Brandschutz ist nicht alles, aber ohne Brandschutz ist schnell alles nichts!

Jeder muss wissen, wie Brände verhindert bzw. wie Feuer schnell gelöscht werden können, denn: „Es darf nicht brennen! Und wenn, dann muss es auf einen kleinen Ort begrenzt bleiben!“, sagt Dr.-Ing. Wolfgang Friedl zu Recht eindringlich in unserem Interview zum Thema Brandschutz.

Dr.-Ing. Wolfgang Friedl gründete nach langjähriger Berufserfahrung im Bereich Brandschutz vor mehr als 20 Jahren sein eigenes Ingenieurbüro und veröffentlichte zahlreiche nationale und internationale Fachartikel sowie Fachbücher. Seit vorletztem Jahr fungiert er zudem als Lehrgangsleiter des Zertifikatslehrgangs „Fachingenieur Brandschutz VDI“ und gibt sein umfangreiches Know-how weiter. Mit uns hat er über Herausforderungen, Technologien und die Zukunft des Brandschutzes gesprochen.

Wie hat sich der Brandschutz in den letzten Jahren entwickelt? Vor welchen Herausforderungen steht die Branche derzeit?

Ich freue mich zum Beispiel sehr über die Neufassung der TRGS 510, die jetzt wesentlich klarer geworden ist. Die verpflichtende Einführung von Rauchmeldern für private Wohnbereiche finde ich zum Beispiel auch sehr sinnvoll. Seit Einführung ging die Zahl der Brandtoten von über 800 auf unter 400 zurück. 

Auch eine gute Sache sind die Brandmeldezentralen, die durch mehr Fuzzy Logic sicherer geworden sind und weniger Fehlalarme liefern. Aber bei Unterweisungen, Wartungen, Brandwänden und Fluchtwegen – da tut sich nicht viel, und das ist im Übrigen auch nicht nötig. 

Wichtig ist, Regeln sowie Vorschriften detailliert zu kennen und umsetzen zu können, denn die Brandursachen sind im Prinzip seit 30 Jahren identisch, mit leichten Schwankungen – allen voran fahrlässiges Verhalten! 

Aber es ist nicht alles gut. Durch die Europäisierung erfahren viele Länder eine Verbesserung der brandschutztechnischen Anforderungen. Wir in Deutschland müssen aber eher einen Schritt nach unten gehen, und das darf man auch kritisch sehen.

Wie entwickeln sich die einzelnen Bereiche des Brandschutzes?

Anlagentechnisch gibt es einige ganz starke Entwicklungen, die aber leider daran scheitern, dass sie a) nicht gesetzlich, behördlich oder versicherungsrechtlich gefordert sind und dass b) die VdS-Abnahmen zeitlich und wirtschaftlich so aufwändig sind, dass man sie selten beantragt. 

Und in anderen Bereichen, zum Beispiel baulich sowie organisatorisch?   

Im baulichen Bereich ist es eher schwierig. Die Politik will zum Beispiel nicht preisgeben, dass Li-Akkus brandgefährlich sind, und auch die Versicherer haben keine konkreten Vorgaben, wo und wie Akkus geladen werden dürfen. Die VdS 3103, VdS 3885 oder VdS 3471 sind schön bedrucktes Papier, welches dem Praktiker aber nicht hilft. Und wenn man in die Zeitungen blickt, dann liest man leider oft von extrem stark brennenden Elektroautos und ausgebrannten Wohnungen. 

Organisatorisch hat sich Folgendes verändert: Es gibt jetzt nach der DGUV Information 205-003 die Forderung nach 5 % Brandschutzhelfern. Die „restlichen“ 95 % wissen, dass es diese gibt und dass sie nicht dazugehören. Man wälzt also die Verantwortung für den Brandschutz auf diese Kollegen ab und fühlt sich weder präventiv noch kurativ zuständig. Ein enger Kontakt und die Schulung der Belegschaft ist also enorm bedeutsam geworden! Es gibt noch großen Entwicklungsbedarf, nicht zuletzt bei der Verfügbarkeit von Ressourcen wie Personen, Geld und Material.

Hat die Digitalisierung einen Einfluss auf den Brandschutz? Wenn ja, welchen?

Ja, Digitalisierung ist unter anderem extrem hilfreich bei der Erfassung der Brandschutzeinrichtungen, die gewartet werden müssen: Man vergisst nichts mehr und kann gerichtsfest belegen, wer wann was gemacht hat. Durch die Vernetzung von Geräten sowie die Gesamtsteuerung und -überwachung wird die Sicherheit natürlich erhöht, und das bedeutet gleichzeitig eine Einsparung von Kosten.

Umweltfreundlichkeit ist wie die Digitalisierung ein Buzzword dieser Zeit. Welchen Einfluss hat Nachhaltigkeit?

Die Umweltfreundlichkeit ist noch kein Thema, leider. Dabei gibt es hier einiges, was man dringend angehen müsste. Ein Beispiel ist Polystyrol. Dieser für Mensch, Ökosysteme und Organismen gefährliche Kunststoff, gebildet aus der giftigen Flüssigkeit Styrol, ist so gar nicht umweltfreundlich und muss nach einigen Jahrzehnten teuer entsorgt werden. Ein Umdenken ist hier absolut erforderlich!

Was möchten Sie Unternehmen für die Zukunft mit auf den Weg geben?

Brandschutz ist, wie auch Gesundheit, die Grundlage von allem, beruflich und privat. Firmen müssen Brandschutzkonzepte haben und umsetzen. Die Belegschaft muss unterwiesen und kontrolliert werden. Und es sollen möglichst viele Mitarbeitende zu Brandschutzhelfern ausgebildet werden – ein Pharmakonzern ist mittlerweile bei 96 % und nicht 5 %! 

Zudem sind die sogenannten Soft-Facts von besonderer Bedeutung, also Kontrolle, Schulung, Unterweisung. Konkret: Brandlasten von Zündquellen räumlich trennen, Abfall entsorgen, Brandschutztüren nicht aufkeilen, akkubetriebene Elektrogeräte kontrolliert laden und vieles mehr.

Aber das A und O sind Leute, die den Beruf aus Berufung machen, engagiert und informiert sind. Die Komplexität erfordert auf allen Ebenen top ausgebildete Fachleute. Leute, die firmen- und projektspezifische Lösungen anbieten können. Und die erkennen, dass in der Küche der Brandschutz anders aussieht als im Lager, im Büro anders als in der Produktion. Wir brauchen Allrounder, die Ahnung haben von den verschiedenen Gewerken wie Baulichem, Anlagentechnik, Gesetzgebung, Versicherungs-Forderungen und organisatorischem Brandschutz.
 

 

Über den Autor

Dr.-Ing. Wolfgang Friedl hat in NRW Brandschutz studiert und in Sachsen-Anhalt promoviert. Anschließend arbeitete er bei Wacker Siltronic in Portland/USA. Dr. Friedl war 10 Jahre als Beratungs- und Schadeningenieur bei zwei international agierenden industriellen Feuerversicherungen tätig. Seit 21 Jahren führt er sein eigenes Ingenieurbüro. Er hat zahlreiche Fachartikel in nationalen und internationalen Sicherheitspublikationen veröffentlicht und ist Herausgeber von 29 Fachbüchern.

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