Earth Overshoot Day: 3 Fragen an Karsten Meiß
27.07.2021
1. Der „Earth Overshoot Day“ markiert den Tag, an dem die Menschheit die Rohstoffe für dieses Jahr aufgebraucht hat und nun von Ressourcen lebt, die der Planet nicht mehr ersetzen kann. Wie kann Recycling dabei helfen, den Earth Overshoot Day nach hinten zu verschieben?
Abfälle entstehen immer am Ende der Nutzung eines Produkts - daraus wieder für gleiche Produkte Rohstoffe herzustellen, entlastet den Rohstoffbedarf. Die Abfolge „Rohstoff - Produkt - Abfall – Rohstoff“ stellt so einen geschlossenen Kreislauf, den Closed Loop, dar. Im besten Fall werden hierbei aus einer Tonne Abfall auch wieder eine Tonne Rohstoffe für andere Produkte gewonnen. Durch diese sogenannten Sekundärrohstoffe lassen sich erhebliche Mengen an Primärrohstoffen einsparen.
Heutzutage werden weltweit noch zu viele Abfälle verbrannt oder deponiert und somit wichtige Ressourcen verschwendet. Deponierte Stoffe sind dem Rohstoffkreislauf langfristig entzogen. Bei verbrannten Stoffen geht gar deren Vernichtung einher. Echtes Recycling bedeutet aber, dass Abfälle wieder Rohstoff werden, mit dem wiederum neue Produkte hergestellt werden können. Wichtig dabei ist, dass der Sekundärrohstoff den Primärrohstoff im besten Fall vollständig ersetzt. So wie beispielsweise Metall- und Glasabfälle (Schrott und Scherben) bereits unendlich viele Male ohne Qualitätsverlust wieder zur Produktion eingesetzt werden.
2. Wo sehen Sie als Experte für Abfallmanagement noch Handlungsbedarf seitens der Politik, damit Recycling attraktiver für die Bevölkerung wird?
Deponierung und Abfallverbrennung bedeuten Ressourcenvernichtung. Heute stehen diese Techniken der Abfallentsorgung weitgehend in Konkurrenz zur Weiternutzung von Produkten (Reparatur) oder dem stofflichen Recycling. So wird immer die Entsorgungsmethode gewählt, die gerade weniger kostet. Mehr Recycling bedeutet auch, dass den Verbrennungsanlagen Input-Material verloren geht und damit Überkapazitäten entstehen. Diese Überkapazitäten müssen abgebaut werden, damit der Preiswettbewerb zwischen thermischer Verwertung (Verbrennung und Ressourcenverbrauch) und stofflichem Recycling (Substanzerhalt und Ressourcennutzung) beendet wird. Ein gutes Beispiel dafür ist das Pfand für Einweggetränkeflaschen: 25 Cent je Flasche bekommt der Verbraucher erstattet, wenn er die PET-Flaschen wieder in den Handel zurückbringt. Auch wenn er beim Kauf das Pfand gezahlt hat, gilt: keine Rückgabe der Pfandflasche gleich keine Rückgabe des Pfandbetrags. Die Rückgabequote beträgt inzwischen über 95 Prozent.
3. Was sind die aktuellen Trends in der nachhaltigen Abfallwirtschaft?
Die vereinbarten Klimaschutzmaßnahmen stellen das Recycling zunehmend in den Fokus, da hierbei der Gewinnungsaufwand für Primärrohstoffe einschließlich der einhergehenden Emissionen entfällt. Durch die Verschärfung der Rechtsvorschriften im Abfallwesen - Beispiel Gewerbeabfallverordnung - werden Unternehmen als Abfallerzeuger verpflichtet, mehr Sorgfalt und Verantwortung in der Abfallentsorgung zu übernehmen. Die Nachfrage nach Abfallmanagementberatung steigt stetig an, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass ein Umdenken stattfindet. Ob das nun aus Verantwortungsgefühl oder Gewinnstreben geschieht, wird der Erde egal sein. Ich glaube, dass Vorteilsmöglichkeiten in Form von Teilhabe an den Sekundärrohstoffmärkten ein effektiveres Mittel sind als der Appell an Umweltschutz.
Ein weiterer Trend sind die Wachstumsmärkte der Zukunft: Elektromobilität und Photovoltaik. Sie stellen bereits jetzt eine sehr wertvolle Ressource dar. Die Elektromobilität beispielweise wird in einigen Jahren zu einer gigantischen Steigerung des Akku- und Elektroschrottaufkommen führen. Schon heute arbeiten Industrie und namhafte Recyclingkonzerne zusammen, um sich möglichst große Anteile an den entstehenden Sekundärrohstoffmärkten zu sichern. Das zeigt, dass Recycling auch in der Industrie als Wettbewerbsvorteil erkannt wird.