Dipl.-Ing. Eva Knappe im Interview:
„Viele Frauen sind in ihrem Unternehmen Einzelkämpferinnen in der Technik.“

Seit 13 Jahren berät Dipl.-Ing. Eva Knappe, Inhaberin von F&A Training und Coaching, internationale Unternehmen. Für das VDI Wissensforum leitet sie das Seminar Souveränitätstraining für Ingenieurinnen. Im Interview sprechen wir mit ihr über die Herausforderungen, mit denen Ingenieurinnen in ihrer Karriere konfrontiert werden und warum es besonders wichtig ist, Frauen im Ingenieurberuf zu fördern, damit sie sich in einer männer­dominierten Technikwelt optimal positionieren können.

Sie sind selbst Diplom-Ingenieurin. Wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Tätigkeit als Beraterin und Trainerin gekommen?

Nach meinem Studium zur Diplom-Ingenieurin Werkstoffwissenschaften und über 20-jähriger Industrietätigkeit in verschiedenen Firmen vom internationalen Großkonzern bis zum Start-up habe ich mich entschlossen, meine Erfahrungen als selbstständige Beraterin und Trainerin weiterzugeben. Ich war über zehn Jahre im technischen Vertrieb und in verschiedenen Managementfunktionen international tätig. Daraus haben sich dann auch meine Schwerpunkte ergeben: Führung und Vertrieb im internationalen Umfeld.
 

Was hat Sie dazu inspiriert, spezielle Trainings für Frauen anzubieten?

Anfangs habe ich gar nicht daran gedacht, spezielle Trainings zur Förderung und Unterstützung von Frauen anzubieten. Ich sah dafür keine Notwendigkeit – obwohl ich sowohl bei Vertriebs- als auch bei Führungsthemen fast ausschließlich männliche Teilnehmer hatte. Als ich neu in Göttingen war, bin ich in den VDI eingetreten, um Menschen kennenzulernen und mir vor Ort ein Netzwerk aufzubauen. Bei den Veranstaltungen fiel mir allerdings auf, dass es hier so gut wie keine Frauen gab. Aus diesem Grund habe ich einen Arbeitskreis für Frauen im Ingenieurberuf gegründet, der schnell Zulauf fand und mir zeigte, dass tatsächlich Bedarf für einen Austausch nur unter Frauen bestand.

2013 startete dann beim VDI Wissensforum mein erstes reines Frauentraining „Kommunikationsstrategien für Ingenieurinnen“ und lief so erfolgreich, dass bald weitere Seminare von verschiedenen Referentinnen folgten. Allerdings haben sich die Frauenseminare bei mir nie zu einem echten Schwerpunkt entwickelt, insgesamt sind immer noch ca. 90% meiner Teilnehmer männlich.
 

Warum ist die gezielte Förderung von Frauen im Ingenieurberuf wichtig?

Zum Glück kommt es immer seltener vor, dass die Kompetenz von Frauen im technischen Bereich angezweifelt wird, hier hat sich schon einiges verändert im Vergleich zu früher. Trotzdem ist es immer noch so, dass der Frauenanteil im Ingenieurberuf in Deutschland nur langsam ansteigt und es nach wie vor viele Frauen gibt, die in ihrem Unternehmen Einzelkämpferinnen in der Technik sind. Oft sind ihnen die Kommunikations- und Verhaltensunterschiede in vorwiegend männlich geprägten Unternehmens- oder Abteilungskulturen nicht bewusst, Frauen kennen und erkennen die impliziten Regeln nicht oder lehnen sie ab. Ich halte es für wichtig, hier Unterstützung zu leisten, damit sie sich die zu ihnen passenden Handlungsstrategien für ihr Arbeitsumfeld erarbeiten können.
 

Was sind typische Herausforderungen, mit denen Ingenieurinnen in ihrer Karriere konfrontiert werden?

Während es früher meist darum ging, sich in einem männerdominierten Umfeld durchzusetzen und die eigene Kompetenz zu verteidigen, stehen heute eher Themen wie eine gute Selbstpräsentation und bessere Sichtbarkeit im Fokus. Frauen sind oft zu zögerlich in der Darstellung ihrer eigenen Leistung, aus Angst, als überheblich oder arrogant zu gelten. Aber: Karriere macht man nicht allein durch Fleiß und Intelligenz – und auch nicht allein. Das Aufbauen von Netzwerken und das Bilden von Allianzen sind immens wichtig, aber einige Frauen wollen nicht als hilfsbedürftig wahrgenommen werden und machen lieber alles im Alleingang. Sie verkennen die Bedeutung von Kontakten und übersehen, dass man Ziele meist einfacher und schneller erreichen kann, wenn man von der Erfahrung anderer profitiert. Bei meinen Seminaren weise ich daher auch immer explizit auf die Wichtigkeit des Netzwerkens hin und ermutige die Teilnehmerinnen, untereinander Kontakte zu knüpfen. Da sie aus unterschiedlichen Unternehmen kommen, haben sich hier sogar schon interessante Geschäftsbeziehungen angebahnt.

Aber Vorsicht: Reine Frauennetzwerke sind für die Karriere oft nicht optimal! Der Grund dafür ist, dass Männer nach wie vor oft in einflussreichen Positionen sitzen und demnach auch mehr Möglichkeiten haben, andere zu fördern. Gemischte Netzwerke sind also sehr sinnvoll und wichtig für die Karriere.
 

Welche Unterschiede gibt es zwischen reinen Frauenseminaren und gemischten Trainings?

Bei Veranstaltungen mit gemischtem Teilnehmerkreis beträgt der Frauenanteil in der Regel 0-20%, was leider immer noch die Realität in vielen technischen Unternehmen widerspiegelt. Dann haben die Frauen auch im Training einen Exotenstatus, sie fühlen sich nach eigenen Angaben „unter ständiger Beobachtung“ oder Konkurrenzdruck und tendieren dazu, eher etwas zurückhaltender zu sein. In speziellen Frauenseminaren dagegen herrscht meist eine entspannte, aber konzentrierte Arbeitsatmosphäre, in der ohne Druck Neues ausprobiert werden kann. Die Teilnehmerinnen schätzen besonders die große Offenheit untereinander, den Erfahrungsaustausch und das sehr konstruktive Feedback. Hier können auch Themen besprochen werden, die die Frauen mit männlichen Kollegen nicht diskutieren können oder wollen.

Mein Ziel ist allerdings, dass irgendwann keine speziellen Seminare für Frauen in eher männerdominierten Berufen mehr nötig sein werden. Dann können wir hoffentlich – durchaus ähnliche Themen – auch in gemischtgeschlechtlichen Gruppen offen und vertrauensvoll bearbeiten, denn viele Inhalte der Frauenseminare sind für Männer genauso interessant.
 

Können Sie uns einen Geheimtipp für mehr Souveränität verraten, der sich sofort umsetzen lässt?

Sich selbst mehr zutrauen und nicht so zögerlich sein – ganz nach dem Sprichwort von Henry Ford: „Ob Sie glauben, Sie können es, oder ob Sie glauben, Sie können es nicht – Sie werden Recht behalten.“

Über die Interviewpartnerin:

Quelle: Miriam Merkel

Dipl.-Ing. Eva Knappe, F&A Training und Coaching, Göttingen

Eva Knappe ist Managementberaterin und Businesstrainerin mit den Schwerpunkten Führung und Vertrieb. Sie berät und begleitet seit über 13 Jahren internationale Industrieunternehmen und ist Inhaberin von F&A Training und Coaching. Nach dem Studium zur Diplom-Ingenieurin Werkstoffwissenschaften erwarb sich Frau Knappe ihre Expertise in über 20 Jahren Industrietätigkeit in verschiedenen Managementfunktionen in internationalen Konzernen und KMUs. In Ihre Beratertätigkeit bringt sie Praxiserfahrung aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen mit ein, wie F&E, Labor, Qualitätssicherung, Produktentwicklung, Produktmanagement, Anwendungstechnik, Marketing und technischer Vertrieb.

Sie ist zertifizierte interkulturelle Trainerin (dgikt), lizenzierte Partnerin von Richard Lewis Communications Ltd. / UK und Personality Profiler Trainerin, LINC GmbH Lüneburg. Ehrenamtlich engagiert sie sich im VDI. Sie leitet die VDI-Bezirksgruppe Südniedersachsen und ist im Arbeitskreis „Frauen im Ingenieurberuf“ aktiv, um Frauen im Technikumfeld zu unterstützen und zu vernetzen.