Die Zukunft der Ladeinfrastruktur
Die 4. VDI-Fachkonferenz „Ladeinfrastruktur: Technologien, Regularien und Zukunftstrends“ gibt einen umfassenden Überblick über technische Neuheiten, rechtliche Entwicklungen und die aktuellen Ausbaupläne auf dem Gebiet der Ladeinfrastruktur. Die Konferenzbeiträge vermitteln wichtige Impulse und zeigen Lösungen für den Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur (LIS) im privaten und öffentlichen Bereich. Wir sprachen mit Fachreferent Marco Albrecht über die größten Herausforderungen in diesem Bereich sowie über die technologischen Trends der Zukunft.
1. Dem Aufbau von Ladeinfrastruktur kommt eine Schlüsselrolle beim Umstieg auf elektrische Antriebe zu. Denken Sie, dass die LIS-Branche den Anforderungen für einen Hochlauf der Elektromobilität in den nächsten Jahren gerecht werden kann?
Marco Albrecht: Ja, ich glaube, dass gerade die deutschen bzw. europäischen Hersteller von Ladetechnik sehr gut auf den Markthochlauf vorbereitet sind. Wir können ein wenig mehr Wettbewerb im Bereich der DC-Ladetechnik gebrauchen. Meiner Meinung nach wird die Zahl der Ladesäulen mit kleinerer DC-Ladeleistung in den nächsten Jahren stark ansteigen. Daher würde ich den deutschen bzw. europäischen Herstellern empfehlen, sich dieser Technik anzunehmen. Die AC-Ladeinfrastruktur für den halböffentlichen bzw. öffentlich zugänglichen Raum, ist derzeit sehr gut verfügbar. Hier haben die Hersteller ihre Hausaufgaben gemacht und sich alternative oder zusätzliche Zulieferer gesucht, so dass die Ressourcenknappheit aktuell kein Thema mehr zu sein scheint.
Zur Ladeinfrastruktur-Branche würde ich natürlich auch die Installationsbetriebe zählen, die für die Umsetzung und den Aufbau der Ladeinfrastruktur verantwortlich sind. Aktuell sind diese Firmen so gut ausgelastet, dass sie kaum hinterherkommen. Dies bedeutet natürlich, dass die Installationsbetriebe Mitarbeitende suchen müssen, ausbilden und auch ihre Kapazitäten weiterhin auf- und ausbauen müssen.
2. Wie genau sollte aus Ihrer Sicht die Ladeinfrastruktur für 15 Millionen E-Fahrzeuge bis 2030 gestaltet werden?
Marco Albrecht: Um die 15 Mio. Elektrofahrzeuge bis 2030 bedarfsgerecht mit Ladeinfrastruktur versorgen zu können, brauchen wir einen guten Mix aus AC- und DC-Ladeinfrastruktur. Die von der Politik genannten eine Million Ladepunkte sind aus meiner Sicht nicht zwingend erforderlich. Bei meiner aktiven Mitarbeit in der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) bzw. Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität NPM wurde die Zahl von einer Million Ladepunkte auch so explizit nicht genannt. Es ist wichtig, dass vor allem im urbanen Raum Ladehubs gebaut werden, die die Ladeinfrastruktur konzentrieren. Einzelne AC-Ladesäulen am Straßenrand sind einfach nicht mehr state-of-the-art, da man sich auf diese Ladepunkte im Falle, dass man zwingend laden muss, einfach nicht verlassen kann. Hier beraten wir die Kommunen dahingehend, dass man Parkhäuser, Park and Ride-Parkplätze sowie große zentrale Parkflächen mit ausreichend intelligenter Ladeinfrastruktur ausstattet. Es werden auch öffentlich zugängliche Lademöglichkeiten in den Fokus rücken, die an Discountern, Supermärkten, oder Baumärkten errichtet werden. Auch diese werden mitgezählt und leisten einen wichtigen Beitrag. Es muss aber auch an aktuell weniger attraktiven Standorten LIS aufgebaut werden. Hier soll das Deutschlandnetz des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) einen wichtigen Beitrag leisten.
Den größten Hebel werden aber die privaten Ladepunkte zu Hause oder beim Arbeitgeber ausmachen. Das ist der einfachste, kostengünstigste und zuverlässigste Weg sein E-Fahrzeug zu laden.
3. Als großes Planungsbüro realisieren Sie eine Vielzahl von Ladeinfrastrukturprojekten. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen und was wird zukünftig auf Projektierende zukommen?
Marco Albrecht: Wir unterscheiden hier grundsätzlich Projekte in oder an der Immobilie, welche meistens Unternehmen oder Immobiliengesellschaften sind. Die größte Herausforderung hier ist die Anschlussleistung der Immobilie. In aller Regel muss eine zusätzliche Leistung zur Verfügung gestellt werden. Wir planen immer mit einem intelligenten Last- und Lademanagement, trotzdem sind die meisten Immobilien auf die Leistungen der Elektromobilität nicht ausgerichtet. Hinzu kommt, dass es eine weitere Herausforderung ist, diese zusätzliche Leistung vom Netzbetreiber zu erhalten. Deshalb versuchen wir auch immer die Möglichkeit der vor Ort erzeugten Energie zu betrachten und beraten zum Thema Photovoltaik. Sie ist oftmals ein probates Mittel, um Leistung zu den Ladepunkten zu bringen.
Bei Ladeinfrastrukturprojekten im öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Raum ist das Thema der Genehmigungsverfahren mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. Hier sind neben dem Netzanschluss auch oftmals baurechtliche Bestimmungen sehr zeitintensiv. Gerade hier hoffen wir auf die Vorhaben der Regierung hinsichtlich des Bürokratieabbaus und der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren durch Digitalisierung.
4. Auf welche Lösungen sollten Ihrer Meinung nach Unternehmen setzen,
die Ladeinfrastruktur anbieten und realisieren möchten?
Marco Albrecht: Wir haben bei unseren Kunden und auch in unserem Unternehmen festgestellt, dass ein Unternehmen ökologisch und auch ökonomisch mit Batterie-Elektrofahrzeugen (BEV) wesentlich besser fährt, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Punkte Nachhaltigkeit (ESG) und EU-Taxonomie werden in den nächsten Jahren große Herausforderungen an den Firmenfuhrpark stellen. Hier kann man mit einem adäquaten Angebot an Alternativen stark punkten. Wir versuchen beispielsweise unseren Mitarbeitenden Alternativen, wie etwa ÖPNV-Tickets, Bike-Leasing oder BEV aus unserem Pool, zum individuellen Dienstwagen zu bieten. Wenn Mitarbeitende einen Dienstwagen benötigen, dann muss dieser rein batterieelektrisch sein und in der Firma oder zu Hause geladen werden können. Das ist für ein Unternehmen am effizientesten und günstigsten. Arbeitnehmende, die daheim eine Lademöglichkeit haben, starten jeden Morgen mit einem vollgeladenen Elektrofahrzeug in den Arbeitstag. Daher ist bei allen Beratungen das Thema charge@home eine wichtige Grundlage.
5. Wohin entwickelt sich der Markt und welche technologischen Trends erwartet die Branche?
Marco Albrecht: Ganz klar wird es kein Immobilienprojekt ohne die Integration von Ladeinfrastruktur mehr geben. Auch wird keine kommunale Entwicklung oder Quartiersentwicklung ohne ein Elektromobilitätskonzept auskommen. Rein technologisch können wir seriös nur acht bis zehn Jahre in die Zukunft schauen. Hier empfehlen wir auf Ladehardware zu setzen, die standardisierte Schnittstellen, wie ModBus besitzt, aber auch auf weitere Protokolle, wie z. B. EEBus upgedatet werden können. Aus Komfortgründen ist ein angeschlagenes Kabel und ISO 15118 mit „Plug´n´charge“ sehr wertvoll. Auch auf die weiteren Möglichkeiten durch die ISO 15118-20, so z. B. bidirektionales Laden und auch präzisere Möglichkeiten des Lastmanagements, sollte man achten. DC-Wallboxen mit Ladeleistungen zwischen 25 und 60 kW sind eine sehr gute Möglichkeit auch die mittleren Standzeiten gut zu bedienen. Hier ist es immer sehr wichtig die Nutzung und die Nutzenden zu kennen bzw. zu analysieren. Neue Möglichkeiten, wie Vehicle2Home oder Vehicle2Grid werden hier einen wichtigen Beitrag für das dezentrale und überwiegend aus Erneuerbaren Energien gespeiste Energienetz der Zukunft leisten.