Fachingenieur*innen für die Energiewende

Die Energiewende muss nicht nur gewollt, sondern auch umsetzbar sein. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Gebäudetechnik auf den optimierten Einsatz fossiler Energieträger fokussiert. Eine kurzfristige Energiewende im Gebäudebestand ist daher ebenso ambitioniert wie der Umbau aller aktuell genutzten Kraftfahrzeuge auf alternative Antriebssysteme.


Gesetze und Vorschriften allein reichen jedoch nicht aus, um Veränderungen rasch herbeizuführen. Fördermaßnahmen können dabei unterstützend wirken und Prozesse in Gang setzen, doch die Ergebnisse müssen am Ende wirtschaftlich, einfach nutzbar und ökologisch sinnvoll sein. Das Ziel: eine Ausrichtung auf eine regenerative und volatile Energiezukunft.

So einfach das formuliert werden kann, so schwierig ist es, dies in der Praxis umzusetzen. Alle Gebäude sind Unikate – mit spezieller technischer Gebäudeausrüstung, individuellen Nutzungsprofilen und in der Regel nicht für einen netzdienlichen Betrieb oder eine volatile Energieversorgung ausgelegt. Zudem bleibt oft unklar, woher die benötigte regenerative Energie kommt und wie sie bis an die Gebäude herangeführt werden soll.

An Hochschulen liegt in der Ausbildung der Fokus primär auf Neubauten. Auch in der Praxis orientieren sich Planung und Bauverfahren hauptsächlich am Neubau. Die Umstellung von Bestandsgebäuden auf regenerative Energien erfordert jedoch andere Ansätze, Technologien und Verfahren. Dieses Wissen wird derzeit oft nur autodidaktisch erworben und nicht systematisch, nachhaltig oder übergreifend vermittelt.

Der VDI hat deshalb in Zusammenarbeit mit erfahrenen Fachleuten ein neues Weiterbildungsprogramm entwickelt. Dieses vermittelt die zentralen Kompetenzen,
um Bestandsgebäude ökologisch und ökonomisch zu transformieren.

Zentrale Fragen bei der Transformation

Die wichtigsten Fragen bei der Transformation eines Gebäudes oder einer Liegenschaft – gegebenenfalls auch eines gesamten Sektors – lauten:

  • Wie viel Energie wird benötigt?
  • Welche Energiearten werden verwendet und wie sieht der zeitliche Leistungsbedarf aus?

In Bestandsgebäuden lassen sich diese Fragen nicht allein durch Jahresabrechnungen beantworten. Auch fehlen oft Messeinrichtungen, um die Daten nachträglich zu erfassen.  Ingenieur*innen und Techniker*innen müssen daher vor Ort messen, berechnen und abschätzen können.

Gleichzeitig sollten die ermittelten Daten nicht unmittelbar als Planungsgrundlage für ein alternatives Energieversorgungssystem dienen. Es bleibt nämlich häufig unklar, ob die bestehenden Systeme optimal arbeiten oder unnötige Energieverluste erzeugen. Werden Anlagen zur richtigen Zeit, mit der korrekten Leistung und nur für tatsächlich genutzte Bereiche betrieben? Diese Fragen können nur durch eine Simulation des Gebäudes beantwortet werden. Dabei lassen sich oft auch die größten energetischen Schwachstellen – sogenannte „Low Hanging Fruits“ – identifizieren und bei Sanierungsmaßnahmen direkt beheben.

Wichtig ist, dabei die bauphysikalischen Konsequenzen zu berücksichtigen. Wie hoch sind die Einsparungen? Entsprechen sie den gesetzlichen Vorgaben zur Energieeinsparung und zur Nutzung erneuerbarer Energien? Auch der Nutzungskomfort muss beachtet werden: Erfüllen geplante Low-Ex-Heizungs- und Kühlsysteme die thermischen Komfortanforderungen? Und lassen sie sich minimal-invasiv in das Bestandsgebäude integrieren?

Regenerative Energiequellen und deren Einsatz

Stehen Leistungsprofile und Energiemengen fest, stellt sich die Frage: Woher soll die regenerative Energie kommen?

  • Soll die Energie direkt auf dem Gelände des Gebäudes, der Liegenschaft oder im Sektor erzeugt werden?
  • Oder soll sie über bestehende oder neue Netze zum Gebäude geführt werden?

Dabei müssen verfügbare Systeme geprüft werden: Können sie das Gebäude mit thermischer Energie auf hohem oder niedrigem Temperaturniveau versorgen? Welche Energiequellen nutzen sie, und welche Auswirkungen haben diese auf Umwelt und Kosten? Außerdem beeinflusst die Art der Energieversorgung die technischen Gebäudeausrüstungssysteme (TGA). Noch gar nicht berücksichtigt sind dabei die Anforderungen an Netzdienlichkeit und die dafür benötigten Speicherlösungen.

Der VDI-Zertifikatskurs

All diese Fragen sowie mögliche Antworten darauf werden im VDI-Zertifikatskurs behandelt. Die Teilnehmenden erhalten einen umfassenden Überblick über aktuell verfügbare Technologien zur Gebäudetransformation. Sie lernen, als Planer*innen, Ausführende oder Teilnehmende eines Transformationsprozesses kompetent zu agieren, sinnvolle Konzepte zu erkennen und von unrealistischen Ideen mit hohem technischem Risiko zu unterscheiden.

Neben ökologischen und ökonomischen Zielen streben viele auch eine Wertsteigerung ihrer Gebäude oder Liegenschaften an. Hierfür kommen Zertifizierungsverfahren wie DGNB, LEED, BREEAM oder das WELL-Verfahren zum Einsatz – auch hierzu vermittelt der Kurs umfassendes Wissen.
 

Digitale Unterstützung und Building Information Modelling (BIM)

Die Umsetzung einer energetischen Optimierung kann nur erfolgreich sein, wenn der gesamte Prozess integral durchgeführt und parallel durch einen digitalen Zwilling begleitet wird. Weltweit hat sich dafür das Building Information Modelling (BIM) etabliert. Auch im Zertifikatskurs „Fachingenieur Energieoptimierung TGA VDI“ wird dieser Ansatz genutzt, um die verschiedenen Planungs- und Ausführungsprozesse zu bündeln.
 

Fazit

Die Energiewende ist machbar – schrittweise, umsichtig und projektspezifisch. Mit dem nötigen Fachwissen können Ingenieur*innen, Techniker*innen und Entscheidungsträger erfolgreich energetische Transformationsprozesse begleiten und umsetzen.

Der ab 2025 startende Zertifikatskurs „Fachingenieur Energieoptimierung TGA VDI“ bietet dazu umfassendes Wissen zu Heizungs- und Klimasystemen, regenerativen Energiesystemen, thermischen Speichern, Simulations- und Bewertungstools sowie deren Zusammenspiel. Die gezielte Wissensvermittlung durch erfahrene Fachleute und die Abstimmung der Module zeichnen den Kurs aus und garantieren eine nachhaltige Qualifikation für die Herausforderungen der Energiewende.

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Bernd Boiting von der FH Münster, Campus Steinfurt arbeitete viele Jahre in unterschiedlichen Positionen in der F&E-Leitung und Geschäftsführung in einem Unternehmen der technischen Gebäudeausrüstung, bevor er 2004 an die FH Münster wechselte. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören Raumluft- und Kältetechnik, thermisch energetische Gebäude- und Anlagensimulation sowie Produkt und Systementwicklung für die Raumklimatisierung. Neben seiner Tätigkeit als Autor engagiert sich Prof. Boiting als Obmann in verschiedenen VDI-Richtlinien.

Unser Weiterbildungstipp:

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