Intelligent Transportation Systems
Die Intelligent Transportation Systems (ITS) bezeichnen Dienstleistungen, die sich aus der geschickten Nutzung der Datenflut entwickeln lassen. Im Wesentlichen unterscheiden wir fünf Bereiche:
- Flottenmanagement
- Intelligente Bezahlsysteme
- Sicherheit
- Wartungsmanagement
- Advanced Traffic Management Systems
Mit ITS verfolgen wir vier Ziele: Sie sollen Kosten reduzieren und Zeit sparen sowie Leben bewahren und die Umwelt schützen. So ist es zum Beispiel denkbar, dass Kinder einen Transponder tragen, der sie für Autos erkennbar macht, lange bevor sie auf die Fahrbahn laufen. Unfälle lassen sich so verhindern. Hard- und Software sind dabei so ausgestattet, dass sie intern und extern Daten weiterreichen und intern verarbeiten können. Die Informationen anderer Verkehrsteilnehmer werden zusammen mit den Fahrzeug- und Umfeldsensorinformationen fusioniert. Der Fahrer erhält auf ihn zugeschnittene Informationen, Warnungen und Hilfestellungen.
Ein weiterer Bereich der Architektur ist die Infrastruktur. Dieser Bereich umfasst das Verkehrsnetz zusammen mit den dazugehörigen Technologien zur Datenerfassung und austausch. Telekommunikation sorgt dafür, dass die Informationen zu anderen Teilnehmern weitergeleitet werden.
Dies geschieht über ein physisches Backend, beispielsweise Rechenzentren, die die Daten sammeln und verarbeiten. Von hier werden die Daten direkt den auf dem Backend laufenden Anwendungen, sogenannte Mehrwertdienste, zur Verfügung gestellt, um beispielsweise komplexe Transportprozesse effizienter zu gestalten.
Ziel ist es letztlich, den Anwendern individuell zugeschnittene Informationen in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, was heute in dieser Form noch nicht möglich ist. Solche neuen Mehrwertdienste können die Gesamtkosten eines Fahrzeugs reduzieren, den individuellen Komfort steigern und die Fahrer- und Fußgängersicherheit erhöhen. Nicht zuletzt ermöglichen sie völlig neue Geschäftsmodelle. Die benötigten Datenströme und die Komplexität der eingesetzten Technologien erfordern ebenfalls die Ethernet-Technologie als Basis, zumal sie im Businessbereich bereits fest etabliert ist.
4. Evolution der Technologie
Bandbreitenbedarf: Gbit wird nicht reichen
Egal, welche zukünftigen Technologien und Funktionalitäten man im Automobil betrachtet: Praktisch alle benötigen sehr viel Bandbreite, um die anfallenden Daten zu transportieren. 100 Mbit/s gehen jetzt in Serie und decken zumindest teilweise die aktuellen Bedürfnisse ab. Im Laufe des nächsten Jahres ist laut Broadcom-Ankündigung mit 1 Gbit/s zu rechnen, aber uns ist heute schon klar, dass auch diese Bandbreite nicht reichen wird.
Das Standard-Ethernet gibt es heute bereits mit bis zu 10 Gbit/s, an 100 Gbit/s arbeitet man und es soll Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Das sind auch die Zielmarken für das Automotive Ethernet. Das Gigabit-Ethernet wird die 100-Mbit/s-Technologie jedoch im Auto nicht ablösen. Vielmehr würden beide, abhängig von der Anwendung, parallel eingesetzt. Eine Voraussetzung ist deshalb, dass die Ethernet-Netze untereinander kompatibel bleiben.
Continental sitzt bereits in den Startblöcken, um diese neue Ethernet-Technologie im Auto zu testen und die technische Nutzbarkeit unter Beweis zu stellen. Fragestellungen sind unter anderem, welche Applikationen möglich sind und ob die einschlägigen Bestimmungen der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) eingehalten werden.
Fallen die Tests positiv aus, werden von der neuen Bandbreite vor allem datenintensive Anwendungen im Bereich Umfeldsensorik, also das Erkennen der Umwelt, profitieren. Sie sind eine zentrale Voraussetzung für das Automatisierte Fahren. In diesem Bereich sind die Anforderungen an das Thema Sicherheit besonders hoch. Automatisierte Systeme wie der Autopilot müssen ausfallsicher sein, das Ethernet bietet hierfür die richtigen Lösungen.
Aber gerade das Automatisierte Fahren ist ein Bereich, wo selbst 1 Gbit/s Bandbreite nicht reichen wird. Bandbreitentreiber sind vor allem die Umfelderkennung und die Sensorik für das Automatisierte Fahren, aber auch neue Display-Technologien mit 4K oder gar 8K-Auflösung. Samsung kündigte Mitte des Jahres sogar ein 13K-Display an, weil sich damit 3D-Effekte ohne Spezialbrille erzielen ließen. Schon bei einer Stereokamera für den automobilen Einsatz liegt die Rohdatenrate heute über 1Gbit/s, weshalb bislang eine Vorverarbeitung und Datenkomprimierung im Sensor stattfinden muss.
AVB und TSN sorgen für Echtzeitfähigkeit
Erste Anwendungsfälle wie das bereits erwähnte Verschicken der Daten von Kameras nutzen das UDP-Streaming („User Data Protocol“). Es ist nicht hoch deterministisch, sodass hin und wieder ein Ethernet-Frame verloren gehen kann. In solchen Anwendungsfällen ist das unkritisch. Für zukünftige Anwendungen gewinnen die Themen Echtzeitfähigkeit und Ausfallsicherheit jedoch an Bedeutung, wenn beispielsweise eine Bremse oder Lenkung angesteuert werden soll. Das sind sicherheitskritische Fälle, bei denen sichergestellt sein muss, dass Daten ihr Ziel auf jeden Fall erreichen, und zwar in einer bestimmten, vorgegebenen Zeit.
Hierfür bedient sich das Automotive Ethernet im Audio-Video-Bereich. Mit der „Audio-Video-Bridging“-Technik (AVB) aus dem professionellen Entertainment-Bereich wird sichergestellt, dass Ton und Video exakt synchron laufen. Die Daten werden hierfür in Zeitschlitzen zyklisch und streng deterministisch verschickt, um zu einer bestimmten Zeit den Empfänger zu erreichen. Das reicht für das beschriebene Surround-View-System oder lippensynchrone Audio/Video-Darstellungen, die heute noch den teueren MOST-Bus benötigen, völlig aus.
Probleme des AVB-Standards sind jedoch die sehr langen Startzeiten und die fehlenden Redundanzmechanismen, die im ursprünglichen Anwendungsbereich Audio/Video unwichtig sind. Die AVB-Technologie wird deshalb weiterentwickelt zum „Time Sensitive Network“ (TSN). Ziel ist es, Daten in Echtzeit über das Ethernet zu verschicken und eine Latenzzeit von höchstens 100 µs über fünf Netzknoten (Hops) hinweg zu erreichen. Derzeit befindet sich TSN in der IEEE in der Spezifikationsphase, weshalb es noch relativ wenige Entwicklungen dazu gibt. Continental arbeitet jedoch bereits an Vorentwicklungen, mit ersten Ergebnissen ist in ein bis zwei Jahren zu rechnen.
Serviceorientierte Kommunikation
Die Fahrzeuge der Zukunft, sowohl Pkw als auch Nutzfahrzeuge, müssen und werden vernetzt sein. Über eine Cloud werden sie miteinander kommunizieren und wichtige Daten austauschen. Das bedeutet einen Übergang von der heutigen signalbasierten zur serviceorientierten Kommunikation. Unter einem solchen Service verstehen wir eine Funktion innerhalb des Netzwerks, die auf Anfrage zur Verfügung gestellt wird. Dabei fragt das Ethernet zunächst ab, auf welchem Steuergerät oder auf welcher Karte sich diese Funktion befindet und rechnet sie. Im Anschluss wird sie ausgeführt. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich grundsätzlich vom üblichen CAN-Bus, bei dem jeder Sender lediglich zyklisch Informationen auf den Bus legt, ohne den tatsächlichen Bedarf und die Verwendung zu kontrollieren.