AVL Fuel Cell Demo Truck –
System Integration and electrical Development

Herausforderungen und Lösungen beim Aufbau eines Nutzfahrzeugs mit marktkonformer Leistung

M. Sc. Felix Bayer, Ing. David Mühlgrabner, AVL List GmbH, Steyr

AVL.List GmbH

Abbildung 1: AVL Fuel Cell Technology Demonstrator Truck, Seiten/Heckansicht.

Integration und aktuelles Design

AVL entwickelt einen Prototypen-Brennstoffzellen-LKW als Technologie-Demonstrator [1]. Durch die Anordnung von zwei Wasserstoff-Tanks mit jeweils 16 kg Fassungsvermögen längs am Fahrzeugrahmen, konnte der Batteriepack eines Zulieferers zum Einsatz kommen. Dies führt gegenüber einer früheren Version zu geringerem Gesamtgewicht und besserer Achslastverteilung.

Die meisten Hilfsaggregate finden nun im Rahmen, zwischen der Batterie und der Hinterachse, Platz. Diese kompakte Anordnung vereinfacht gleichzeitig die Anbindung der Aggregate an Kühlung und Verkabelung.

Ziel des Projekts ist es, bei einer zu heutigen Standard - Sattelzugmaschinen vergleichbaren Fahrleistung und Zuladung, eine Tagestransportaufgabe ohne zusätzliche Fahrtunterbrechungen zu bewältigen und damit einen ähnlichen Betrieb wie mit heutigen LKW zu ermöglichen. Aus diesem Grunde wurde die Fernverkehrs-Schlafkabine beibehalten und auch der Radstand von 3800 mm nicht vergrößert. Alle Systeme wurden im Rahmen integriert. Updates des Thermalsystems und der Kühlung im MT-Kreis Entsprechend der Vorgabe, bei bestehender Fahrzeuglänge und großer Schlafkabine Standard-ISO-Auflieger ziehen zu können, war ein Turm hinter dem Fahrerhaus keine Option.

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Abbildung 2: CFD-Simulation mit Radiatoren am Dach.

Updates des Thermalsystems
und der Kühlung im MT-Kreis

Entsprechend der Vorgabe, bei bestehender Fahrzeuglänge und großer Schlafkabine Standard-ISO-Auflieger ziehen zu können, war ein Turm hinter dem Fahrerhaus keine Option. Nachdem beim AVL FC Truck die Kabine nicht zwangsläufig kippbar ausgeführt sein muss (alle Servicearbeiten sind von außen zugänglich), werden zusätzliche hocheffiziente Radiatoren unter dem Spoiler auf dem Dach angeordnet. Dieser erhält zusätzlich Luftleitbleche um die Anströmung von vorne zu erhöhen und kann bei Bedarf zusätzlich mit Lamellen ausgestattet werden, um bei hoher Last mehr Luft an die Kühler zu befördern, während bei niedriger Last trotz allem die Aerodynamik verbessert werden kann, 

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Abbildung 3: Isolationswiderstand

Herausforderungen im E/E Design und HV-Sicherheit

Hochvolt-Bordnetze in Kraftfahrzeugen werden als isolierte Systeme ohne Bezug zur Niedervolt- Fahrzeugmasse (Karosserie/Rahmen) ausgeführt. Dies verhindert, dass es im einfachen Fehlerfall zu einem Stromfluss über den menschlichen Körper kommen kann. Doch die Realität weist hier zwei Problematiken auf, die im Sinne der elektrischen Sicherheit insbesondere bei brennstoffzellenelektrischen Nutzfahrzeugen genau betrachtet werden müssen – die Isolationswiderstände und die Y-Kapazitäten zwischen HV+ und Fahrzeugmasse, sowie zwischen HV- und Fahrzeugmasse.

Erstere treten in den einzelnen Komponenten auf, da die hohen elektrischen Widerstände der verfügbaren Isolationsmaterialien und isolierende Luft- und Kriechstrecken unter Alterungs- und Umwelteinflüssen, wie Temperatur und Feuchtigkeit abnehmen und insbesondere in Elektromotoren, Bremswiderständen und Brennstoffzellen maßgeblich zu einem niedrigen Gesamt-Isolationswiderstand beitragen. Dieser vermindert die oben genannte ideale Isolation des HV-Systems und führt bei Unterschreitung der in den einschlägigen Normen festgehaltenen Grenzwerte bereits schon im Einfachfehler zu einem potentiell gefährlichen Stromfluss durch den menschlichen Körper, siehe Abbildung 3.

Bei Brennstoffzellen ist das Thema noch wesentlich sensibler, weil das verwendete Wasser/Glykol-Gemisch zur Kühlung in direktem Kontakt mit den HV-spannungsführenden Bipolarplatten ist und somit die Leitfähigkeit des Kühlmittels, sowie Querschnitt, Länge und Anzahl der Pfade zu Fahrzeugmasse den Isolationswiderstand definieren. Um Effizienzverluste durch galvanisch getrennte DC/DC-Wandler zu vermeiden, konnte AVL simulationsbasiert die beiden AVL-Brennstoffzellensysteme hinsichtlich Isolationswiderstand so weit optimieren, dass sie in zweifacher Ausführung mit gesamt über 300 kW Nettoausgangsleistung im LKW eingesetzt werden können und noch ausreichend Reserven für weitere HV-Komponenten mit niedrigen Iso-Widerständen, wie z.B. den Bremswiderständen, gegeben ist. Analog wurde zur Reduktion der Y-Kapazitäten auf eine entsprechende Auslegung der Komponenten am Gleichspannungszwischenkreis geachtet.

AVL Power Distribution Unit

In elektrifizierten Nutzfahrzeugen und speziell bei brennstoffzellen-elektrischen Antrieben erweist sich die PDU als komplexes Leistungsverteilzentrum im Hochvolt-System aufgrund der Vielzahl an Abgängen. Auch sind die eingebauten Funktionalitäten nicht zu unterschätzen. Aus diesem Grund wurde für den Demo-Truck eine eigene Smart-PDU entwickelt, wie in Abbildung 4 zu sehen ist. 

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Abbildung 4: AVL Power Distribution Unit

Neben den beiden 155 kW Brennstoffzellen sind auch ein Batteriesystem, Bremswiderstände und die beiden Inverter der E-Achse ans Hochvoltsystem angebunden und eine entsprechende, zuverlässige Absicherung realisiert. Aufgrund der hohen Leistungen sind sehr große Zwischenkreiskapazitäten in den einzelnen Komponenten verbaut, welche beim Zuschalten des HV-Systems vorgeladen werden müssen. Eine Vorladefunktion ist zwar standardmäßig in den verwendeten Serienbatterien vorhanden, jedoch ist diese thermisch begrenzt und nicht in der Lage den gesamten HV-Kreis vorzuladen. Daher wurde eine separate Vorladeschaltung für Antriebsinverter und Brems-Chopper, sowie Steuerungs- und Diagnose-Elektronik integriert. Als Notladefunktion wurden Anschlüsse für On-Board-Charger und DC-Ladung über CCS2 verbaut.

Einige elektrifizierte Nebenaggregate im niedrigen Leistungsbereich von 2 … 50 kW sind aufgrund der Leistungsanforderung oder aus Gründen der verminderten Systemkomplexität auch ans Hochvoltnetz angebunden und entsprechend abgesichert. Dazu zählen Lenkhilfepumpe und Luftkompressor, der 24V DC/DC Wandler, sowie zahlreiche Komponenten des Thermalsystems wie Hauptlüfter, Kältemittelkompressor, PTC-Heizer und Wasserpumpen.

Weitere Funktionen, wie die Überwachung des Isolationswiderstandes, die Spannungsmessungen der zahlreichen Teilstränge des HV-Systems und das Management des Multipack Batteriesystems wurden ebenso in der PDU zentralisiert.


Zusammenfassung

In diesem Beitrag werden ausgewählte Kapitel des AVL Fuel Cell Technology Demonstrator Trucks beschrieben. Unter der Maßgabe, die Leistungsfähigkeit modernen Diesel-Lkw zu erreichen, werden spezielle Lösungen aufgezeigt.


Referenzen

[1] Bayer, F.: Systemintegration für einen Heavy- Duty Fuel Cell Truck, VDI Konferenz Antriebsstrang im Nutzfahrzeug, Bonn, 2021.

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