24.01.2020
„Der Verbrenner wird seine Dominanz verlieren“ - Den Wettbewerb der Technologien zulassen
Klimaschutz und CO2-Einsparungen sind Themen, die uns alle angehen. „Auf den Verbrennungsmotor zu verzichten, wird diese Herausforderung aber nicht lösen.“ Davon ist Prof. Peter Gutzmer, langjähriges Schaeffler Vorstandsmitglied und Mitglied des Programmbeirates beim Internationalen Motorenkongress des VDI Wissensforums, überzeugt. „Mit der E-Mobilität alleine werden wir unsere drängenden Themen zur CO2-Vermeidung und CO2-Neutralität im Verkehr in einem ganzheitlichen, umfassenden Ansatz nicht bewältigen. Unsere freie Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem fordern individuelle Mobilität. Dafür wird noch viele Jahre der Verbrennungsmotor benötigt – und die Technologie bietet noch viel Potential, effizienter und noch emissionsärmer zu werden.“ Vor diesem Hintergrund wünscht sich Prof. Gutzmer eine Versachlichung der Diskussion – auf Basis wissenschaftlicher, technischer und wirtschaftlicher Fakten.
Verbote von einzelnen Technologien können nie eine umfassende Lösung darstellen, so der erfahrene Automobilmanager weiter. Stattdessen erwartet er für die kommenden Jahre und Jahrzehnte eine Diversifizierung der Antriebstechnologien: neben reinen Verbrennern gehören dazu Hybridfahrzeuge in verschiedenen Konfigurationen, Elektroautos, aber auch weitere alternative Antriebe von Wasserstoff bis Brennstoffzelle. Synthetische Kraftstoffe – sowohl bio-basiert als auch sogenannte e-fuels – etwa bieten nach seiner Ansicht wesentlich mehr Potential, als es sich heute in der öffentlichen Diskussion widerspiegelt. „Der Weg sollte es dabei sein, die zukünftigen e-fuels dort zu produzieren, wo Energie etwa sehr kostengünstig aus Solarkraft gewonnen wird – und nicht dort, wo die Energie benötigt wird.“ Kohlenwasserstoffketten mit ihrer günstigen Energiedichte seien nahezu ideale natürliche Medien für den Energietransport – und bieten gleichzeitig den Vorteil, direkt im Verbrennungsmotor in flüssigem oder gasförmigem Zustand genutzt werden zu können.
Auch wirtschaftliche Hemmnisse bei synthetischen Kraftstoffen würden überbewertet, so Prof. Gutzmer weiter: „Die verfügbare Menge regenerativer Energien ist so groß, dass das Wirkungsgrad im Grunde keine entscheidende Rolle spielt – es wird sich am Ende des Tages auch wirtschaftlich lohnen, in dieses Thema einzusteigen und weltweite Logistiksysteme für diese alternativen Kraftstoffe aufzubauen.“
Die von Schaeffler aufgestellte Prognose für das automobile Jahr 2030 hat aus Sicht Prof. Gutzmers weiterhin Bestand: Demnach dürften die neu zugelassenen Fahrzeugen zu 30 Prozent mit einem reinen Elektroantrieb ausgestattet sein, 40 Prozent Hybrid-Antriebskonzepte werden erwartet – sowie 30 Prozent reine, effizienzgesteigerte Verbrenner. „Der Verbrennungsmotor wird seine alleinige Dominanz verlieren, aber der E-Fahrzeugmarkt wächst weltweit noch zu langsam und auch nur mit Hilfe massiver staatlicher Förderung, insbesondere bei der neu zu schaffenden Infrastruktur.“
„Vor diesem Hintergrund wäre es fatal, nicht weiter den Verbrenner zu optimieren und ihn zu noch mehr Effizienz weiterzuentwickeln unter Einbeziehung der CO2-neutralen Kraftstoffe“, unterstreicht Prof. Gutzmer. Allein durch Optimierungen an der Verbrennertechnologie sieht er noch ein Effizienzsteigerungspotential von über 10 Prozent. Weitere 25 Prozent lassen sich durch die Hybridisierung erreichen.
Prof. Gutzmer wünscht sich darüber hinaus insbesondere aus globaler Wettbewerbssicht, dass verschiedene alternative Antriebskonzepte in einen echten technologischen und wirtschaftlichen verbraucherorientierten Wettbewerb zueinander treten könnten, ohne einseitige Verzerrung durch Bonussysteme alleine für die Elektromobilität. „Auch synthetische Kraftstoffe und der Wasserstoffantrieb müssen entsprechend gefördert werden“, unterstreicht er weiter. „Wir brauchen keine Schwarz-Weiß-Politik, sondern müssen die Menschen mitnehmen als Nutzer individueller Mobilität, aber auch als Arbeitnehmer oder Forscher. Dazu gehört es auch, ihnen offen und ehrlich zu erklären, dass die Elektrifizierung des Antriebs nicht die alleinige Lösung sein kann.“