen klagen über Fachkräftemangel
Den verantwortlichen Personen in den Unternehmen ist dieser Umstand bekannt. 73 Prozent und damit fast drei Viertel der befragten Entscheider berichten von Fachkräfteengpässen in ihrem Betrieb. Das hat eine repräsentative Civey-Befragung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ergeben. Zum Vergleich: 2021 hatten zwei Drittel (66 Prozent) der Unternehmen über fehlendes Personal geklagt, 2020 „nur“ etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent). Dabei steigt vor allem die Nachfrage nach Fachkräften mit Berufsausbildung deutlich an, etwas entspannter ist die Lage in den Unternehmen laut Umfrage, wenn es um Akademiker:innen geht.
Drei Lösungsansätze beim Employer Branding
Angesichts dieser Ausgangslage kommen grundsätzlich drei Ansätze infrage:
- Bindung der Mitarbeitenden verbessern
- Mitarbeitende weiter- und umqualifizieren
- Neue Fachkräfte gewinnen
Mitarbeiterbindung: Ohne authentische Unternehmenskultur geht es nicht
Eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung bringt klare Vorteile mit sich: Sinkende Fluktuationsraten und eine hohe Motivation zählen ebenso dazu wie geringere Kosten für die Personalsuche. Wichtig dabei: Mitarbeitende binden sich an Unternehmen – und nicht umgekehrt. Als erster Schritt zur Arbeitgebermarke ist es daher unerlässlich, die Perspektive der Belegschaft einzunehmen, deren Erwartungen und Anforderungen besser zu verstehen und passende Angebote zu entwickeln.
In diesem Zuge sind Unternehmen gefordert, ihr individuelles Profil als Arbeitgeber zu schärfen – allerdings nicht mit austauschbaren Sprechblasen, sondern mit belegbaren Aussagen und Werten. Etiketten und Versprechungen, die nicht der Realität im Betrieb entsprechen, werden rasch durchschaut. Mitarbeitende spüren, ob Unternehmenskultur, Kommunikation und Wertschätzung authentisch sind. Echtes Interesse bildet somit die zentrale Währung des Employer Branding. Nur so können Unternehmen kontinuierlich an der Zufriedenheit der Belegschaft arbeiten und in das Miteinander investieren. Zu zentralen Bestandteilen zählen dabei individuelle und überzeugende Benefits, die über das Gehalt hinausgehen und einen echten Mehrwert bieten. Dieses Instrument hat nicht für die Mitarbeiterbindung, sondern auch für das Recruiting eine zentrale Bedeutung.
Weiterbildung und Qualifizierung als Chance nutzen
Darüber hinaus bleiben in zahlreichen Unternehmen noch schlummernde Potenziale von Mitarbeitenden ungenutzt. Qualifizierungsangebote können dazu beitragen, den Bedarf an Fachkräften mit internen Ressourcen zu decken. Eine vorausschauende Personalentwicklung ist darauf bedacht, diese Optionen zu nutzen. Kreative Ansätze und ein wachsender Stellenwert für die Weiterbildung sind gefragt – sowie die entsprechenden Freiräume dazu. Angesichts des Fachkräftemangels kommt es darüber hinaus auf mehr Flexibilität bei Arbeitszeitmodellen und dem mobilen Arbeiten an. Konsequent umgesetzt, kann New Work auch zu neuen Angeboten etwa für Mütter und Väter oder für ältere Mitarbeitende führen – und die Attraktivität als Arbeitgeber bei diesen Gruppen steigern.
So können sich Fachkräfte erfolgreich positionieren
Für Mitarbeitende selbst verbindet sich mit der Qualifizierung in Zukunftstechnologien die Chance, neue berufliche Perspektiven zu erschließen – ob beim jetzigen oder einem anderen Arbeitgeber. Auch die Möglichkeiten für Quereinsteiger, also für einen Branchenwechsel, sind heute deutlich attraktiver als noch vor wenigen Jahren. Mit etwas Mut können sich Fachkräfte selbst neu erfinden und dank gezielter Weiterbildung ihre Positionierung am Arbeitsmarkt erheblich verbessern. Um bei potenziellen Arbeitgebern zu überzeugen, sollten Qualifizierungen drei Basisanforderungen erfüllen: eine Wissensvermittlung mit hohem Niveau auf dem aktuellen Stand der Technik, eine schriftliche Bestätigung des Lernerfolgs von renommierter, unabhängiger Seite wie dem VDI Wissensforum sowie ein möglichst direkter Praxisbezug der Seminarinhalte.
Aktives und zielgerichtetes Recruiting
Ein weiteres zentrales Handlungsfeld für Unternehmen bildet das Recruiting – nicht mehr mit der Gießkannenmethode in Form beliebig veröffentlichter Stellenangebote, sondern zielorientierter. Was ist zu tun, um für Stellensuchende attraktiv zu erscheinen? Auch wenn sich diese Frage nicht pauschal beantworten lässt, ist eines selbstverständlich: Finanzielle Aspekte – Festgehalt und mögliche Boni – stellen nur einen von mehreren Faktoren dar. Da sich bewerbende Personen heute häufig beliebig zwischen mehreren beruflichen Optionen entscheiden können, gewinnen weitere, weiche Faktoren stark an Bedeutung. Karriereperspektiven, Aufstiegs- und persönliche Entwicklungschancen sind vielen wichtig – und sollten daher von Unternehmen schon in der Bewerbungsphase aktiv kommuniziert werden. Hinzu kommen emotionale Aspekte – nicht nur der Generation Z kommt es darauf an, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Gemeinsame Werte und Ziele, Nachhaltigkeit und die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen, haben heute für viele Menschen bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes eine zentrale Bedeutung.
Aus Mitarbeitenden werden Markenbotschafter:innen
Bei einer hohen Zufriedenheit mit der aktuellen Position sind zufriedene Mitarbeitende oft auch die besten Markenbotschafter:innen und stehen glaubwürdig und authentisch für das Arbeitgeberprofil ein. In vielen Unternehmen ist es daher mittlerweile üblich, Empfehlungen und Vermittlungen zu honorieren. Voraussetzungen für diese Form des Empfehlungsmarketings sind allerdings eine echte Identifikation und hohe Mitarbeiterbindung – damit schließt sich wiederum der Kreis zu den Werten und der Kultur des jeweiligen Unternehmens.