26.07.2017

Automotive Ethernet - Die Zukunft der vernetzten Fahrzeugarchitektur

Kurzfassung

Die individuelle Mobilität der Zukunft erfordert eine Vernetzung auf allen Ebenen: eine Infrastruktur für intelligente Transportsysteme, fortgeschrittene Fahrerassistenzsysteme für das Automatisierte Fahren und eine entsprechende Vernetzung im Fahrzeug selbst – das „Automotive Internet“. Das „Internet der Dinge“ hält seinen Einzug. Diente das bisherige Internet überwiegend der Kommunikation von Menschen, werden heute technische Produkte – eben Dinge – miteinander verknüpft, um Informationen auszutauschen. Zu diesen Dingen gehören immer öfter Fahrzeuge aller Art.

Continental ist einer der Treiber des Automatisierten Fahrens. Voraussetzung hierfür ist ein Intelligentes Transportsystem (ITS), ein Datennetzwerk zwischen der Verkehrsinfrastruktur, den Fahrzeugen und ihren Nutzern. Es setzt eine große Menge Daten voraus, die verknüpft und aufbereitet werden, um als Informationen in Echtzeit wieder verteilt zu werden. Alles mit dem Ziel, Leben und Umwelt zu schützen, aber auch Kosten und Zeit zu sparen.

Die Roadmap für das Automatisierte Fahren steht: Ab kommendem Jahr ermöglichen miteinander verbundene Fahrerassistenzsysteme für Längs- und Querregelung ein teilautomatisiertes Fahren mit Serienfahrzeugen. Ab 2020 brauchen sich Fahrer hoch automatisierter Fahrzeuge auf Autobahnen nicht mehr ständig auf den Verkehr zu konzentrieren. Vollautomatisiertes Fahren wird technisch frühestens ab etwa 2025 auf Autobahnen möglich sein, später auch auf Landstraßen und in Innenstädten.

Die Architektur in den heutigen Fahrzeugen ist über Jahrzehnte gewachsen und entsprechend heterogen. Autos mit 150 und mehr Steuergeräten sind keine Seltenheit. „Automotive Ethernet“ als neuer Standard innerhalb der Fahrzeuge wird zu neuen Fahrzeugarchitekturen und Entwicklungsmethoden führen. Sie werden geprägt sein durch Standardisierung der Schnittstellen und eine wesentlich engere Zusammenarbeit über Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg. Nur so wird sich die weiter deutlich zunehmende Komplexität beherrschen lassen. Wir stehen nach der Ära des Maschinenbaus und der sich anschließenden Mechatronik heute am Beginn des Zeitalters der Informationstechnologie und ihrer Programmierer - auch und gerade im Automotive Bereich.

Abstract

Future individual mobility will require connectivity at all levels: infrastructure for intelligent transport systems, advanced driver assistance systems for automated driving and the corresponding networking in the vehicle itself – the “automotive internet“. The “Internet of Things” is making its appearance. While the present internet mainly served to facilitate communication among people, nowadays technological products – things, that is – are connected for sharing information. These things increasingly are all kinds of vehicles.
Continental is one of the drivers of automated driving, which requires an intelligent transport system (ITS), a data network connecting transport infrastructure, the vehicles and their users. This in turn requires large data volumes, which must be interconnected and prepared so they can again be disseminated as information in real time – all this with the aim to protect life and the environment as well as to save cost and time.

The roadmap for automated driving is clearly laid out: From next year on, interconnected driver assistance systems for longitudinal and transversal control will allow partially automated driving of production vehicles. As of 2020, drivers of highly automated vehicles on motorways will no longer have to fully concentrate on traffic. Fully automated driving will be technically possible only around 2025 at the earliest, at first on motorways, later on also on secondary roads and in the cities.

Today’s vehicle architecture has developed over decade, which is reflected in its heterogeneity. Cars with 150 controllers or more are not uncommon. The “automotive Ethernet” as the new standard inside the vehicles will result in novel vehicle architectures and design methods. These will be characterised by standardised interfaces and considerably closer cooperation across functional and company boundaries.

This will be the only way to manage the significantly increasing complexity. After the era of mechanical engineering that was followed by mechatronics, we are now at the beginning of the information technology age and its programmers – also and not least in the automotive sector.

 

1. Einleitung

Die Digitalisierung schreitet voran, sie betrifft praktisch alle Bereiche des Lebens. Das „Internet der Dinge“, „Industrie 4.0“, „Smart Factorys“ oder „Cyber Physical Systems“ bestimmen die Diskussionen in praktisch allen Branchen. Schon drohte das Internet an seine Grenzen zu stoßen. So konnten Anfang Juli erstmals auch in Nordamerika keine Adressen nach dem alten Protokoll IPv4 mehr vergeben werden: ausverkauft! Asien, Ozeanien und Europa waren schon Jahre vorher praktisch adressenlos. Etwas mehr als vier Milliarden (232) IPv4-Adressen sind jetzt weitgehend aufgebraucht.

Doch es gibt Entwarnung. Der Nachfolger IPv6 bietet so viele Adressen, und zwar 2128 oder über 340 Sextillionen, dass sämtliche Sandkörner unserer Erde mehrfach adressiert werden könnten. Aber wofür braucht man diese Massen an Adressen?

Das Internet der Dinge

Mit dem Internet der Dinge, in dem nicht wie früher nur Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen ihre eigene Adresse im Internet beanspruchen, sondern jede Sache vom Kühlschrank über den Werkzeugfräser bis hin zum Regenschirm, explodiert der Bedarf. Jedes Ding soll eine eigene, eindeutige Internetadresse bekommen können.

Das Internet der Dinge geht auf eine Idee der Logistiker zurück, die täglich Millionen von Gegenständen transportieren müssen. Dieses System muss, um nicht eines Tages zu kollabieren, möglichst minutengenau getaktet sein. Das Ziel ist ehrgeizig: Das System soll sich selbst steuern.

Daran arbeiten beispielsweise die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik der TU Dortmund. Im Internet sollen sich Kisten oder Container selbst durch die logistischen Netze schleusen, ähnlich wie die Datenpakete im Internet. Ist zum Beispiel ein Lkw voll, teilt das die letzte Kiste selbst mit und die Fahrt kann starten. Ein solches System wäre ungleich effizienter als das heutige.

Genauso kann in Zukunft der Kühlschrank feststellen, dass die Milch knapp wird, und selbstständig nachbestellen. Auf dem gleichen Weg können wir aber selbstverständlich alle Autos, Nutzfahrzeuge, Busse und sonstigen Verkehrsteilnehmer miteinander verbinden und Informationen austauschen lassen, ohne dass ein Mensch eingreifen muss.

 

Industrie 4.0: das Internet der Fabriken

Ebenfalls logistische Gründe hat auch das Thema Industrie 4.0. Es ist eigentlich nichts anderes ist als das Internet der Dinge auf der Ebene industrieller Fertigung. Dabei werden Produktionssysteme auch über Unternehmensgrenzen miteinander vernetzt, sodass die Maschinen untereinander die effizienteste Herstellungsmethode aushandeln können. Das wird ganze Branchen revolutionieren, Geschäftsmodelle werden nicht nur effizienter, sondern es werden ganze neue entstehen.

Wie, das zeigt ein Blick in die vorauseilende Consumerwelt. Die Musik- und Verlagsbranchen belegen bereits heute, was passieren kann, wenn plötzlich gigantische digitale Datenmengen über Netzwerke fast kostenlos zur Verfügung stehen. Die Informationen und vor allem ihr Nutzen stiftender Einsatz werden in Zukunft entscheidend für den Geschäftserfolg sein. Beispiel Maschinenbau: Die Vernetzung der Maschinen via Internet wird zu einer Vervielfachung der anfallenden Daten führen. Ausschlaggebend wird nicht mehr sein, Maschinen zu verkaufen, sondern Daten und Dienste – ein Plattformgeschäft, das sich grundlegend vom bisherigen Geschäftsmodell unterscheidet. Ziel wird es werden, Maschinen in den Markt zu bringen, die möglichst viele verwertbare Daten liefern. Das Geld wird nicht mehr derjenige verdienen, der die genaueste oder schnellste Maschine baut, sondern derjenige, der über die Daten verfügt und sie am geschicktesten zu vermarkten weiß.

So stellt sich praktisch in allen Branchen, auch in der Automobilindustrie, die Frage, ob IT- und Internetunternehmen die neuen Wettbewerber sind. Mittlerweile könnten Google, Apple & Co. zu potenziellen Mitbewerbern werden. Oder zu Kooperationspartnern, denn keine der beiden Branchen wird die Herausforderungen der Zukunft allein stemmen können.

Connected Car

Das Auto der Zukunft wird Teil des Internets sein. Es wird ständig einen Datenstrom aus der Cloud empfangen, aktuelle Karten, Straßenzustandsberichte, Kommunikationsdienste oder  Entertainment-Programme, um nur einige Beispiele zu nennen. Gleichzeitig wird es selbst als Datenlieferant dienen, der seine aktuellen Informationen übergeordneten Diensten, aber auch direkt anderen Fahrzeugen zur Verfügung stellt. Ein Beispiel: Die Sensoren des Fahrzeugs detektieren Blitzeis. Das Connected Car wird sofort alle nachfolgenden Fahrzeuge vor der Gefahr warnen.

Die Verbindung zum Internet wird über das eingangs beschriebene IPv6-Protokoll abgewickelt. Es verbindet das Fahrzeug mit Geräten, Anwendungen und der Infrastruktur. Diagnosegeräte der Werkstätten werden sich ebenfalls via IP mit den Steuergeräten an Bord verbinden.

Die Funktionen und Domänen wie Antriebsstrang, Fahrwerk, Komfortfunktionen und Informations- und Kommunikationsflüsse im Fahrzeug selbst werden IP-basiert über einen Ethernet-Bus abgewickelt. Er bildet das Kommunikations-Backbone im Fahrzeug, denn nur das Ethernet ist in der Lage, die sehr hohen Anforderungen bezüglich Bandbreite, Echtzeitfähigkeit, Datenschutz und  sicherheit zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten auf Dauer zu erfüllen. Sicher wird es noch lange Zeit für untergeordnete oder spezielle Aufgaben andere Bussysteme geben, aber das Ethernet ist eindeutig die Zukunftstechnologie auch für den Automobilbereich.

 

2. Ethernet: die Zukunft des automobilen Netzwerks

Bereits vor etwa acht Jahren stellte Continental als erster Zulieferer gemeinsam mit dem US-amerikanischen Ethernet-Anbieter Broadcom und BMW die ersten Demofahrzeuge mit „Unshielded Twisted-Pair-Ethernet“ vor und bekennt sich seitdem klar zu diesem zukunftsweisenden und gleichzeitig kostengünstigen System. Erste Ethernet-Produkte sind in Serie. Continental ist einer der Haupttreiber der weltweiten Standardisierung auf diesem Gebiet, angesiedelt bei beim Verband „Open Alliance“ und dem IEEE-(Institute of Electrical and Electronics Engineers)-Konsortium. Das Automotive Ethernet soll die anderen automobilspezifischen Bussysteme ablösen oder zumindest ergänzen, wo diese an ihre Grenzen stoßen.

So lassen sich mit dem seit langem etablierten CAN-(Controller Area Network)-Bus zwar Befehle an eine Bremse oder eine Lenkung schicken. Er verfügt aber nur über eine vergleichsweise geringe Bandbreite. Er unterstützt weder Backbone-Architekturen noch erfüllt er aktuelle Safety-Anforderungen. Die Informationen liegen relativ einfach auf dem Bus und werden mehr oder weniger unkontrolliert konsumiert. Es ist allerdings eine etablierte, preiswerte Lösung, weshalb sie auch weiterhin für bestimmte Funktionen ihre Berechtigung behalten wird. Die Nachfolge-Technologie CAN-FD füllt die Bandbreitenlücke zwischen CAN und Ethernet.

Displays im Armaturenbrett, die Videos übertragen können und erst kürzlich in 4K-Technologie angekündigt wurden, benötigen beispielsweise sehr viel breitbandigere Systeme. Der auf Lichtwellenleitertechnik beruhende MOST-(Media Oriented Systems Transport)-Bus kann zwar diese Datenflut bewältigen, er erfordert jedoch hohe Lizenzgebühren und spezielles Know-how. Mitarbeiter müssen geschult werden, man benötigt eine umfassende Entwicklungstoolkette, Compiler und weitere Komponenten ziehen immer wieder Lizenzgebühren nach sich. Ein weiterer gravierender Nachteil ist, dass alle Teilnehmer im MOST-Ring angeordnet sind. Fällt ein Teilnehmer aus, ist der komplette Ring gestört, was unter Safety-Gesichtspunkten nicht akzeptabel ist.

Eine weitere Alternative ist der FlexRay-Bus, der als Nachfolgetechnologie des CAN-Busses etabliert werden sollte und mehr Datenübertragungsrate, Echtzeit-Fähigkeit sowie Ausfallsicherheit bringen sollte. Der zweikanalige FlexRay-Bus arbeitet seriell, ist sehr deterministisch aufgebaut, dafür aber fehlertolerant. Sein äußerst komplexer Aufbau führte jedoch dazu, dass er sich in der Automobilindustrie nicht durchsetzen konnte. Das FlexRay-Konsortium löste sich 2010 auf. Allerdings wurde der Industrie-Standard in einen ISO-Standard überführt und steht nach wie vor zur Verfügung.

Nicht verschwiegen werden soll, dass das Ethernet aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte gewisse Probleme mit der Echtzeitfähigkeit hatte. Aber daran wird gearbeitet. Andere Anwendungsbereiche, wo sich das Ethernet mittlerweile auch durchsetzt, haben hier bereits Vorarbeiten geleistet, auf die eine automobile Entwicklung aufsetzen kann. Übrigens weist das Ethernet aktuell in den Fertigungshallen der Automobilhersteller die höchsten Wachstumsraten aller Vernetzungssysteme auf.

Roadmap seit 2008

2008 entwickelte Continental gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern eine Roadmap zur Zukunft der Bussysteme im Automobil in den Teilbereichen Antrieb, Interior sowie Fahrwerk und Sicherheit. Sie reicht bis ins Jahr 2020. 2010 dominierten noch CAN- und FlexRay-Bus. Speziell im Infotainmentbereich kamen und kommen der lichtwellenbasierte MOST-Bus sowie der Schnittstellenstandard für Hochgeschwindigkeitsübertragung LVDS (Low Voltage Differential Signaling) hinzu. Sie stellen die hierfür benötigten große Bandbreiten zur Verfügung.

Bereits heute, im Jahr 2015, treten in fast allen Bereichen zunehmend Ethernet-basierte Bussysteme hinzu, vor allem der BroadR-Reach-Bus von Broadcom. Dabei handelt es sich um ein einfaches, ungeschirmtes und verdrilltes Zweidraht-Kabel, das sich durch geringe Verbindungskosten und wenig Gewicht auszeichnet. In Teilbereichen der Karosserie kommt auch der 100BASE-TX-Bus zum Einsatz, der heute im 100-Mbit/s-Bereich die Standard-Ethernet-Implementation darstellt. Weiterhin Bestand haben wird der CAN-Bus und seine Weiterentwicklung, der CAN-FD-Bus, speziell für Anwendungen mit relativ geringem Bandbreitenbedarf. Bereits in fünf Jahren werden jedoch die bisherigen bandbreitenstarken Bussysteme MOST und FlexRay zunehmend durch den BroadR-Reach-Bus abgelöst. Für besonders bandbreitenintensive Anwendungen wird der RTPGE-(Reduced Twisted Pair Gigabit Ethernet)-Bus („1000BASE-T1“) mit einem Gbit/s eingesetzt werden, dessen Einführung für nächstes Jahr angekündigt wurde. Aber schon heute zeichnet sich ab, dass auch diese Bandbreite in Zukunft im Automobil nicht alle Anwendungen wird abdecken können. Der Bedarf nach Bandbreite steigt weiter.

 

Erste Ethernet-Serienprodukte im Automobilmarkt

Mit dem 2013 vorgestellten BMW X5 kam die erste Ethernet-Anwendung auf BroadR-Reach-Basis auf den Markt. Eingesetzt wird es für das optionale Surround-View-System. Der Fahrer kann sich auf einem Display sein Fahrzeug und das Umfeld quasi von oben anzeigen lassen. Die Daten für die fotorealistische Ansicht liefern vier kleine Kameras mit 185°-Fisheye-Objektiven. Ein Steuergerät sammelt die vier Einzelbilder und berechnet mithilfe eines Algorithmus‘ ein Gesamtbild. Das bandbreitenstarke Ethernet liefert dabei Rohbilddaten von den Kameras zum Steuergerät.

 

BroadR-Reach-Basistechnologien bilden Grundstein

Das Ethernet ist heute im Bürobereich der absolute Standard. Sämtliche Geräte in einem Büronetzwerk werden mit dem Standardkabel RJ45 verbunden. Es besteht aus 4x2 Adern, und es ist geschirmt. Es wurde nicht für den Einsatz im automobilen Umfeld entwickelt, was als sein relativ größter Nachteil gesehen werden kann. Aber es wird mit Hochdruck daran gearbeitet, es den Erfordernissen der automobilen Welt anpassen.

Das Ethernet fand seinen Weg ins Auto über einen Umweg. In seiner ursprünglichen Form, den vier Doppeladern mit Abschirmung ist es zu schwer und zu teuer. Allerdings entwickelte vor Jahren Broadcom eine stark reduzierte Version für typische japanische Wohnhäuser. Diese sind traditionell mit zweiadrigem, ungeschirmtem Klingeldraht durchzogen, der für Ethernetanwendungen nutzbar gemacht werden sollte.
Diese Entwicklung setzte sich zwar nicht durch, aber als Automobilhersteller nach einer kostengünstigen Variante zu den bestehenden Bussystemen wie CAN, MOST und FlexRay suchten, stieß man auf die Broadcom-Entwicklung. Sie wurde in den Folgejahren an die automobilspezifischen Bedürfnisse angepasst. Das Ergebnis ist heute BroadR-Reach, das automobile Ethernet von Broadcom mit einer 100-Mbit/s Bandbreite. Wesentlicher Vorteil ist die relativ kostengünstige Bandbreite. Zudem erfordert es keine Spezialkenntnisse. Das beschleunigt die Entwicklung und reduziert die Entwicklungskosten.

Allerdings ist in vielen Bereichen Broadcom aufgrund der Patentsituation der einzige Lieferant von Transceivern und Switches. Sie sind notwendig, um Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und Netzwerke aufzubauen. Entsprechend hoch ist noch das Preisniveau für diese Komponenten. Mittlerweile stehen jedoch weitere Anbieter in den Startlöchern, die von Broadcom lizenziert wurden und erste Transceiver anbieten. Mit der sukzessiven Erweiterung ihrer Produktpaletten und größeren Stückzahlen ist auch mit sinkenden Preisen der Komponenten zu rechnen.

 

Weltweite Standarisierung ausschlaggebend für Erfolg

Das IEEE veröffentlichte den ersten Ethernet-Standard IEEE 802.3 bereits 1983. Über mehrere Stufen hinweg wurde 1999 mit dem 1000BASE-T eine Gigabit-Version von Ethernet standardisiert. Aber erst ab etwa 2010 begann das Ethernet sich auch in der Automobilindustrie zu etablieren. Bis dahin fehlten die notwendigen Interface-Bausteine (Physical Layer), die auf Basis der OPEN-Alliance-BroadR-Reach-(OABR)-Spezifikation die Übertragung von Signalen mit 100 Mbit/s über die ungeschirmten verdrillten Kabel ermöglichten.

Die BroadR-Reach-Technologie hat sich zwar quasi als Industriestandard bereits etabliert, die Automobilhersteller legen jedoch großen Wert auf eine offizielle Standardisierung, die es mehreren Anbietern ermöglicht, in diesen Markt einzutreten. Die entsprechenden IEEE-Arbeitsgruppen haben mit ihrer Arbeit begonnen und werden in absehbarer Zeit den Standard 100BASE-T1 für den 100-Mbit/s-Bus verabschieden. Auch an der Standardisierung für Übertragungsraten von 1 Gbit/s, der 1000BASE-T1-Standard, wird bereits gearbeitet.

Die weltweite Standardisierung ist entscheidend für den Durchbruch des Ethernets im Automobil. Daran arbeitet auch Continental in den entsprechenden Gremien mit. Solche Standards sind eine wesentliche Voraussetzung, damit mehrere Anbieter Produkte gleicher oder überschneidender Funktionalität entwickeln können und so eine Wettbewerbssituation entsteht.

 

3. Zukunftstechnologien mit Ethernet-Bedarf

Continental entwickelt in seinen Lighthouse-Programmen die automobilen Technologien der Zukunft. Derzeit stehen vier Entwicklungen im Mittelpunkt: das Automatisierte Fahren, die Hybridisierung des Antriebs zur Verbesserung der Effizienz und die Elektromobilität, um Reichweite, Kosten und Ladetechniken zu verbessern, sowie Intelligente Transportsysteme (ITS). Ihnen allen gemeinsam ist ein großes Datenaufkommen, das wirtschaftlich in weiten Teilen nur mit der Ethernet-Technologie bewältigt werden kann.

Automatisiertes Fahren

Das Automatisierte Fahren hat bereits begonnen. Heute sind erste Serienfahrzeuge erhältlich, die auf Wunsch des Fahrers die Längs- und Querführung übernehmen können. Der Fahrer behält weiter die Kontrolle und Verantwortung. Bereits im kommenden Jahr werden weitere Ausbaustufen ein teilautomatisiertes Fahren ermöglichen. Hoch automatisiertes Fahren wird, zumindest auf Autobahnen, technisch ab 2020 möglich sein. Das bedeutet, der Fahrer muss sich nicht mehr ausschließlich dem Verkehr widmen! Eine Vollautomatisierung ist geplant nach 2025, zunächst auf Autobahnen, später auch auf Landstraßen und in Innenstädten. Dies setzt allerdings flankierende rechtliche Rahmenbedingungen des Gesetzgebers voraus.

Wenngleich die Grundlagen bestehen, sind noch umfangreiche weitere Entwicklungen nötig. Vor allem vier Schlüsseltechnologien müssen bearbeitet werden:

  • die Sensorik zur Wahrnehmung der Umwelt,
  • die Konnektivität für weiterreichende Information und Kommunikation,
  • die Datenfusion zur Verbesserung der Erkennungsleistung und 
  • die Algorithmen zur Situationsinterpretation und Fahrstrategie.

Weitere übergreifende Themen sind die funktionale Sicherheit, die Systemarchitektur und schließlich das Human-Machine-Interface (HMI), das die zentrale Bedeutung des Fahrers in den Mittelpunkt stellt. All diesen Teilbereichen ist eines gemeinsam: der Bedarf nach hoher Interaktion, die wesentlich einfacher abgewickelt werden muss als heute – das Automotive Ethernet ist hier das Mittel der Wahl.

 

HECO2 (Highly Efficient CO2 vehicle)

Das Ethernet leistet darüber hinaus auch einen Beitrag zur Energieeffizienz. Im Lighthouse-Projekt HECO2 beschäftigt sich Continental mit der Verbesserung der Energieeffizienz. Das Ziel: die Kunden mit innovativen Technologien und Lösungen zu unterstützen, um die weltweit immer strengeren Abgas-Regularien zu erfüllen. So dürfen Fahrzeugflotten eines Herstellers in Europa nach 2020/21 im Schnitt nur noch 95 g/km CO2 emittieren.

Der Ethernet-Beitrag: Während bei herkömmlichen Bussystemen stets alle Komponenten laufen und mit Energie versorgt werden müssen, ist das Ethernet in der Lage, Receiver oder ganze Kommunikationstränge abzuschalten und bei Bedarf in kürzester Zeit wieder aufzuwecken. Die Steuergeräte eines gut ausgestatteten Oberklasse-Fahrzeugs benötigen heute etwa 600 W, was etwa 15 g CO2-Emission bedeutet. Durch gezieltes Abschalten lässt sich hier die CO2–Emission reduzieren.

 

Advanced Electro Vehicle

Das Lighthouse-Programm Advanced Electro Vehicle (AEV) beschäftigt sich mit den drei zentralen Entwicklungsthemen der Elektromobilität: der Verbesserung der Reichweite unter allen Temperaturbedingungen, dem schnelleren und einfacheren Laden der Batterien und nicht zuletzt den Kosten eines Elektrofahrzeugs.

Auch hier leistet das Ethernet einen Beitrag, indem es den Verkabelungsaufwand deutlich reduziert. So ist es beispielsweise einerseits möglich, Kleinverbraucher wie Sensoren neben der Kommunikation auch mit der benötigten Energie zu versorgen („Power-Over-Dataline“). Andererseits können Energie führenden Kabeln Ethernet-Signale aufgeprägt werden, sodass eine zusätzliche Leitung entfallen kann („Powerline“). Das spart Gewicht, Verdrahtungsaufwand und Kosten.

Intelligent Transportation Systems

Die Intelligent Transportation Systems (ITS) bezeichnen Dienstleistungen, die sich aus der geschickten Nutzung der Datenflut entwickeln lassen. Im Wesentlichen unterscheiden wir fünf Bereiche:

  • Flottenmanagement
  • Intelligente Bezahlsysteme
  • Sicherheit
  • Wartungsmanagement
  • Advanced Traffic Management Systems

Mit ITS verfolgen wir vier Ziele: Sie sollen Kosten reduzieren und Zeit sparen sowie Leben bewahren und die Umwelt schützen. So ist es zum Beispiel denkbar, dass Kinder einen Transponder tragen, der sie für Autos erkennbar macht, lange bevor sie auf die Fahrbahn laufen. Unfälle lassen sich so verhindern. Hard- und Software sind dabei so ausgestattet, dass sie intern und extern Daten weiterreichen und intern verarbeiten können. Die Informationen anderer Verkehrsteilnehmer werden zusammen mit den Fahrzeug- und Umfeldsensorinformationen fusioniert. Der Fahrer erhält auf ihn zugeschnittene Informationen, Warnungen und Hilfestellungen.

Ein weiterer Bereich der Architektur ist die Infrastruktur. Dieser Bereich umfasst das Verkehrsnetz zusammen mit den dazugehörigen Technologien zur Datenerfassung und  austausch. Telekommunikation sorgt dafür, dass die Informationen zu anderen Teilnehmern weitergeleitet werden.

Dies geschieht über ein physisches Backend, beispielsweise Rechenzentren, die die Daten sammeln und verarbeiten. Von hier werden die Daten direkt den auf dem Backend laufenden Anwendungen, sogenannte Mehrwertdienste, zur Verfügung gestellt, um beispielsweise komplexe Transportprozesse effizienter zu gestalten.

Ziel ist es letztlich, den Anwendern individuell zugeschnittene Informationen in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, was heute in dieser Form noch nicht möglich ist. Solche neuen Mehrwertdienste können die Gesamtkosten eines Fahrzeugs reduzieren, den individuellen Komfort steigern und die Fahrer- und Fußgängersicherheit erhöhen. Nicht zuletzt ermöglichen sie völlig neue Geschäftsmodelle. Die benötigten Datenströme und die Komplexität der eingesetzten Technologien erfordern ebenfalls die Ethernet-Technologie als Basis, zumal sie im Businessbereich bereits fest etabliert ist.

 

4. Evolution der Technologie

Bandbreitenbedarf: Gbit wird nicht reichen

Egal, welche zukünftigen Technologien und Funktionalitäten man im Automobil betrachtet: Praktisch alle benötigen sehr viel Bandbreite, um die anfallenden Daten zu transportieren. 100 Mbit/s gehen jetzt in Serie und decken zumindest teilweise die aktuellen Bedürfnisse ab. Im Laufe des nächsten Jahres ist laut Broadcom-Ankündigung mit 1 Gbit/s zu rechnen, aber uns ist heute schon klar, dass auch diese Bandbreite nicht reichen wird.

Das Standard-Ethernet gibt es heute bereits mit bis zu 10 Gbit/s, an 100 Gbit/s arbeitet man und es soll Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Das sind auch die Zielmarken für das Automotive Ethernet. Das Gigabit-Ethernet wird die 100-Mbit/s-Technologie jedoch im Auto nicht ablösen. Vielmehr würden beide, abhängig von der Anwendung, parallel eingesetzt. Eine Voraussetzung ist deshalb, dass die Ethernet-Netze untereinander kompatibel bleiben.

Continental sitzt bereits in den Startblöcken, um diese neue Ethernet-Technologie im Auto zu testen und die technische Nutzbarkeit unter Beweis zu stellen. Fragestellungen sind unter anderem, welche Applikationen möglich sind und ob die einschlägigen Bestimmungen der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) eingehalten werden.

Fallen die Tests positiv aus, werden von der neuen Bandbreite vor allem datenintensive Anwendungen im Bereich Umfeldsensorik, also das Erkennen der Umwelt, profitieren. Sie sind eine zentrale Voraussetzung für das Automatisierte Fahren. In diesem Bereich sind die Anforderungen an das Thema Sicherheit besonders hoch. Automatisierte Systeme wie der Autopilot müssen ausfallsicher sein, das Ethernet bietet hierfür die richtigen Lösungen.

Aber gerade das Automatisierte Fahren ist ein Bereich, wo selbst 1 Gbit/s Bandbreite nicht reichen wird. Bandbreitentreiber sind vor allem die Umfelderkennung und die Sensorik für das Automatisierte Fahren, aber auch neue Display-Technologien mit 4K  oder gar 8K-Auflösung. Samsung kündigte Mitte des Jahres sogar ein 13K-Display an, weil sich damit 3D-Effekte ohne Spezialbrille erzielen ließen. Schon bei einer Stereokamera für den automobilen Einsatz liegt die Rohdatenrate heute über 1Gbit/s, weshalb bislang eine Vorverarbeitung und Datenkomprimierung im Sensor stattfinden muss.

 

AVB und TSN sorgen für Echtzeitfähigkeit

Erste Anwendungsfälle wie das bereits erwähnte Verschicken der Daten von Kameras nutzen das UDP-Streaming („User Data Protocol“). Es ist nicht hoch deterministisch, sodass hin und wieder ein Ethernet-Frame verloren gehen kann. In solchen Anwendungsfällen ist das unkritisch. Für zukünftige Anwendungen gewinnen die Themen Echtzeitfähigkeit und Ausfallsicherheit jedoch an Bedeutung, wenn beispielsweise eine Bremse oder Lenkung angesteuert werden soll. Das sind sicherheitskritische Fälle, bei denen sichergestellt sein muss, dass Daten ihr Ziel auf jeden Fall erreichen, und zwar in einer bestimmten, vorgegebenen Zeit.

Hierfür bedient sich das Automotive Ethernet im Audio-Video-Bereich. Mit der „Audio-Video-Bridging“-Technik (AVB) aus dem professionellen Entertainment-Bereich wird sichergestellt, dass Ton und Video exakt synchron laufen. Die Daten werden hierfür in Zeitschlitzen zyklisch und streng deterministisch verschickt, um zu einer bestimmten Zeit den Empfänger zu erreichen. Das reicht für das beschriebene Surround-View-System oder lippensynchrone Audio/Video-Darstellungen, die heute noch den teueren MOST-Bus benötigen, völlig aus.

Probleme des AVB-Standards sind jedoch die sehr langen Startzeiten und die fehlenden Redundanzmechanismen, die im ursprünglichen Anwendungsbereich Audio/Video unwichtig sind. Die AVB-Technologie wird deshalb weiterentwickelt zum „Time Sensitive Network“ (TSN). Ziel ist es, Daten in Echtzeit über das Ethernet zu verschicken und eine Latenzzeit von höchstens 100 µs über fünf Netzknoten (Hops) hinweg zu erreichen. Derzeit befindet sich TSN in der IEEE in der Spezifikationsphase, weshalb es noch relativ wenige Entwicklungen dazu gibt. Continental arbeitet jedoch bereits an Vorentwicklungen, mit ersten Ergebnissen ist in ein bis zwei Jahren zu rechnen.

 

Serviceorientierte Kommunikation

Die Fahrzeuge der Zukunft, sowohl Pkw als auch Nutzfahrzeuge, müssen und werden vernetzt sein. Über eine Cloud werden sie miteinander kommunizieren und wichtige Daten austauschen. Das bedeutet einen Übergang von der heutigen signalbasierten zur serviceorientierten Kommunikation. Unter einem solchen Service verstehen wir eine Funktion innerhalb des Netzwerks, die auf Anfrage zur Verfügung gestellt wird. Dabei fragt das Ethernet zunächst ab, auf welchem Steuergerät oder auf welcher Karte sich diese Funktion befindet und rechnet sie. Im Anschluss wird sie ausgeführt. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich grundsätzlich vom üblichen CAN-Bus, bei dem jeder Sender lediglich zyklisch Informationen auf den Bus legt, ohne den tatsächlichen Bedarf und die Verwendung zu kontrollieren.

5. Neue Technologie kann Revolution auslösen

Die zunehmende Komplexität der Kommunikationsabläufe im Fahrzeug erfordert eine völlig neue Architektur. Übliche Rechner verfügen in der Regel über ein Betriebssystem wie Windows oder Linux, das alle grundlegenden Funktionen zum Betrieb des Computers abdeckt. Auf diesem Betriebssystem laufen Applikationen, in der Bürowelt beispielsweise Microsoft Office. Diese „sprechen“ mit dem Betriebssystem, das Speicher und Rechenzeit verwaltet. Der Applikation ist ein Stück physische Hardware zugeteilt.

Einen großen Schritt weiter geht man bei der sogenannten Virtualisierung. Mehrere Applikationen teilen sich in diesem Fall Betriebssystem und Hardware. Eine Zwischenschicht, der „Hypervisor“, gaukelt den Anwendungen vor, dass jede allein die Ressourcenschaft innehat. Der Hypervisor managed die Applikationen. Der Vorteil: Ist eine Applikation nicht aktiv, kann durch die dynamische Ressourcenverwaltung den anderen mehr Speicher und Rechenzeit zugewiesen werden.

Ein bekanntes Beispiel aus dem Büroalltag für eine solche Virtualisierung ist ein „Virtual Private Network“ (VPN). Jedes Ethernet-Frame erhält eine Art Identifikationsnummer, die dafür sorgt, dass trotz des von vielen virtuellen Netzwerken gemeinsam genutzten physischen Netzwerks nur Ethernet-Frames mit identischer Nummer wieder zusammengeführt werden.

Weitere Vorteile bei einer Hardware-Virtualisierung sind beispielsweise die jederzeitige Skalierbarkeit der unter der Zwischenschicht liegenden Hardware. Bei Bedarf können einfach stärkere Prozessoren oder größere Speicher eingebaut werden, ohne Änderungen an den Applikationen vornehmen zu müssen.
Allerdings müssen solche Hypervisor sehr leistungsfähig sein, um schnell genug zwischen den Applikationen umschalten zu können, da es sich bei den Applikationen um zeitkritische Aufgaben handeln kann. So liegt der maximal zulässige Wert für eine Lenkung bei 10 ms. Der Hypervisor muss dann im Mikrosekundenbereich umschalten können. Das erfordert sehr gute Prozessoren beziehungsweise Multicore-Prozessoren. Hierdurch eröffnet sich ein neues Betätigungsfeld für neue Player im Automotivebereich. So haben zum Beispiel die Prozessorhersteller Intel oder Nvidia bereits eigene Automative-Roadmaps aufgestellt.

Die Hypervisor-Technologie stammt ursprünglich aus der Luftfahrtindustrie, wo sie im Zuge der Fly-by-Wire-Technologie schon seit vielen Jahren zertifiziert und strengen Reviews unterzogen wird. Die aktuelle Aufgabe für die Automobilindustrie besteht darin, zu untersuchen, welche Elemente aus der Luftfahrt übernommen und welche automobilspezifisch neu entwickelt werden müssen.

 

Neue Wertschöpfungsketten entstehen

Der große Vorteil solcher Hardware-Plattformen liegt darin, dass sie die Basis für standardisierte Aufgaben bilden. Sie erfordern jedoch ein enges Zusammenarbeiten verschiedener Entwicklungsbereiche. Es wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass beispielsweise der Infotainment-Bereich eine Applikation und ein Steuergerät entwirft und völlig getrennt davon im Fahrwerksbereich eine Applikation und ein Steuergerät für die Bremse entsteht, die andere Prozessoren und ein anderes Betriebssystem nutzen. Diese Vereinheitlichung der E/E-Architektur setzt voraus, dass Abteilungs- und sogar Unternehmensmauern eingerissen und überwunden werden. Das Zusammenarbeitsmodell insgesamt wird sich verändern und damit auch die gängigen Entwicklungsprozesse.

Wenn aber alle auf derselben Hardware aufsetzen, diese quasi als Dienstleistung standardisiert bereitgestellt wird, werden sich die Wertschöpfungsketten in der Automobilindustrie grundlegend ändern. Entscheidend wird nicht mehr sein, wer das beste Steuergerät liefert, sondern die beste Softwareanwendung. Die Automobilindustrie startet damit endgültig ins Zeitalter der Softwareentwickler. Sie vollzieht allerdings nur eine Entwicklung nach, die in anderen Bereichen viel früher eingesetzt hat. Und sie muss frühzeitig Geschäftsmodelle entwickeln, die ihr das automobilspezifische Know-how in dieser neuen Welt sichern.

 

6. Zusammenfassung, Fazit

Continental hat sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt klar zum Ethernet positioniert und prägt von Anfang die Entwicklung an führender Stelle mit. So treibt Continental die Standardisierung von Automotive Ethernet an vorderster Front voran und kann die technologische Weiterentwicklung maßgeblich mitbestimmen.

Die wesentlichen Gründe, die für das Automotive Ethernet sprechen, sind:

  • Große Bandbreiten
  • Kostengünstig
  • Keine Spezialkenntnisse nötig
  • Vereinheitlichung der Kommunikation
  • Beherrschbarkeit der zunehmenden Komplexität
  • Energieeffizienz
  • Einheitliche Steckverbindung
  • Standardisierte Schnittstellen

Mit der entsprechenden Weiterentwicklung TSN wird das Ethernet einsatzfähig für Umfelderkennung und Automatisiertes Fahren:

  • Echtzeitfähigkeit
  • Sicherheit durch Redundanz

Vor allem die beiden letzten Punkte bilden die Voraussetzung für die Umsetzung der zentralen Continental-Entwicklungsziele Automatisiertes Fahren und Intelligente Transport-Systeme (ITS). Ethernet wird der Standard-Kommunikationskanal der Zukunft sein.

Dies wird jedoch zu einer Disruption in der Fahrzeugentwicklung führen. Heute noch physisch vorhandene Steuergeräte, die mehr oder weniger eine Blackbox bilden, werden ersetzt durch Softwaremodule, die ihre Rechen- und Speicherkapazitäten bedarfsabhängig und dynamisch von einem Hypervisor aus einer gemeinsam genutzten Standard-Hardware zugeteilt bekommen.

Damit wird sich aber auch die Wertschöpfung ganz deutlich von der Hardware hin zur Software verschieben. So wie es schon lang in Rechenzentren üblich ist, wird die Hardware aus skalierbaren, austauschbaren Rechnereinschüben bestehen. Entscheidend wird in Zukunft also die Software sein, die Hardware, auf der sie läuft, wird zweitrangig sein. Daraus werden sich völlig neue Zusammenarbeitsmodelle entwickeln. Continental hat darauf bereits reagiert und arbeitet an den Themen der Zukunft bereichsübergreifend. Aber auch über Unternehmensgrenzen hinweg werden sich neue Kooperationsformen entwickeln. Dabei werden völlig neue Player auftreten, wie es sie sich heute in Anfängen schon im Silicon Valley andeutet.

Autor des Artikels

Jürgen Röder

Leiter Technology Development Communication Networks and Driving Functions, Continental Automotive GmbH