Ansicht von der Unterseite eines Autos

Greg Rosenke/Unspash

09.08.2021

Elektrische Allradantriebe: Effizienz und Performance in Einklang bringen

Elektrische Allradantriebe mit Hilfe von Optimierungsalgorithmen ganzheitlich auslegen - Fahrzeugentwicklung bedeutet stets, verschiedenste Anforderungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und Zielkonflikte aufzulösen. Die Konzeption elektrifizierter Allradantriebe bietet dafür ein treffendes Beispiel: Auf der einen Seite steht der Kundenwunsch nach möglichst hoher Effizienz und Reichweite, auf der anderen Seite die Intention, auch Performance und Fahrspaß zu bieten. Wie sieht in diesem Zusammenhang eine optimale Leistungsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse aus, wie lässt sich der Antrieb ganzheitlich auslegen, wie werden sich technische und wirtschaftliche Zielgrößen erreicht? Gezielte Antworten darauf bereits in der frühzeitigen Phase der Produktentwicklung können rechnergestützte Optimierungen beisteuern. Umfassende Einblicke in diese Herangehensweise bietet die Internationale VDI-Getriebetagung „DRITEV“ (DRIvetrain Transmission Electrification in Vehicles) am 13. und 14. Oktober 2021 in Bonn.

Im Zuge seines Vortrags auf der DRITEV wird Bastian Krüger, Doktorand an der Ruhr-Universität Bochum und bei der BMW Group, über die ganzheitliche Auslegung von elektrischen Allradantrieben mithilfe von Algorithmen zur Mehrzieloptimierung berichten. Die Auslegung elektrischer Allradantriebe ist durch vielschichtige, teils konkurrierende Auslegungsziele gekennzeichnet. „So müssen Effizienzziele eingehalten und Kundenanforderungen an Performance und deren Reproduzierbarkeit erfüllt werden. Zusätzlich müssen diese Lösungen betriebswirtschaftlich konkurrenzfähig sein“, erläutert Krüger.

Frühzeitig die zielführende Lösung identifizieren

Dem gegenüber steht eine große Lösungsvielfalt, die schon frühzeitig im Entwicklungsprozess aufgelöst werden will. „In diesem Spannungsfeld aus komplexen Anforderungen und großem Lösungsraum bieten rechnergestützte Optimierungsalgorithmen die Möglichkeit schon in frühen Entwicklungsstadien Wechselwirkungen zu quantifizieren, um so früh zielführende Lösungen identifizieren zu können“, erklärt Bastian Krüger. Darüber hinaus sei es möglich, auch gezielte, detaillierte Fragestellungen schneller zu beantworten. Das Resultat: Eine erhöhte Reaktionsfähigkeit im Falle sich ändernder Prämissen und Randbedingungen.

Skizze eines Autos in Bezug auf Vorder- und Hinterachse

Krüger, B.

Leistung optimal zwischen Vorder- und Hinterachse aufteilen

Bei der optimalen Leistungsaufteilung zwischen Vorder- und Hinterachse spielen die Fahrzeuggeometrie sowie die Gewichtsverteilung wesentliche Rollen. Dies beeinflusst die dynamische Gewichtsverteilung und somit das maximal absetzbare Drehmoment an Vorder- und Hinterachse. Zudem sind Einflüsse auf die Lenkkraft zu berücksichtigen. Darüber hinaus beeinflusst der Elektromaschinentyp an Vorder- und Hinterachse den Wert der optimalen Leistungsaufteilung. „Insbesondere Unterschiede bei den Nulllastverlusten haben hier einen großen Einfluss. Aber auch das Verhältnis aus Peak- und Dauerleistung, welches maßgeblichen Einfluss auf die Reproduzierbarkeit der Fahrleistungswerte hat“, erläutert Krüger weitere Details. Im Zuge des Kongresses wird er detaillierter über sein Forschungsprojekt im Bereich der Mehrziel-Optimierung berichten und die Zusammenhänge der Auslegungsparameter in rein elektrischen Allradantrieben verdeutlichen. So reduziert beispielsweise die Möglichkeit einer Achsabkopplung die Verluste im Antrieb. „Daraus ergibt sich ein zusätzlicher Auslegungsfreiheitsgrad.“

Skizze

Krüger, B.

Simulationsmodelle

Krüger, B.

Mit Simulationswerkzeugen die Entwicklung optimieren und beschleunigen

Als Methodik dient ein Simulationswerkzeug, das in unterschiedlichen Stadien des Produktentwicklungszyklus eingesetzt werden kann. Das exemplarische Auslegungsbeispiel im Konferenzbeitrag stellt eine mögliche Anwendung in einer initialen Entwicklungsphase dar und zeigt, wie das Werkzeug genutzt werden kann, um früh zielführende Entwicklungsrichtungen aufzuzeigen. Die Anwendung ist aber nicht auf diese Entwicklungsphase beschränkt: Ebenso lassen sich auch gezielte Fragestellungen beantworten, die zu einem späteren Entwicklungszeitpunkt auftreten. „Hierzu müssen die Simulationsmodelle entsprechend des Entwicklungsfortschritts und der vorhandenen Daten verfeinert werden. Der grundsätzliche Algorithmus zur Optimierung mehrerer Zielgrößen kann anschließend ohne Anpassung auf die neue Fragestellung angewandt werden“, schildert der Referent der Internationalen Getriebetagung „DRITEV“ weiter. Somit können in Zukunft über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg datenbasierte Entscheidungsgrundlagen genutzt werden, um die Auslegung elektrischer Fahrzeugantriebe zu beschleunigen und weiter zu optimieren.

Bastian Krüger

Krüger, B.

Interview mit:

Bastian Krüger,
Doktorand an der Ruhr-Universität Bochum und bei der BMW Group. Auf der VDI-Getriebetagung DRITEV berichtet er über die ganzheitliche Auslegung von elektrischen Allradantrieben mithilfe von Algorithmen zur Mehrzieloptimierung.