Dichtungstechnik - Ein Gespräch mit Prof. Kröger

Herr Prof. Kröger, könnten Sie uns einen Überblick über die Bedeutung der
Dichtungstechnik in verschiedenen
Industrien und Anwendungen geben?

Oft wird der Dichtung eine untergeordnete Bedeutung zugemessen und deswegen dieses Thema erst sehr spät in der Entwicklung betrachtet. Meist ist es dann nicht mehr möglich, eine gute Lösung für die Dichtheitsanforderungen zu finden, da weder ausreichend Bauraum vorgesehen wurde noch auf andere Anforderungen, z.B. für die Dichtungsmontage, geachtet wurde.

Vielen ist nicht bewusst, dass Dichtungen nicht nur im Getriebebau und der Hydraulik & Pneumatik wichtige Funktionen haben, sondern eine funktionsrelevante Aufgabe übernehmen in fast allen Sondermaschinen, an diversen Stellen in Fahrzeugen, in der Windkraft & Photovoltaik, in der Lebensmitteltechnik und der Medizintechnik, um nur einige Branchen zu nennen, mit denen ich schon spezifische Dichtungslösungen erarbeitet habe.
 

Welche Schlüsselkonzepte oder Prinzipien sind entscheidend für das Verständnis der Dichtungstechnik?

Damit eine Dichtung dicht ist, muss die Dichtfunktion realisiert werden.

Dabei sind 3 Punkte von besonderer Bedeutung:

  • Permeation durch den Dichtungswerkstoff, insb. von Gasen
  • Verpressung zwischen Dichtung und Gegenbauteil, insb. bei statischen Dichtkontakten
  • Druckabbau im Dichtkontakt: Um den Verschleiß zu minimieren, ist ein dünner Schmierfilm im Gleitkontakt gewünscht und trotzdem soll und kann die Dichtstelle dichten
     

Inwieweit hat sich die Dichtungstechnik in den letzten Jahren weiterentwickelt und verändert?

In den letzten Jahren ist das Verständnis für die Zusammenhänge im Dichtkontakt sehr gestiegen. Dadurch gelingt es, Dichtungen besser auf die anwendungsspezifischen Anforderungen abzustimmen. Weiterhin ist es gelungen, immer besser auf die Anforderungen angepasste Dichtungswerkstoffe zu entwickeln.

Aktuell bewegt die Dichtungstechnik die anstehende Beschränkung der Verwendung von polyfluorierten Kohlenwasserstoffen (PFAS), die sowohl als Dichtungswerkstoff, z.B. FKM, PTFE, als auch als Additiv in vielen Ölen verwendet werden. Hier sind teils kurzfristig, teils langfristig alternative Lösungen zu finden.
 

Welche Herausforderungen und Probleme greifen Sie in den Inhalt des Seminars zur Dichtungstechnik auf? Welche Hauptthemen und Schwerpunkte werden behandelt?

Für den Anwender ist es schwierig, für eine spezifische Anwendung die richtige Dichtung bzw. das richtige Dichtsystem und einen geeigneten Werkstoff auszuwählen.

Daher gehen wir ausführlich auf die Anforderungen und die Funktion von Dichtsystemen ein und behandeln die Auswahl der Dichtwerkstoffe und der Oberflächen der Gegenlauffläche. Anschließend wird speziell eingegangen auf statische Dichtungen, wie Flachdichtungen und O-Ringe, rotatorische Dichtungen, wie RWDR und V-Ringe, und translatorische Dichtungen, wie Nutringe und Kompaktdichtungen.  
 

Gibt es praktische Übungen oder Demonstrationen im Seminar, die die Montage von Dichtungen und mögliche Schäden an Dichtungen veranschaulichen?

Da viele Schäden an Dichtungen auf Montagefehler sowie auf konstruktive Fehler bezüglich der Montagemöglichkeiten zurückgehen, gibt es bei dem Seminar einen Fokus auf die konstruktiven Anforderungen für eine sichere Montage sowie Übungen zur Montage von Dichtungen, um die damit zusammenhängenden Herausforderungen deutlich zu machen.

Schäden an Dichtungen können insbesondere durch chemische Unverträglichkeit, mechanische Schädigung bei der Montage oder durch Alterung & Verschleiß entstehen. Beispiele solcher Schäden werden in dem Seminar behandelt und an Bauteilen demonstriert.
 

Was macht Ihnen persönlich immer Spaß beim Thema Dichtungstechnik oder auch bei den Seminaren?

Die Dichtungstechnik ist in fast allen technischen Anwendungen von Bedeutung. Dadurch sind die Anforderungen sehr vielfältig und es gibt immer neue Herausforderungen. In den Dichtungsseminaren macht es mir besondere Freude, neue Anwendungsbeispiele von den Teilnehmenden kennenzulernen und Lösungswege basierend auf dem theoretischen und praktischen Seminarinhalt sowie den eigenen Erfahrungen aufzuzeigen.

Neben der Dichtungstechnik auch an anderen Themen interessiert?

Zur Person:

Prof. Dr.-Ing. Matthias Kröger, Institutsleiter, Institut für Maschinenelemente, Konstruktion und Fertigung, Technische Universität Bergakademie Freiberg
 

Prof. Dr.-Ing. Matthias Kröger lehrt an der Universität das Fach Maschinenelemente und forscht im Bereich der Kontaktmechanik und Tribologie insbesondere von Elastomerbauteilen. Aus nationalen sowie europäischen Projekten und zahlreichen bilateralen Industrieprojekten kennt er die theoretischen und praktischen Aspekte der Dichtungstechnik sehr gut.

Bildquellen: © TU Bergakademie Freiberg/Matthias Kröger | © TU Freiberg/Detlef Müller